Vom Tablet-PC zum Tablet-WC

Tablet-PCs haben sich in diesem Jahr zu Bestsellern entwickelt, und die Marktforscher sagen voraus, dass das Geschäft auch im kommenden Jahr brummen wird. Das freut nicht jeden.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Notebooksbilliger.de-Chef Arnd von Wedemeyer,

Tablet-PC-Markt in Deutschland 2011

(Bild: Bitkom)

was war 2011 in Ihrem Unternehmen Notebooksbilliger.de das Produktsegment mit den höchsten Wachstumsraten? Ich vermute ganz stark: der Tablet-PC. Alles andere würde mich sehr wundern. Denn um sage und schreibe 162 Prozent steigt der Absatz dieser Geräteklasse in diesem Jahr, jubelte der Branchenverband Bitkom Mitte dieses Monats und ist ganz aus dem Häuschen, weil sich die Verkaufszahlen "noch rasanter als erwartet" entwickeln. Rund 2,1 Millionen Einheiten wechselten in diesem Jahr den Besitzer. Im Frühjahr ging man noch von 1,5 Millionen verkauften Stück aus. Schon heute beträgt der Anteil der Tablet-PCs am gesamten PC-Markt in Deutschland (13,4 Millionen verkaufte Einheiten) bereits 15,7 Prozent (vgl. Grafik). Tendenz: weiterhin stark ansteigend.

Im Weihnachtsgeschäft gehörten die Geräte zu den absoluten Rennern. Laut einer Bitkom-Umfrage wollten 13 Prozent aller Bundesbürger in dieser Saison ein Tablet verschenken oder anschaffen. Den Umsatz mit Tablet-PCs im Jahr 2011 beziffert der Bitkom auf 1,1 Milliarden Euro, ein Plus gegenüber 2010 um 141 Prozent. Und das, obwohl der durchschnittliche Anschaffungspreis im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent zurückging; nebenbei bemerkt: deutlich weniger als bei Notebooks, bei denen der Preisfall in manchen Jahren bei bis zu 25 Prozent liegt.

Auch die Aussichten sind gut: Im kommenden Jahr erwartet der Bitkom eine weitere Absatzsteigerung um 29 Prozent auf dann 2,7 Millionen Stück. Der Umsatz soll um 19 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro klettern.

Was für Sie, lieber von Wedemeyer, und für andere IT-Händler und – Hersteller ein Grund zur Freude ist, dürfte bei anderen für tiefe Kummerfalten auf der Stirn sorgen. Ich rede von den Verlagsgeschäftsführern, deren Geschäftsmodell noch immer zum großen Teil auf gedruckten Tageszeitungen und Zeitschriften basiert. Diese hatten ja schon in den vergangenen Jahren eher selten Grund zum Jubeln, aber jetzt scheint die Lage für sie noch einmal brenzliger zu werden. Und Schuld daran sind – zumindest zum Teil – die Tablet-PCs.

Wieso? Nun, bisher lautete eines der stärksten Argumente der Anhänger des gedruckten Wortes, Zeitungen und Zeitschriften werde es deshalb immer geben, weil man sie und nur sie bequem und komfortabel mit aufs stille Örtchen nehmen könne, Computer aber nicht (zumindest nicht bequem und komfortabel). Im Klo fand die Zeitung sozusagen ihre Existenzberechtigung. Doch damit ist es mehr und mehr vorbei.

Umfragen haben nämlich ergeben, dass bereits heute jeder dritte Nutzer seinen Tablet-PC mit auf die Toilette nimmt. Genau sind es sogar 35 Prozent. Das ist fast so viel bei Mobiltelefonen und Smartphones (39 Prozent). Erstaunlich, nicht wahr? Man kann es auch so sagen: Aus dem Tablet-PC wird ein Tablet-WC. Leider liegen keine Informationen vor, was die Umfrageteilnehmer mit dem Tablet-PC auf dem Klo genau machen bzw. welche Inhalte sie abrufen und ob sich diese Gewohnheit auf die Dauer der Sitzungen auswirkt. Aber es macht nachdenklich.

Nicht nur stellt sich die Frage, ob diese neue Entwicklung nun der endgültige Todesstoß für Print-Publikationen ist, sondern auch die, ob die Tablet-PCs den oftmals unwirtlichen Lebensbedingungen in den WC- und Waschräumen überhaupt gewachsen sind. Haben die Tablet-Hersteller ausreichend Sorge getragen und ihre Produkte auf diesen Einsatz vorbereitet? Ich bin nicht sicher.

Mit großem Interesse habe ich vor diesem Hintergrund zur Kenntnis genommen, das Nokia eine spritzwasserabweisende Oberfläche für Handys entwickelt hat, die man sicherlich auch für Tablets verwenden kann. Eine tolle Sache, wenn Sie mich fragen. Ist vielleicht nicht so entscheidend, wenn Sie mit Ihrem Tablet-PC gemütlich auf dem Sofa oder im Bett liegen (der oben erwähnten Umfrage zufolge nehmen 78 Prozent der Teilnehmer ihren Tablet-PC mit ins Bett), aber in den Feuchtbiotopen Badezimmer und Toilettenraum macht so eine wasserabweisende Oberfläche schon Sinn.

Freilich: In der Badewanne sollte man dann doch lieber auf seinen Tablet-PC verzichten, zumindest bis es Geräte mit bis zu 50 bar Wasserdichtigkeit gibt (Achtung Hersteller: Marktlücke!). Bis dahin empfehle ich, weiterhin die gute alte Zeitung aus Papier mit in die Badewanne zu nehmen. Die Print-Verleger sind gut beraten, allen Badewannen-Herstellern kostenlose Anzeigenplätze zur Verfügung zu stellen, um möglichst vielen Menschen die Vorzüge eines Vollbades nahe zu bringen. Nur das Motiv würde ich vorgeben: Der oder die Badende müsste eine Zeitung lesen, am besten mit Inbrunst.

Hersteller und Händler von Tablet-PCs sollten natürlich mit einer eigenen Anzeigenserie kontern: Männer und Frauen mit Tablets auf dem stillen Örtchen, so in der Art des berühmten Posters mit Frank Zappa. Wo diese Anzeigen erscheinen sollen? Na, in Deutschlands Zeitungen und Zeitschriften natürlich.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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