MIT Technology Review 7/2022
S. 14
Titel
Deglobalisierung

Deglobalisierung

Das Leben im globalen Dorf ist unbehaglich geworden. Eine Generation nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ist die Menschheit vernetzt wie nie zuvor – und zugleich gespalten. Ist es Zeit, die Uhr der Globalisierung zurückzudrehen?

Ulf J. Froitzheim

Es gibt sie noch, die Kontinentaleuropäer mit Wohnsitz und Arbeitsplatz auf der Insel. Benjamin Moll ist einer von ihnen. Der Deutsche studierte Anfang der Nullerjahre Volkswirtschaft an der renommierten London School of Economics (LSE), machte seinen Doktor in Chicago, wurde mit 35 Professor in Princeton und kehrte 2019 aus den Trump-Staaten an seine Alma Mater zurück. Seitdem erlebt der Makroökonom mit, wie es den Alltag verändert, wenn eine Regierung Brücken zur Nachbarschaft abbricht, weil eine knappe Wählermehrheit der manchmal mühsamen Verständigung mit verbündeten Völkern überdrüssig ist und den nationalen Alleingang vorzieht.

Lässt er sich etwas aus Deutschland kommen, bleibt das Paket jetzt halt erst mal im Zoll hängen – ein befremdlicher Anachronismus für seine im Binnenmarkt sozialisierte Generation. Das Comeback der Außenhandelsbürokratie kostet aber nicht nur Expats wie ihn Zeit, Geld und Nerven. Britische Unternehmer hätten dauernd Schwierigkeiten mit Zollangelegenheiten, erzählt Moll – und nennt die Rolle rückwärts, mit der sich das Vereinigte Königreich seit nunmehr sechs Jahren abquält, beim Namen: „Der Brexit ist ein Beispiel von Deglobalisierung.“