Mac & i 4/2020
S. 3
Editorial

Neues Selbstverständnis

An Apples vollständigen Umstieg von Intel- auf ARM-Prozessoren mag ich noch nicht recht glauben. Dabei zweifle ich weniger an Tempo und Technik der neuen Chips. Was die neue Architektur verspricht, haben meine Kollegen ab Seite 34 für Sie zusammengefasst. Sorgen bereitet mir vielmehr, dass der Chipwechsel vermutlich das Aus für Windows auf dem Mac bedeutet.

Moment, Windows? Ja, genau. Obwohl ich überwiegend mit macOS arbeite, behalte ich stets eine Bootcamp-Partition in der Hinterhand. Die kommt zwar immer seltener zum Einsatz, gibt mir aber ein beruhigendes Gefühl – wie ein Rettungsring oder ein Reserverad. Wenn mal ein Programm auf macOS nicht läuft, reicht ein Neustart und ich sitze vor einem PC mit Windows 10.

Genau das war und ist ein Argument, das viele Umsteiger Apple in die Arme treibt: Ob Studierende, die eine Literaturverwaltung benötigen, Entwickler, die an einem Rechner für mehrere Systeme coden, oder Versicherungskaufleute, die ihre Policen über Spezialprogramme abwickeln: Viele entscheiden sich für einen Mac, weil darin herkömmliche PC-Hardware steckt, auf der auch Windows-Programme ohne Schwierigkeiten laufen. In manchen Unternehmen bliebe Macs der Zugang ohne diese Brücke vielleicht ganz versperrt.

Mit der Abkehr von Core-i- und Xeon-Prozessoren demonstriert Apple ein neues Selbstverständnis: Man will nicht nur bessere PCs mit macOS bauen, sondern die besten Computer mit den angeblich effizientesten Chips. Dafür zieht der Konzern die Mauern hoch: Windows über Bootcamp soll es nicht mehr geben. Ob Virtualisierer wie Parallels oder VMware Fusion die Lücke füllen können, ist unklar.

Bedenken ausräumen kann Apple nur, indem das Unternehmen möglichst viele Entwickler ins Boot holt und tatkräftig beim Umstieg auf die andere Architektur unterstützt. Die beste Hardware taugt nichts, wenn wichtige Software fehlt oder hakt.

Vielleicht klappt das ja und die künftigen ARM-Macs werden so gut, dass man Windows nicht mehr vermissen wird. Ich bin gespannt.

Holger Zelder

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