MIT Technology Review 6/2019
S. 44
Horizonte
Quantenphysik
Aufmacherbild
Fotos: Yale University, Pascal Goetgheluck/SPL

Zwischen Religion und Ratio

Lichtteilchen sind selbst über Milliarden Kilometer auf rätselhafte Weise miteinander verbunden. Zwei Forscher arbeiteten sich an dem Beweis ab. Einer fand die Erklärung in Gott, der andere blieb bei der Physik. Eine Geschichte über Quantenphysik und die Grenzen der Vorstellungskraft.

Was wäre, wenn Sie für einen kurzen Moment die Welt so sehen könnten, wie sie ist? Wie sie wirklich ist, nicht, wie sie scheint. Würde Sie das verändern? Wenn ja, wie? Den Physikern Alain Aspect und Antoine Suarez ist das gelungen. In zwei bahnbrechenden Experimenten erkundeten sie die Natur der Realität. Sie bewiesen, dass Lichtteilchen tatsächlich verschränkt sind, dass mit der Messung des einen augenblicklich auch die Eigenschaften des anderen festliegen – und sei es Milliarden Kilometer entfernt. Ihre Experimente haben neue Wege zur Realisierung von Quantencomputern aufgezeigt und eine technische Revolution angestoßen. Vor allem aber erzählt die Geschichte der zwei Forscher viel über den Grenzbereich menschlicher Vorstellungskraft, in dem sich die Quantenphysik bewegt. Denn beide haben aus den Ergebnissen ganz verschiedene Schlüsse gezogen. Der eine bleibt mit beiden Beinen auf der Erde, sieht in seinen Ergebnissen nur neue experimentelle Herausforderungen. Der andere wird Mitglied von Opus Dei, einer erzkonservativen katholischen Organisation.