c't 11/2021
S. 40
Aktuell
Apple

Lehrstücke

Apples April-Korb voller Neuerungen

Das iPhone wird zur Wünschelrute, wenn es auf das UWB-­Funksignal von Apples neuem, natürlich nicht billigen Findeknopf einrastet. Mit dem anlässlich des April-Events vorgestellten AirTag demonstriert Apple, wie man Ingenieurskunst und Design zu Geld macht.

Von Dušan Živadinović
Schlüssel verbummelt? Macht nichts, Apples iPhone nutzt den UWB-Funk, um ein am Schlüssel angehängtes AirTag zentimetergenau zu lokalisieren.
Bild: Apple

Ende April stellte Apple auf seiner „Spring Loaded“-Keynote diverse neue Produkte vor. Dabei hält der Konzern sein Tempo beim Umstieg auf die hauseigenen M1-Prozessoren aufrecht und bietet nun auch einen iMac mit neuem Innenleben an. Einige Innovationen schmücken auch das neue iPad Pro und die Settop-Box Apple TV 4K (siehe S. 45). Am meisten Neues steckt im münzgroßen Objekt-Tracker AirTag: Der Findeknopf lässt sich etwa am Schlüsselbund anbringen und kommuniziert per Funk, sodass man mit ihm versehene, verlorene Gegenstände aufspüren kann.

Meldet man ein AirTag mittels der Wo-ist-App an Apples gleichnamigem Dienst an und markiert es als verloren, kann man es auf verschiedene Arten suchen lassen. Dafür kommuniziert das Tag über Near Field Communication (NFC), Bluetooth Low Energy und Ultra-Wideband (UWB). NFC-fähige Geräte können auf dem Tag hinterlegte Daten auslesen, sodass Finder den Besitzer kontaktieren können.

Das Bluetooth-Modul sendet rund um die Uhr eine MAC-Adresse, die alle 15 Minuten wechselt, um unerwünschtes Tracking durch Dritte zu vermeiden. Wenn ein iPhone, iPad oder Mac die MAC-Adresse aufschnappt und an Apples Wo-ist-Dienst meldet, leitet der die Position des meldenden Geräts per Push-Nachricht an den Eigner der Apple-ID, mit der das Tag verknüpft ist. Die Nachricht verschlüsselt Apple so, dass nur der Empfänger sie lesen kann. Apple schöpft so aus, dass weltweit rund 1 Milliarde iPhones und iPads aktiv sind. Sie funktionieren im Wo-ist-Dienst als passive Bluetooth-Sensoren; die Identitäten der iPhones und AirTags bleiben verborgen.

Apple verschmäht IoT- und GNSS-Module (Global Navigation Satellite System), die je nach Technik weit bessere Abdeckung und viel höhere Genauigkeit bei ähnlich langen Laufzeiten mit einer Knopfzelle bieten. NB-IoT durchdringt sogar Kellerdecken. Doch sie benötigen spezielle SIM-Karten und das kostet.

Die AirTag-Nachteile für Nutzer liegen auf der Hand. Die Bluetooth-Reichweite beträgt im Freien um die 100 Meter und innerhalb von Gebäuden 15 bis 45 Meter. Deshalb kann die tatsächliche Position eines AirTags deutlich von der GNSS-Position des meldenden iPhones abweichen – zumal selbst GNSS nur eine Auflösung von einigen Metern erreicht. Immerhin hat man bei einer neuen Knopfzelle vom Format CR2032 rund ein Jahr Zeit, ein AirTag durch Abgehen eines derart unscharf begrenzten Areals wiederzufinden.

Ein modernes iPhone erspart den Pfadfinderhut, wenn man sich dem AirTag auf UWB-Reichweite nähert (je nach Umgebung 30 bis 50 Meter, im Freien bis 100 Meter). In Modellen ab Version 11 steckt nämlich Apples UWB-Chip U1, der schon als Teil eines diebstahlsicheren Autoschlüssels dient (siehe ct.de/y68s). Damit wird das iPhone zur elektronischen Wünschelrute: Es zeigt in der Wo-ist-App die Richtung und Distanz zum verbummelten AirTag.

Wenn AirTags längere Zeit vom Besitzer-iPhone getrennt sind, spielen sie einen Ton ab, um auf sich aufmerksam zu machen. Das soll laut Apple ungewolltes Tracking verhindern. iPhones und iPads warnen bei Rückkehr zur Heimatadresse oder spätestens am Ende des Tages, falls sie ein untergeschobenes AirTag identifizieren. Man entfernt dann die Batterie, um es stillzulegen. Einmal angemeldete AirTags lassen sich mit keiner anderen Apple-ID verbinden, bis sie aus dem Apple-Account entfernt werden.

Das AirTag steckt in einem wasser- und staubgeschützten Gehäuse (Schutzart IP67) und kostet 35 Euro. Für vier Exem­plare verlangt Apple 119 Euro. Das ist üppig, gemessen daran, dass das „riesige“ Wo-ist-Sensor-Netz eine unvorhersehbare und teils sehr grobe Abdeckung aufweist.

Insgesamt taugen die AirTags als Lehrstück darüber, wie man ein Abfallprodukt zur Hightech-Kultpreziose aufbrezelt: Der UWB-Funk sollte vor Jahrzehnten eine Art drahtloses USB werden, scheiterte aber kläglich. Nun feiert er wegen seiner einzigartigen Distanzmessung Auferstehung im Security-Bereich als Zugangstechnik für Häuser und Autos. UWB unterbindet Relay-Attacken ein für allemal (siehe ct.de/y68s). Mit den Findeknöpfen können nun auch iPhone-Nutzer ohne Auto oder Haus vom U1-Chip profitieren.

Die AirTag- und Wo-ist-Entwicklung kann man aber auch als Lehrstück über Marktmacht sehen. Denn erneut dürfte Apple bei Mitspielern im eigenen Ökosystem abgekupfert haben: Vorreiter im Bereich der Finde-­Dienste für iPhones ist nämlich die US-­Firma Tile. Und Tile möchte den U1-Chip ebenfalls gerne nutzen, jedoch unter Umgehung von Gebühren für Apple. Aber die zugehörigen Spezifikationen will Apple erst im Herbst veröffentlichen. Womöglich genügt diese Frist, um Tile aus dem Sattel zu stoßen. Tile wirft Apple vor dem US-Kongress und der EU-Kommission Wettbewerbsverstöße vor – etwa so wie Spotify und diverse andere Firmen in der Vergangenheit.

Ausquartiertes Ethernet

Der iMac mit Apples M1-Chip ersetzt das Intel-Modell mit 21,5 Zoll Bildschirmdiagonale und bringt ein 24-Zoll-Display mit 4480 × 2520 Pixeln (4,5K), True Tone, erweitertem P3-Farbraum und Antireflexbeschichtung mit. Das Gehäuse lässt sich neigen, aber nicht schwenken und auch nicht in der Höhe verstellen.

Zu den Neuerungen zählt eine 1080p-­Kamera mit Bildverbesserung und Enhanced Dynamic Range sowie ein modernes Soundsystem mit sechs Lautsprechern, Spatial Audio, Dolby Atmos und nach unten abstrahlendem Bass. Die drei in einem Array verbundenen Mikrofone sollen Studioqualität liefern.

Das Netzteil hat Apple ausquartiert. Das mindert die Abwärme im Gehäuse und ermöglicht kleinere Lüfter. Mit maximal 10 dB(A) surren sie kaum vernehmlich. Der Ethernet-Anschluss gehört nicht zur Standardausstattung; stattdessen erwartet Apple, dass man sich mit WLAN begnügt. Das passt nicht zu Apples Werbebotschaft, man könne mit dem iMac nun sogar 100 Megapixel große Fotos verzugfrei bearbeiten – denn in Profi-Umgebungen kommen solche Fotos vom Netzwerkspeicher, der mit 10-Gigabit-Ethernet angebunden ist.

Immerhin ein Zehntel dieser Geschwindigkeit bekommt der iMac als Gigabit-Ethernet-Port in einem speziellen Netzteil, das die Ethernet-Signale über ein proprietäres Kabelbündel ins iMac-Gehäuse leitet. Einige Varianten des neuen iMac bekommt man mit einer neuen Tastatur, die erstmals den Fingerabdrucksensor Touch ID zum schnellen Entsperren enthält. Der Sensor kommuniziert drahtlos und verschlüsselt mit dem neuen iMac. An Intel-Macs funktioniert Touch ID nicht.

Die neuen iMacs überzeugen mit schnellem M1-Chip. Erstmals ist passend dazu auch eine Funktastatur mit eingebautem Fingerabdrucksensor erhältlich.
Bild: Apple

Der ARM-basierten M1-CPU stellt Apple in den Einstiegsversionen sieben Grafikkerne zur Seite, die teureren enthalten derer acht. Alle enthalten acht CPU-Kerne und mindestens 8 GByte RAM sowie eine SSD mit 256 GByte Kapazität (1450 Euro). Für 230 Euro mehr bekommt man eine SSD mit 512 GByte. Zwei zusätzliche USB-C-Ports, Touch ID, acht Grafikkerne und Ethernet bekommt man ab 1670 Euro.

Fazit

Alle Neuvorstellungen kann man als überzeugende Optimierungen werten, wenngleich nicht alles stimmig erscheint. Darunter stellt der neue iMac den wichtigsten Baustein dar. Einzelheiten zum neuen iPad Pro und Apple TV 4K, dessen neue Fernbedienung Apple keine Wo-­ist-­Anbindung Wert war, finden Sie auf Seite 45. (dz@ct.de)

AirTag- und UWB-Infos: ct.de/y68s

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