Make Magazin 1/2017
S. 30
Anleitung
Aufmacherbild

Wunderland en minature

Kleiner geht es kaum noch: Wem die üblichen RC-Modelle im Maßstab 1:10 zu groß sind, für den sind H0-Modelle die passende Herausforderung. Mehrere Fahrzeuge passen bequem auf eine Hand und die Verblüffung der Zuschauer ist einem sicher, wenn sich das winzige Fahrzeug ferngesteuert über die Modellanlage oder auf dem Couchtisch bewegt.

Der MAN 635 Ponton-Kurzhauber mit Pritsche und Plane soll in Zukunft seine Erfrischungsgetränke in der Redaktion ausliefern.

Ein Schaufelbagger fährt in die Kiesgrube, um die mit Warnblinker bereit stehenden Kipplaster zu beladen. Daneben schiebt eine Planierraupe den Boden gerade. PKWs fahren durch die beleuchtete Stadt. Ein ADAC-Fahrzeug eilt einem Pannenfahrzeug zu Hilfe. Auf dem benachbarten Speditionsgelände werden mit einem Mobilkran Bojen verladen. Am Hafen öffnet sich gerade die Klappbrücke, um ein Seenotrettungsboot passieren zu lassen, und im Hafenbecken dreht ein Schlauchboot seine Runden. Ein ganz normaler Tag im Hamburger Miniaturwunderland und demnächst auch auf Ihrer Modellanlage.

Die gesamte Szene spielt sich allerdings auf ein paar Tischen an einem Stand der Maker Faire Hannover ab. Dahinter stehen die Männer der IG Mikromodell mit ihren Funkfernsteuerung und steuern konzentriert die Fahrzeuge, die im Maßstab 1:87 teilweise zu mehreren in eine Hand passen. Vor den Tischen haben sich viele Besucher eingefunden, die mit staunendem Blick das Geschehen verfolgen und viele Fragen stellen. Wenn Sie sich (wie auch die Redakteure der Make) schon Mal gefragt haben, wie die ganze Technik in das kleine Modell passt und so ein Modell aufgebaut wird, dann finden Sie hier die Antworten, um ein gewöhnliches LKW-Modell fahrbereit zu machen.

Der H0-Maßstab von 1:87 hat den großen Vorteil, dass weder eine Werkbank noch grobes Werkzeug gebraucht werden. Für die ersten Versuche genügt die Ausrüstung, die bei den meisten Bastlern schon vorhanden ist. Wird daraus ein Hobby, kommen sicherlich einige Hilfsmittel hinzu, um professionelle Ergebnisse zu erzielen.

In den Anfängen des Mikromodellbaus war es schon schwierig, alle Komponenten in einem kompletten Lastzug unterzubringen. Es mussten Standardkomponenten verkleinert werden und als Stromversorgung standen in dieser Größe nur Knopfzellen zur Verfügung. Durch die fortschreitende Miniaturisierung, die auch vor dem Modellbau nicht halt gemacht hat, ist es heute mit relativ wenig Aufwand möglich, auch kleine Fahrzeuge in diesem Maßstab umzubauen.

Fahrzeugmodell

Da es sich bei den Fahrzeugen um Zubehör für H0-Eisenbahnanlagen handelt, ist die Auswahl nahezu unerschöpflich. Autos aus Kunststoff von bekannten Herstellern wie Wiking, Herpa, Brekina oder Busch kommen genauso in Frage wie von diversen Kleinserienherstellern. Metallmodelle (Die Cast) wie sie zum Beispiel von Schuco angeboten werden oder Gussmodelle aus Resin lassen sich jedoch nur sehr schwer umbauen. Für den Anfang bieten sich zweiachsige LKW mit Koffer- oder Planenaufbau an, da dort reichlich Platz für alle Komponenten vorhanden ist und sich schnell ein Erfolg einstellt. Kleinere Fahrzeuge oder gar PKWs erfordern eine weitaus höhere Frustrationsschwelle. Empfehlenswert ist es, ein zweites identisches Modell zu besorgen: Als Referenz, wo welche Teile hingehören und gegebenenfalls als Ersatzteilspender, sollte doch mal etwas beim Umbau kaputtgehen.

Micro-Motor und winzige Zahnräder

Unsere Wahl fiel hier auf einen MAN 635 mit Koffer- oder Planenaufbau der Firma Brekina, an dem der Aufbau exemplarisch erklärt wird. Es handelt sich um einen typischen, wenn auch nicht alltäglichen LKW, dessen Spurbreite zu einer Standard-Vorderachse passt. Außerdem ist im Aufbau genug Platz für die Komponenten. Der Hersteller bietet aktuell eine grüne Koffervariante des Modells unter der Nummer 45039 an. Bei der Variante mit Plane gibt es eine Pritsche und die Plane kann wie ein Deckel abgenommen werden.

Technisches Innenleben

Die Beleuchtung ist optional nachrüstbar.

Es gibt alle für den Umbau benötigten Teile bereits als fertige Sets (siehe Linksammlung) ab 145 Euro, zu denen dann noch die Fernbedienung kommt. Wir versuchen so weit wie möglich, ohne fertige Teile auszukommen, und schlachten dazu auch einen Servo aus. Das Ergebnis ist vielleicht optisch etwas weniger raffiniert, aber dafür günstiger und bietet mehr Bastelspaß, zumal einige Materialien für mehrere Modelle ausreichen.

Funkempfänger (oben), Ladeadapter und LiPo-Akku

Schauen wir uns an, was alles in ein ferngelenktes Fahrzeug gehört: Genau wie in größeren Maßstäben brauchen wir Antrieb, Lenkung, einen Energiespender sowie diverse Elektronik. Als Antrieb kann ein Motor zum Einsatz kommen, der eigentlich in Mobiltelefonen als Vibrationsmotor Verwendung findet. Für noch kleinere Modelle finden sich auch entsprechend kleinere Motoren. Weil der Motor über einen Fahrtregler gesteuert werden muss, wird später ein kleiner Servo ausgeschlachtet. Über ein Getriebe wird die sehr hohe Leerlaufdrehzahl auf ein verträgliches Maß reduziert und damit in gleichem Maß auch die Kraft erhöht. Auch die Lenkung gibt es fertig als Vorderachsen für das Faller-Carsystem oder als Einzelteile. Angesteuert wird das Ganze über einen Miniaturservo und eine Anlenkung, die abhängig vom umzubauenden Fahrzeug und der Lage des Servos im Fahrzeug gebaut werden muß.

Die Fernsteuersignale zu empfangen und zu verarbeiten erledigt ein Empfänger mit 2,4-GHz-Technik, der die Signale an den Servo und den Fahrtregler weitergibt. Über Letzteren wird die Geschwindigkeit und Fahrtrichtung des Motors geregelt (genaugenommen: gestellt). Es gibt verschiedene Funktechniken, die alle mit 2,4 GHz Trägerfrequenz arbeiten und es ist darauf zu achten, dass die Fernsteuerung (ab etwa 70 Euro) und die Empfänger zusammenpassen. Das Direktsequenz-Spreizspektrumverfahren (DSSS) DSM2/DSMX von Spektrum ist im Mikro-Modellbau fast zu einem Standard geworden. Wenn Sie einen billigeren Einstieg suchen, dann kaufen Sie eine einfache Fernsteuerung, bei der ein Empfängermodul gleich mitgeliefert wird. Für unter 40 Euro sind solche Sets (Flysky FS-T6 mit RB6 – nicht kompatibel zu Spektrum) zu bekommen, wobei dann eventuell das Empfangsmodul etwas größer ist und nicht ins Modellauto passt, sodass die Abdeckung der Ladefläche offen bleiben muss. Eventuell kann auch die Platine aus dem Plastikgehäuse des Empfängers ausgebaut werden, um Platz zu sparen.

Fehlt noch die Energieversorgung in Form eines einzelligen Lithium-Polymer-Akkus (kurz: LiPo) mit 3,7 V und etwa 180–240 mAh Kapazität. Eine Ladebuchse, ein Schalter und einige Kabel vervollständigen die Liste. Wenn im Aufbau noch Platz ist, kann auch noch ein Lademodul eingebaut werden, über das dann der Akku per USB geladen wird. Zusätzlich kann das Fahrzeug auch noch mit einer Beleuchtung versehen werden: Bestehend aus zwei roten und zwei weißen SMD-LEDs mit passenden Vorwiderständen. Dies wird hier aber nicht gezeigt.