c't Extra 2021
S. 146
Wissen
MP3
Bild: Rudolf A. Blaha

Die MP3-Kriege

Wie ein Dateiformat zur Schlacht mit vielen Parteien führte

Mitte der 1990er-Jahre machte MP3 bei musikliebenden PC-Nutzern Furore. Künstler und Unterhaltungsindustrie erklärten dem Format jedoch den Krieg.

Von Stefan Wischner

Die c’t-Retroausgaben feiern gerne Geburtstage. Wann eigentlich wurde MP3 geboren? Am 14. Juli 1995 um 12 Uhr 29, also vor rund 26 Jahren und ein paar Monaten. Stimmt gar nicht, sagen Sie? MP3 ist viel älter? Nein. Das Audiokompressionsverfahren MPEG Audio Layer 3 ist ein paar Jahre älter; die ISO-Zertifizierung (IS 11172-3) kam 1992, die Entwicklung des Formats begann schon in den 1980ern. MP3 ist aber nicht mehr als eine Dateinamenserweiterung, auf die sich die maßgeblichen Entwickler aus dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) geeinigt hatten. Das belegt eine Mail des Mitarbeiters Jürgen Zeller, die genanntes Datum trägt. Ein Interview mit Karlheinz Brandenburg, einem der führenden Köpfe des Entwicklungsteams, findet sich im Retro-Heft 2020 [1].

Format hin, Dateiendung her – aus Gründen der Lesbarkeit soll in diesem Beitrag pauschal von „MP3“ die Rede sein. Die Geschichte von MP3 könnte eine klassische Erzählung von einer genialen Idee, Erfindergeist und digitaler Pionierarbeit sein. Ist sie auch, aber nicht nur. MP3 ist nämlich das einzige Dateiformat, das vor allem in seiner Jugend als zumindest potenziell hochkriminell galt. Es stand weithin für Raubkopie, Illegalität und Hehlerei im großen Stil und löste sogar einen Krieg zwischen Künstlern und Musikindustrie auf der einen und Musikhörern und Anbietern von Hard- und Software auf der anderen Seite aus. Davon gleich mehr.

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