Weihnachtsfeiern: Lieber gut kopiert als schlecht selber gemacht

Jetzt kommen sie wieder auf uns zu: die Weihnachtsfeiern! Erschüttert nehmen wir zur Kenntnis, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmer von Weihnachtsfeiern nur eins im Sinn hat: ein amouröses Abenteuer mit der süßen Disponentin aus der zweiten Etage oder mit dem athletischen Vorstandsassistenten mit dem flotten BMW.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Achim Heyne, Geschäftsführer des Aachener Distributors api,

falls Sie es noch nicht gemerkt haben sollten, heute ist der 1. Dezember. Mit anderen Worten: Der Monat der Weihnachtsfeiern hat begonnen. Der eine Teil der Belegschaft freut sich auf sie, der andere hasst sie wie die Pest. Gerade habe ich gelesen, dass mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer die Firmenweihnachtsfeier mit der Hoffnung auf ein amouröses Abenteuer oder einen Flirt verbinden. Hätten Sie das gedacht? Erschütternd, nicht wahr? Dazu passend habe ich im Netz die Einladung der Deutschen Bank zur letztjährigen Weihnachtsfeier gefunden. Als Serviceleistung unseren Lesern gegenüber veröffentlichen wir den Einladungstext als kleine Formulierungshilfe für Ihr Unternehmen:

Liebe Mitarbeiter,

wie schon in den Vorjahren wollen wir auch in diesem Jahr das anstrengende Geschäftsjahr mit einer gemeinsamen Weihnachtsfeier im Frühstücksraum A1 beenden.

Da es im letzten Jahr einige etwas unerfreuliche Zwischenfälle gab, möchte die Geschäftsleitung im Vorfeld auf gewisse Spielregeln hinweisen, um die besinnliche Feier auch im rechten Rahmen ablaufen zulassen.

1.) Wenn möglich sollten die Mitarbeiter den besagten Raum noch aus eigener Kraft erreichen, und nicht im alkoholisierten Zustand von Kollegen hereingetragen werden. Eine Vorfeier ab den frühen Morgenstunden sollte möglichst vermieden werden.

2.) Es wird nicht gern gesehen, wenn sich Mitarbeiter mit ihrem Stuhl direkt an das kalte Buffet setzen. Jeder sollte mit seinem gefüllten Teller einen Platz an den Tischen aufsuchen! Auch die Begründung "Sonst futtert mir der Meier die ganzen Melonenschiffchen weg" kann nicht akzeptiert werden.

3.) Schnaps, Wein und Sekt sollte auch zu vorgerückter Stunde "nicht" direkt aus der Flasche getrunken werden. Besonders wenn man noch Reste der genossenen Mahlzeit im Mund hat. Der Hinweis "Alkohol desinfiziert" beseitigt nicht bei allen Mitarbeiten das Misstrauen gegen Speisereste in den angetrunkenen Flaschen.

4.) Wer im letzten Jahr den bereitgestellten Glühwein gegen eine Mischung aus Hagebuttentee und Super-Bleifrei ausgetauscht hat, wird darum gebeten diesen Scherz nicht noch einmal zu wiederholen. Sicherlich ist uns allen noch in Erinnerung was passierte, als Kollege Moosbacher sich nach dem dritten Glas eine Zigarette anzündete.

5.) Sollte jemand nach Genuss der angebotenen Speisen und Getränke von einer gewissen Unpässlichkeit befallen werden, so wird darum gebeten die dafür vorgesehen Örtlichkeiten aufzusuchen. Kollege Deitenberg war im letzten Jahr über den unerwarteten Inhalt seines Aktenkoffers nicht sehr begeistert.

6.) Wenn Weihnachtslieder gesungen werden, sollten die Originaltexte gewählt werden. Einige unserer Auszubildenden sind noch minderjährig und könnten durch einige Textpassagen Schaden an ihren jungen Seelen nehmen.

In diesem Zusammenhang möchten wir nochmals daran erinnern, das einige der männlichen Kollegen sich noch nicht zur Blutuntersuchung zwecks Feststellung der Vaterschaft gemeldet haben. Unsere in Elternzeit befindliche Kollegin Frau Kluge meint, es bestände ein kausalursächlicher Zusammenhang zwischen der letztjährigen Weihnachtsfeier und der Geburt ihrer Tochter Sylvia im September dieses Jahres.

Wenn wir uns alle gemeinsam an diese wenigen Verhaltensmaßregeln halten, sollte unsere Weihnachtsfeier wieder ein großer Erfolg werden.

Mit freundlichem Gruß

Der Vorstand

So weit die Einladung der Deutschen Bank vom letzten Jahr. Eine mehr als brauchbare Vorlage, will ich meinen. Motto: Lieber gut kopiert als schlecht selber gemacht.

Vor allem die Chefs kommen ja zu Weihnachten auf die seltsamsten Ideen. Zum Beispiel die Idee, irgendwie menschlich wirken zu müssen und nett zu den Angestellten zu sein. So kann ich aus eigener Erfahrung von einem Firmenchef berichten, der auf die "grandiose" Idee kam, sich bei den Mitarbeitern für ihren Einsatz dadurch zu bedanken, dass er sie während der Weihnachtsfeier bedient. Er reichte ihnen schon im Eingangsbereich leckeres Weihnachtsgebäck, fragte sie nach ihren Getränkewünschen und servierte ihnen einen leckeren Entenbraten mit Klößen und Rotkohl. Natürlich tat dies der Chef nicht allein, nein, er wurde unterstützt von seinen Führungskräften, die wohl oder übel mitmachen mussten.

Was soll ich sagen: Es war eine peinliche Situationen für (fast) alle Beteiligten. Der Einzige, der von dieser Aktion begeistert war, war der Chef. Irgendwann bekam auch er mit, dass seine Idee nicht so gut ankam, und war verstimmt, weil ihn wieder mal keiner verstand. Leider hatte sich im Vorfeld niemand getraut, ihm zu sagen, dass seine eigentlich sogar gut gemeinte Geste Kokolores war. Und seine Geste war definitiv Kokolores. Der Chef, der bei der Weihnachtsfeier seine Mitarbeiter bedient, sendet damit ein völlig falsches Signal aus. Er sagt damit – in den meisten Fällen wahrscheinlich sogar unwissentlich und unbeabsichtigt – Folgendes aus: "Das ganze Jahr über haben Sie für mich geschuftet. Heute Abend arbeite ich mal für Sie."

Warum ist das ein falsches Signal? Ganz einfach, weil es gerade dem Chef klar sein und er dieses auch so kommunizieren sollte, dass alle, die in der Firma arbeiten und von diesem bezahlt werden (auch er selbst), für nichts anderes arbeiten als für den Erfolg dieser Firma. Als Gegenleistung zahlt ihnen die Firma ein Gehalt. Die Aufgabe der Mitarbeiter besteht darin, sich zum Wohle der Firma anzustrengen, ihre Aufgabe besteht nicht darin, sich zum Wohle des Chefs anzustrengen. Der Erfolg, der ihrer Arbeit entspringt, kann dazu beitragen, dass sich der Chef wohl fühlt, aber das Wohlfühlen des Chefs kann und darf nicht das Ziel der Arbeit der Mitarbeiter sein.

Mit ist schon klar, dass in vielen Firmen in dieser Hinsicht nicht alles so ist, wie es sein sollte. Nur allzu oft hat man den Eindruck, dass Mitarbeiter tatsächlich dafür arbeiten, den Chef glücklich und zufrieden zu machen. Dies auch dann, wenn der Chef in seinen Ansprachen ans Volk immer wieder betont, wie wichtig die Kundenzufriedenheit für den Erfolg der Firma ist. Im betrieblichen Alltag orientieren sich die Mitarbeiter dann aber weniger an der Kundenzufriedenheit, sondern in erster Linie an der "Chefzufriedenheit". Nun ist es zwar schön, wenn der Chef zufrieden ist, aber dies kann, wie gesagt, nicht das Ziel des Handelns sein, sondern immer nur die Folge.

Zurück zur Weihnachtsfeier: Dass der Chef seine Mitarbeiter auf der Weihnachtsfeier nicht bedienen sollte, bedeutet natürlich nicht, dass er sich nicht bei ihnen für ihr Engagement und ihre Leistung bedanken darf. Im Gegenteil.

Beste Grüße und eine schöne Weihnachtsfeier!

Damian Sicking

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