c't 18/2022
S. 3
Standpunkt
Hans Jürgen Marhenke

Schlaf-Tracker: Pennen als Leistungssport

Alles fing damit an, dass ich morgens einen Blick auf die App meiner Fitnessuhr warf. Dort stand, dass meine Körperbatterie ziemlich entladen sei. Und das kurz nach dem Aufstehen. Seltsam, denn ich fühlte mich eigentlich super: Am Vortag noch ein bisschen Sport gemacht, prima geschlafen, keine größeren Sorgen für die nächsten Tage sichtbar. Aber die App sagte, ich hätte zu wenig Tiefschlafphasen. Ganz plötzlich.

Das konnte ich kaum glauben. Mein Gefühl sagte mir, dass ich so geruht hatte wie ein Bär im Winterschlaf. Ich las in den Tipps des Fitnessuhr-Herstellers, dass ich meinen Schlaf "optimieren" könne. Wohlfeile Tipps wie "vor Mitternacht ins Bett gehen" lebe ich schon seit einigen Jahren, sodass ich von den Schäfchen, die ich zum Einschlafen zählen soll, allenfalls noch eines sehe, bevor mir die Augen zufallen.

Doch nun soll ich meinen Schlaf optimieren. Gesagt, getan. Ich kaufte neue Matratzen und erstand Vorhänge für eine maximale Verdunklung des Schlafzimmers. Ich dämmte Fenster, Türen und Wände, sodass mich in meiner Schlafhöhle nicht mal mehr Feuerwehrsirenen erreichen. Jeden Morgen warf ich einen Blick auf die Schlafauswertung in der App. Doch sie verkündete keine Besserung. Ich hatte wohl noch nicht genug getan.

Ich verschärfte mein Schlaftraining: Das Sportprogramm kurz nach Feierabend wurde intensiviert und es kam nur noch Kost auf den Tisch, die den Verdauungsapparat nachts nicht mehr belastet. Ich duldete nach 20 Uhr abends keine Störung mehr und sagte alle Abendtermine ab. Freunde mieden mich und ich sie – alles für gesunden Schlaf!

Immer öfter grübelte ich abends lange über mein Schlafproblem, schreckte nachts hoch und war morgens so früh unterwegs, dass ich den Hahn wecken konnte. Dann hatte ich eine Idee: Ich platzierte eine Erbse unter meiner Matratze. Als ich morgens aufwachte, fühlte ich mich wie gerädert, hatte aber endlich einen Grund dafür. Dann kam das Update für die App der Fitnessuhr, das den Fehler in der Schlaferkennung behob.

Michael Link
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