c't 11/2021
S. 3
Standpunkt

NFT: Am originalsten durch Umweltsünde

Mit digitalen Waren Geld zu verdienen ist nicht ohne Tücken. Man denke nur an die Musikkonzerne, die Mitte der 2000er um Haaresbreite eingegangen wären, weil sie sich im Zeitalter der Digita­lisierung an analoge Geschäftsmodelle klammerten. Ihr Problem: Digitale Kopien lassen sich schnell, einfach und unkontrolliert verbreiten und büßen dabei gegenüber der Vorlage nichts an Qualität ein – sie sind faktisch ein zweites, drittes, x-tes Original.

Nun ist der Mensch ein Sammler; er liebt das Einzigartige. Doch wie monetarisiert man ein ­digitales Original, wenn ihm alle Kopien ebenbürtig sind? Darf ich vorstellen: das Non-­Fungible Token, alias NFT (siehe S. 18). Wer dieses selbstverständlich per Blockchain ­abgesicherte Eigentumszertifikat hält, darf stolz verkünden, seine Kopie sei die originalste. Obwohl das niemanden davon abhält, andere Kopien anzufertigen, zu besitzen, zu nutzen und weiterzugeben, es in der Regel also keinerlei Exklusivität gibt, scheint das bei einigen ­Leuten wirklich zu ziehen; sie blättern dafür atemberaubende Summen hin, in der Hoffnung, der Wert werde schon steigen.

Der eigentliche Aufreger für mich: Der Verkauf eines NFT hat eine ebenso verheerende Energie­bilanz wie alle anderen Blockchain-Geschäfte. Nach anfänglichem Geek-Enthusiasmus für die Krypto-Schürferei erschüttert mich die mensch­liche Gier inzwischen nur noch. Wir verheizen im Wortsinn unseren Planeten, um damit prahlen zu können, einen virtuellen Gegenstand zu besitzen, den wir mit einer unregulierten digitalen Währung bezahlen. Dass in den Führungsetagen von Firmen wie Adobe Loblieder auf NFT gesungen ­werden und ausgerechnet der vorgebliche Dekarbonisierungsvorreiter Tesla in Bitcoin investiert, lässt mich vollends verzweifeln.

Mein Appell lautet daher: Wenn Sie Ihren Lieblingskünstler finanziell unterstützen wollen, dann tun sie es via Patreon, Ko-Fi oder über ähnliche Plattformen. Und wenn Sie (wie ich) ­ungenutzte Rechenleistung sinnvoll einsetzen ­wollen, schließen Sie sich einem der vielen ­verteilten Rechenprojekte an, die das Universum besser verstehen oder Krankheiten besiegen ­wollen – mehr dazu lesen Sie auf Seite 138.

Benjamin Kraft
Benjamin Kraft

Benjamin Kraft

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