c't Extra 2021
S. 98
Praxis
Mobilcomputer

Schlepptop

30 Jahre alter Laptop läuft wieder

Der Highscreen Laptop 8100 wiegt zwar über acht Kilo, galt aber damals mit seiner guten Ausstattung zum Preis von etwa 1400 D-Mark als echtes Schnäppchen. Um den Mobil-Methusalem nach 20 Jahren im Keller wieder funktionsfähig zu machen, brauchte es Löterfahrung und einen Fundus an alter Hardware für Ersatzteile.

Von Rudolf Opitz

Anno 1990 hieß das Standard-Betriebssystem für PCs noch MS-DOS, die grafische Bedienoberfläche Windows 3.1 passte auf sieben Disketten und mobile PCs waren schwer und teuer. Zu der Zeit kosteten sie meist etliche tausend D-Mark, daher konnte ich dem Angebot vom Grabbeltisch eines Großmarkts nicht widerstehen: ein 368er – ein echter DX! – mit 20 MHz, 2 MByte RAM (erweiterbar), einem monochromen VGA-LCD, einer 40-MByte-Festplatte und einem 3,5-Zoll-Floppylaufwerk. Die Schnittstellenausstattung inklusive VGA-Ausgang konnte sich mit Desktop-PCs messen, es gab sogar einen Steckplatz für eine kurze 8-Bit-ISA-Karte. Zudem lag mit externem Ziffernblock und einem ansteckbaren 5¼-Zoll-Floppydrive viel Zubehör bei.

Auf dem Gehäuse prangte das aufgeklebte Label „Highscreen“, offensichtlich ein Grund für den geringen Preis. Highscreen war der Markenname des auf preisgünstige PCs spezialisierten Vobis-Franchise, an dem die Metro AG kurz zuvor Anteile erworben hatte. Ein weniger offensichtlicher Grund fiel erst beim zweiten Hinsehen auf und war mir zunächst auch egal: Der interne Akku des Laptop 8100 reichte nur für eine Laufzeit von wenigen Minuten. Vernünftig damit arbeiten konnte ich daher nur, wenn der Rechner Energie über das fette externe Netzteil bezog.

Der Akkupack war dann auch das Erste, was aus dem Laptop herausflog. Dazu musste ich das Gerät komplett zerlegen, denn er residierte zusammen mit der Schaltung zur Erzeugung der verschiedenen Betriebsspannungen in einem Metallkäfig. Danach war der Laptop gleich 1,5 kg leichter. Der Akkupack bestand wie damals üblich noch aus Nickel-Cadmium-(NiCd-)Zellen, deren Einsatz heute bis auf wenige Ausnahmen verboten ist. Vor dreißig Jahren waren sie für die energiehungrigen Mobilrechner noch erste Wahl, weil sie hohe Ströme liefern konnten. Seit Ende 2016 ist aber auch die NiCd-Ausnahme für Elektrowerkzeuge ausgelaufen.

Auch ohne interne Energieversorgung war ich mit dem Laptop 8100 sehr zufrieden, denn er brauchte neben meinem Hauptrechner – damals noch ein gut ausgebauter Atari ST – inklusive Display und Tastatur nur wenig Stellfläche. Außerdem ließ er sich gut aufrüsten: Der ISA-Slot beherbergte bald die Schnittstellenkarte für einen Handscanner, die 80386-CPU bekam Schützenhilfe durch einen mathematischen Co-Prozessor (auf Gleitkommaarithmetik verstanden sich erst die 486DX-Prozessoren) und den Arbeitsspeicher in Form von acht 256-KByte-SIMMs (Single Inline Memory Modules) ersetzte ich bald durch 1-MByte-Riegel. Zwei der überschüssigen 256-KByte-Riegel recycelte ich später in einem Atari ST.

30 Jahre später

Etwa zehn Jahre lang blieb der Highscreen-Laptop im mehr oder weniger produktiven Einsatz, dann wanderte er in den Keller. Nun wollte ich wissen, ob der gewichtige Oberschenkelaufsatz nach zwanzig Jahren im Elektronikarchiv noch funktioniert. Der erste Einschaltversuch war aber erfolglos und geruchsintensiv: Nach dem Anstecken des Netzteils und Einschalten entwich der Frontseite des Laptops eine stinkende Qualmwolke – offensichtlich hatte wie befürchtet ein Elektrolytkondensator (auch unter der Kurzform Elko bekannt) den Geist aufgegeben.

Die tropfenförmigen Tantal-Elkos dienen als lokale Energiespeicher auf dem Mainboard. Stirbt einer infolge altersbedingten Kurzschlusses, gibt es Rauch und Gestank. Dafür ist die Fehlerquelle meist leicht zu finden.
Die tropfenförmigen Tantal-Elkos dienen als lokale Energiespeicher auf dem Mainboard. Stirbt einer infolge altersbedingten Kurzschlusses, gibt es Rauch und Gestank. Dafür ist die Fehlerquelle meist leicht zu finden.

Man findet Elkos in Computernetzteilen, wo sie für stabile Versorgungsspannungen sorgen, aber auch überall auf den Mainboards. Dort dienen sie als Energiespeicher und helfen aus, wenn nahe gelegene Chips mal für ein paar Millisekunden besonders viel Strom brauchen. Wie Batterien und Akkus altern Elkos und verlieren Kapazität. Im schlimmsten Fall kommt es zum Kurzschluss und beim Anlegen der Versorgungsspannung zu explosivem Verhalten.

Was zunächst wie ein Elektro-GAU aussieht und riecht, ist für die Fehlersuche ein Segen: Man sieht das defekte Bauteil sofort. Elkos, die mit fortschreitendem Alter an Kapazität verlieren, sind messtechnisch hingegen meist nur schwer zu ermitteln. Zeigen alte Computer Instabilitäten und sporadische Abstürze, wechselt man die üblichen Verdächtigen besser komplett aus. In meinem Fall war der Schuldige nicht wie vermutet ein Becher-Elko in der Spannungsversorgung mit flüssigem Elektrolyt, sondern ein kleiner tropfenförmiger Tantal-Elko auf dem Mainboard. Dank der Service-freundlichen Konstruktion des Highscreen-Laptops konnte ich das Mainboard vergleichsweise einfach ausbauen und den defekten Elko austauschen. Nach Wiedereinbau des Mainboards und Verbinden der Steckkontakte wagte ich, den Einschalter zu betätigen: Das Display wurde hell und zeigte den Startbildschirm – läuft!

Das Mainboard des Laptop 8100 beherbergt noch viele Standardkomponenten, wie sie in den zeitgenössischen Desktop- und Tower-PCs zum Einsatz kamen: die 368DX-CPU, den (hier bestückten) Sockel für den Floating-Point-Coprozessor, wackelige Pin-type-SIMMs und sogar einen 8-Bit-ISA-Slot für Erweiterungskarten – allerdings nur für kurze Boards.
Das Mainboard des Laptop 8100 beherbergt noch viele Standardkomponenten, wie sie in den zeitgenössischen Desktop- und Tower-PCs zum Einsatz kamen: die 368DX-CPU, den (hier bestückten) Sockel für den Floating-Point-Coprozessor, wackelige Pin-type-SIMMs und sogar einen 8-Bit-ISA-Slot für Erweiterungskarten – allerdings nur für kurze Boards.

Die alte Platte

Weiter als bis zur BIOS-Meldung kam der Rechner allerdings nicht, da die Pufferbatterie auf dem Mainboard längst ihren Geist aufgegeben hatte und das BIOS daher unter Gedächtnisverlust litt. Doch auch nach der Korrektur der Daten im BIOS-Setup (Datum, Uhrzeit, Laufwerke – viel mehr Optionen gab es damals nicht) wollte der Rechner nicht booten. Offenbar lief der Spindelmotor der alten Festplatte nicht mehr an; zumindest ließen die verdächtig leisen Geräusche der Platte dies vermuten.

Dabei handelte es sich nicht mehr um die Original-Platte, eine Conner CP-344 mit einer Kapazität von 40 MByte. Die hatte ich irgendwann gegen eine Conner CP-30174 mit sagenhaften 170 MByte getauscht. Von Conner Peripherals stammten Ende der 80er Jahre viele günstige Harddisks, 1996 übernahm Seagate den Hersteller.

Ich brauchte also eine neue „alte“ IDE-Festplatte. In unserem Fundus gab es noch eine Fujitsu-Platte mit zwei Gigabyte – ob die an einem Rechner mit einem 1989er BIOS funktioniert? IDE (Integrated Drive Electronics) ist eine von Western Digital entwickelte Festplattenschnittstelle, die 1989 als ATA-1-Standard (AT-Attachment-1) verabschiedet wurde. IDE/ATA-Anschlüsse setzten sich schnell durch, da sie günstiger, flexibler und einfacher zu handhaben waren als die ST506-Schnittstelle. Letztere brauchte noch zwei Flachbandkabel und eine voluminöse Controller-Karte. Außerdem musste man Geometrie und Modulationstechnik (MFM, RLL) der angeschlossenen Platte genau kennen.

Geometrie? Die beschreibt, wie die Daten auf der Festplatte organisiert werden: wie viele Spuren die Magnetplatten haben, in wie viele Sektoren diese jeweils unterteilt sind und wie viele Schreib-Leseköpfe vorhanden sind. Wer noch mit Disketten gearbeitet hat, wird diese Angaben kennen. Da in Festplatten aber auch mehrere Scheiben (Platter) rotieren können, wurden die übereinander liegenden Spuren aller Scheiben zusammengefasst als Zylinder bezeichnet. Mit den drei Kenngrößen Zylinder, Köpfe und Sektoren (Cylinder, Heads, Sectors, CHS) ließen sich Festplatten genau beschreiben und ihre Kapazität bei 512 Byte pro Sektor berechnen.

Der physikalische Aufbau einer Festplatte muss mit den angegebenen Geometriedaten (Zylinder, Köpfe, Sektoren) nicht unbedingt übereinstimmen, da die Plattenelektronik sie automatisch umrechnet. Die Conner-Platte hat nur vier Köpfe, auf dem Gehäuse angegeben sind aber acht.
Der physikalische Aufbau einer Festplatte muss mit den angegebenen Geometriedaten (Zylinder, Köpfe, Sektoren) nicht unbedingt übereinstimmen, da die Plattenelektronik sie automatisch umrechnet. Die Conner-Platte hat nur vier Köpfe, auf dem Gehäuse angegeben sind aber acht.

Mit der IDE/ATA-Schnittstelle wanderte viel von der früher vom Controller übernommenen Verwaltung in die Festplattenelektronik. Die Harddisk-Hersteller konnten die Daten intern besser verwalten, als die dem BIOS bekannte Geometrie vorgab. Verdoppelte sich zum Beispiel die Schreibdichte pro Scheibe, brauchte man nicht den Zylinderwert zu verdoppeln, es reichte, im BIOS acht Köpfe statt der tatsächlich vorhandenen vier einzutragen. Das Umrechnen übernahm die Festplatte selbst. Moderne BIOS-Versionen interessieren sich nicht mehr für die Plattengeometrie. Nach dem Initialisieren melden die Platten ihren Speicher als fortlaufende Sektoren an das BIOS und kümmern sich selbst um die Zuordnung von Blocknummern zu physischen Kopf-, Spur- und Sektornummern (Logical Block Addressing, LBA).

BIOS ausgetrickst

Der Laptop 8100 verwaltet maximal je zwei Floppy-Laufwerke und zwei Festplatten. Im Setup-Menü des Phoenix-BIOS aktiviert man die vorhandenen Laufwerke und gibt deren Eigenschaften an – die angeschlossene Hardware selbst fragen konnte das BIOS damals noch nicht. Für die Floppy-Laufwerke braucht das BIOS Angaben zur Größe (5,25 oder 3,5 Zoll) und zur Speicherkapazität (720 KByte, 1,44 MByte), für die Festplatten stehen dutzende von Typen mit fest vorgegebener CHS-Geometrie zur Wahl, nur bei den letzten Typen lässt sich die Geometrie von Hand eintragen. Aus der Anzahl der Zylinder, Köpfe und Sektoren errechnet das BIOS automatisch die Kapazität.

Festplatte (links) und 3,5-Zoll-Floppylaufwerk sind auf einer Schiene quer über dem Mainboard befestigt.
Festplatte (links) und 3,5-Zoll-Floppylaufwerk sind auf einer Schiene quer über dem Mainboard befestigt.

Bei vierstelligen Megabyte-Werten streicht das BIOS aber die Segel und gibt nur noch „***“ aus. Das passierte auch, als ich die Geometrie der Fujitsu-Platte eintrug (4470 Zylinder, 15 Köpfe, 63 Sektoren).

Beim ersten DOS-Bootversuch vom eingebauten 3,5-Zoll-Floppylaufwerk gab es schnarrende Geräusche vom die Köpfe bewegenden Steppermotor. Der Kopfschlitten des Laufwerks saß am Anschlag und konnte nicht initialisiert werden. Um diesen damals bei einigen Laufwerkmodellen verbreiteten Fehler zu reparieren, brauchte ich nur das Abdeckblech zu entfernen und den Kopfschlitten von Hand auf eine mittlere Position zu schieben. Danach bootete der Laptop anstandslos von meiner 30 Jahre alten MS-DOS-Diskette. Respekt!

Das für das Partitionieren der Harddisk zuständige FDISK-Programm legte brav eine primäre Partition mit 170 MByte an. Die Geometrie der Fujitsu-Platte hatte das BIOS eindeutig überfordert, aber etwas mehr Speicher wollte ich aus der 2-GByte-Platte schon herauskitzeln. Ich begann, mit verschiedenen CHS-Varianten zu experimentieren, doch bei 990 MByte (was das BIOS noch anzeigen konnte) erstellte FDISK eine maximale Primärpartition von 8 MByte - wow!

Ach ja, da gab es in den Anfangszeiten von IDE/ATA verschiedene Grenzen für die Partitionsgröße und die erste lag bei 504 MByte (1024 Zylinder, 16 Köpfe und 63 Sektoren). Bei der Zylinderzahl versuchte ich, die auf der Fujitsu-Platte angegebene Zylinderzahl ganzzahlig zu teilen und dabei unter der 504-MByte-Grenze zu bleiben. Mit rund 420 MByte klappte es dann: FDISK legte eine ebenso große Primärpartition an, von der ich booten konnte und die ordnungsgemäß les- und beschreibbar ist – immerhin ein Fünftel der tatsächlich nutzbaren Kapazität der Platte.

Danach lief alles wie am Schnürchen: Meine alten Installationsdisketten waren noch lesbar, sodass ich ohne Probleme MS-DOS und Windows 3.1 installieren konnte. Sogar meine Genius-RS232-Maus funktioniert wieder – Retro-Reparatur gelungen. (rop@ct.de)

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