Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Stelle

Gleich zwei Unternehmer aus der ITK-Branche sind in diesem Jahr als "Entrepreneur des Jahres" ausgezeichnet worden. Wenn das kein Grund zum Feiern ist. Aber dann muss auch wieder wieder gearbeitet werden.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Günther Müller (vierter von links) im Kreis der Preistraeger

(Bild: Ernst & Young)

Lieber "Entrepreneur des Jahres 2009" Günther Müller,

im Hause ASC Telecom AG in Hösbach (bekannt vom Stau auf der A3) gibt es etwas zu feiern. Der Chef der Firma, nämlich Sie, wurde gerade zum "Entrepeneur des Jahres 2009" in der Kategorie "Information und Kommunikationstechnologie" gekürt. Herzlichen Glückwunsch auch von unserer Seite. Damit sind Sie einer von nur fünf Preisträgern in dem renommierten Wettbewerb, der alljährlich von der Unternehmensberatung Ernst & Young ausgeschrieben wird und in dem eine erlesene Jury (u. a. Lothar Späth, Hans-Jörg Bullinger, Wolfgang Franz und August-Wilhelm Scheer) die Gewinner kürt. Dass neben Ihnen mit Marc Zimmermann, dem Gründer und Chef der Infomotion GmbH in Frankfurt, ein weiterer Unternehmer aus der Informationsbranche zum "Entrepreneur des Jahres" gewählt wurde (nämlich in der Kategorie "Startup-Unternehmen"), kann man als schönen Beleg für das lebendige Unternehmertum in der deutschen IT-Branche werten. Man kann sich allerdings auch fragen, ob es ein Zufall ist, dass mit ASC und Infomotion zwei Firmen aus dem Großraum Frankfurt zum Zuge kamen. Auch die Preisverleihung fand in Frankfurt statt. So, und jetzt raten Sie mal, wo der Veranstalter Ernst & Young seinen Deutschland-Sitz hat: Äh, ja, richtig, in Stuttgart. Na gut, lassen wir das.

Sicher haben Sie mit Ihren Mitarbeitern auf diesen schönen Erfolg angestoßen. Und wissen Sie, mit was? Mit Recht! So ein Preis ja auch ein Grund zum Feiern. Kriegt schließlich nicht jeder. Und wenn ich das richtig sehe, kriegt man diesen Preis auch nur ein einziges Mal im Leben, im Unterschied etwa zum Titel des Deutschen Meisters im Bodenturnen, den man jedes Jahr aufs Neue erringen kann. Aus unternehmerischer Sicht ist zudem erfreulich, dass man so einen Ehrentitel "Entrepreneur des Jahres" natürlich auch PR-mäßig super nutzen kann, vor allem, wenn das Zielpublikum das Wort aussprechen kann, ohne sich dabei die Zunge zu brechen. In Ihrem Fall hat ja sogar das "Manager-Magazin" in einem Print-Spezial sowie online über den Wettbewerb und die Preisverleihung berichtet. (Manche behaupten ja mit geringschätzigem Unterton, dass das Manager-Magazin die "Bild-Zeitung für Manager" sei; das ist natürlich Unsinn, denn die Bild-Zeitung für Manager ist noch immer die Bild-Zeitung Bild-Zeitung selbst.)

Also alles ganz klasse, lieber Herr Müller, und wir freuen uns mit Ihnen. Nun möchte ich an dieser Stelle ganz bestimmt keinen Wasser in den Schampus kippen, sondern nur auf eine Gefahr hinweisen, die mit solchen Ehrungen immer wieder verbunden sind: Man genießt den Ruhm und vergisst die Pflicht, etwas pathetisch gesagt. Nein, ganz im Ernst, es gibt Studien seriöser Wissenschaftler, dies festgestellt haben, dass Unternehmenschefs, die renommierte Management-Preise erhalten haben, im Anschluss daran eine spürbar schlechtere Arbeit als vergleichbare Berufskollegen geleistet haben, die leer ausgegangen sind. Ich hatte dieses Thema vor einem Jahr an dieser Stelle schon einmal erwähnt, aber man kann das ja gar nicht oft genug sagen. Amerikanischen Wissenschaftlern war aufgefallen, dass die Gesamtkapitalrendite der von preisgekrönten Managern geführten Firmen ein Jahr nach der Preisverleihung spürbar geringer ausfiel als die einer Kontrollgruppe. Auch an der Börse entwickelten sich die Aktienkurse der von Preisträgern geführten Unternehmen in den drei Jahren nach der Auszeichnung um 15 bis 26 Prozent schlechter als die der Kontrollgruppe. Interessant, nicht wahr?

Wesentlicher Grund für diese Entwicklung: Wenn ein Firmenchef einen prestigeträchtigen Preis bekommt, dann steigt sein Status und sein Renommee offenbar derart stark an, dass er in seinem Unternehmen quasi unangreifbar und allmächtig wird. Das gebe ihm die Möglichkeit, so die amerikanischen Wissenschaftler, sich mehr um seine eigenen Interessen und weniger um die seines Unternehmens zu kümmern. So stellten die amerikanischen Wissenschaftler fest, dass die preisgekrönten Unternehmensführer dazu neigten, sich statt mit dem Tagesgeschäft mit anderen Dingen die Zeit zu vertreiben: Sie schreiben häufiger Bücher als die Manager in der Kontrollgruppe und wurden von anderen Firmen öfter in den Aufsichtsrat berufen. Auch ihr Golf-Handicap war besser als das der Manager in der Kontrollgruppe.

In Deutschland kennen wir dieses Phänomen auch. Manche Beobachter des Wirtschaftslebens wollen zum Beispiel festgestellt haben, dass sobald das Manager-Magazin (ja, schon wieder das Manager-Magazin) einen Wirtschaftskapitän und Unternehmenschef zum „Manager des Jahres“ ausgerufen hat, man ziemlich sicher davon ausgehen kann, dass dieser Mann ein Jahr später gefeuert worden ist. Ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt, aber wundern würde es mich nicht. Und das, obwohl wir alle mit dem Spruch aufgewachsen sind: "Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Stelle." Aber so wie ich Sie einschätze, lieber Herr Müller, besteht in dieser Hinsicht bei Ihnen keine Gefahr.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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