Aktuell

NEUROFORSCHUNG

Kurze Pausen helfen beim Lernen

Wann erwirbt das Gehirn neue Fertigkeiten – beim Üben oder in den Pausen dazwischen? Das hat Marlene Bönstrup, Postdoktorandin am National Institute of Neurological Disorders and Stroke in Maryland, in einer Studie untersucht (DOI: 10.1016/j.cub.2019.02.049). Dazu ließ sie Rechtshänder mit der linken Hand Zahlen in einen Computer eingeben. Auf zehn Sekunden Tippen folgten jeweils zehn 10 Sekunden Pause – insgesamt 36 Mal. Mit zunehmender Übung wurden die Probanden immer besser. Währenddessen beobachtete Bönstrup die Gehirnaktivitäten ihrer Versuchspersonen mittels Magnetoenzephalographie (MEG). Dabei zeigte eine Datenanalyse, dass das Lernen vor allem während der kurzen Ruhephasen stattfand.

Eine weitere Untersuchung ergab, dass in den Pausen die Bereiche des Gehirns angesprochen wurden, die der Bewegungsplanung dienen. Bönstrup glaubt, dass es darauf ankommt, wie man Übungs- und Pausenintervalle koordiniert, um den Lerneffekt zu optimieren. Auch in der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten könnte man solche Muster nutzen. Als nächstes wollen die Forscher herausfinden, wie ein optimales Verhältnis aus Übung und Pausen aussieht.

BEN SCHWAN

VIRTUAL REALITY

Nutzer gehen, obwohl sie sitzen

Forscher der Toyohashi University of Technology und der University of Tokyo haben ein System entwickelt, das Nutzern in der virtuellen Realität ein realistisches Gefühl des Gehens vermittelt (doi.org/10.3389/frvir.2021.654088).

Für diese Illusion entstanden in den vergangenen Jahren mehr oder weniger innovative Lösungen wie omnidirektionale Laufbänder oder spezielle Sensorschuhe, mit denen User – auf einem drehbaren Hocker sitzend – nur über einen Teppich streiften. Die japanischen Forscher erzeugten die Illusion des Gehens nun allerdings komplett ohne aktive Bewegungen des Users. Dafür verwendeten sie Aluminiumfedern und Holzplatten unter den Fußsohlen der Probanden. Diese erzeugt Vibrationen synchron zu den Schritten des Avatars. Damit bewegten sich Versuchspersonen durch einen virtuellen Korridor, der aus einem strukturierten Boden und Seitenwänden aus Holz und Spiegeln bestand. Dabei untersuchten die Forscher auch den Effekt der Perspektive. In der Ich-Ansicht erzeugten die mechanischen Reize die stärkste Illusion. Die Außen-Perspektive machte die Täuschung zunichte; die Wahrnehmung des eigenen Avatars in einem virtuellen Spiegel milderte den Effekt allerdings ab. Die Forscher sehen die Möglichkeit, dieses System auch zu Hause zu nutzen: „Die Konfiguration ist relativ einfach, preiswert – zwischen 300 und 500 Dollar – und kompakt.“

WOLFGANG STIELER

ENERGIE

Offshore-Windparks nehmen sich gegenseitig den Wind weg

Über eine Entfernung von im Schnitt 35 bis 40 Kilometer können Offshore-Windparks einander ausbremsen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Helmholtz-Zentrums „Hereon“. Bei stabilen Wetterlagen mit wenig Turbulenzen, vor allem im März und April, kann die Bremswirkung sogar 100 Kilometer weit reichen.

Die letzten Windräder in der Reihe müssen mit dem Wind auskommen, der übrig bleibt.

Foto: Pål Espen Bondestad

„Abhängig von der Größe einer Windfarm kann das jährliche durchschnittliche Winddefizit 2 bis 2,5 Meter pro Sekunde betragen, was einem Leistungsverlust von 1 bis 2 Kilowatt entspricht“, so das Hereon. „Die Leistung eines benachbarten Windparks kann sich damit um 20 bis 25 Prozent verringern.“ Das führe zu einem Zielkonflikt: Das Zusammenfassen von Parks senke zwar die Investitionskosten für die Infrastruktur, zum Beispiel für den Stromanschluss, führe gleichzeitig aber auch zu weniger Ertrag. Da Wind ein zentraler Faktor für „Produktivität und Struktur der Ökosysteme“ sei, habe er zudem auch Einfluss auf Meerestiere und das lokale Klima.

GREGOR HONSEL

ROHSTOFFE

Lithium-Produktion mit weniger Wasserverbrauch

Das kalifornische Start-up Lilac Solutions hat ein wassersparendes Verfahren zur Lithium-Gewinnung entwickelt. Es funktioniert per Ionen-Austausch: Im Ausgangszustand sind die Bindungsstellen eines Adsorbers mit Protonen (H⁺) gesättigt. Lithium-Ionen, die besser auf diese Bindungsstellen passen, verdrängen die Protonen. Um das Lithium wieder aus dem Adsorber zu bekommen, wird er mit Salzsäure gespült. Das Verfahren reduziere die Investitions- und Betriebskosten, erhöhe die Lithium-Ausbeute, funktioniere auch bei niedrig konzentrierter Sole und könne schnell hochskaliert werden, so Lilac.

Der Lithium-Produzent Lake Resources hat das Verfahren mit einer Pilotanlage in Argentinien getestet. Es werde „praktisch die gesamte Sole zurück zur Quelle geführt, ohne ihre chemische Zusammensetzung zu ändern (abgesehen von der Entfernung des Lithiums)“. Laut einer Machbarkeitsstudie verursache das neue Verfahren Kosten „am unteren Ende“ der herkömmlichen Sole-Verarbeitung.

Der Wasserverbrauch soll 18 Tonnen pro Tonne Lithium-Karbonat betragen. Zum Vergleich: Für die herkömmliche Gewinnung von Lithium aus Sole, die in große Verdunstungsbecken hochgepumpt wird, kursieren Zahlen von 400 bis 2000 Tonnen Wasser. Doch diese Zahlen scheinen zu hoch angesetzt. Der chilenische Produzent SQM nennt für die Salar de Atacama einen Wert von 22,5 Tonnen.

GREGOR HONSEL

BIOTECH

Kaviar aus der Petrischale

Das britische Unternehmen Caviar Biotec entwickelt im Labor gezüchteten Kaviar, für dessen Produktion keine Fische mehr getötet werden müssen. Das berichtet der Online-Dienst foodnavigator.com. Echter Kaviar kommt heutzutage überwiegend von Stören, die in Fischfarmen gezüchtet werden. Dafür müssen die Fische rund 15 Jahre lang aufgezogen werden – und für die Eier-Entnahme werden sie getötet. Umweltschützer kritisieren zudem die ökologischen Folgen der Aquakultur. Wie weit die Start-ups sind, lässt sich allerdings nur schwer abschätzen. Caviar Biotec kündigt zunächst „Clean-Kaviarprodukte“ an. Unter anderem will das Unternehmen Proteine und Lipide aus dem Stör-Rogen in einem Bioreaktor züchten, um daraus ein zell- und tierfreies Proteinpulver herzustellen, das noch in diesem Jahr auf den Markt kommen könnte. Erst in der dritten Stufe will man „zellgezüchteten Kaviar“ aus Störzellen herstellen. Das niederländische Unternehmen Magiccaviar hat unterdessen nach eigenen Angaben bereits eine Art künstlichen Eierstock hergestellt, in dem Fischeier aus Stammzellen heranreifen sollen.

WOLFGANG STIELER

Foto: Fusion Caviar

UMWELT

Mikroplastik zu Dämmstoff

Mikroplastik schwimmt frei im Meer, ist Teil des Sediments und landet oft im Magen von Fischen und Vögeln. Es wird bislang kaum wiederverwendet oder gar regulär aus dem Meer gefördert. Ein Forscherteam um Professor Andrea Gasparella von der FU Bozen hat nun Biopolymer entwickelt, um das Mikroplastik zu binden und in formbare Dämmstoffplatten zu verwandeln. Dazu mixten sie zunächst im Labor eine Mischung aus Mikroplastik-Suppe, wie sie typischerweise im Ozean vorkommt – unter anderem aus PET, Polystyrol und Polyethylen. Dieser Mischung gaben sie ein Polysaccharid aus der Meeresalge Agar Agar sowie Kalk bei. Das notwendige Biopolymer ist regulär im Handel erhältlich. All das wurde dann zwölf Stunden lang bei minus 20 Grad schockgefrostet. Nach einer Gefriertrocknung zur Entfernung des Restwassers entstand ein poröses Material, das laut Gasparella als Steinwoll-Ersatz dienen kann.

BEN SCHWAN

Die poröse Struktur eignet sich gut zur Isolierung.

Foto: Freie Universität Bozen