MIT Technology Review 3/2023
S. 93
Dossier
Digitalisierung in Unternehmen

Tanzen mit Senf und Ventilatoren

TikTok? So was kommt mir nicht ins Haus, sagen viele Manager in deutschen Unternehmen. Doch damit lassen sie eine Möglichkeit ungenutzt, mit den Generationen Y und Z in Kontakt zu kommen.

Bernd Müller

Alles fing mit Bildern von Braunbären an. In seinem Urlaub 2019 in Rumänien filmte Rainer Grill mit Begeisterung die putzigen Pelztiere in der Heimat von Graf Dracula. Kurz zuvor hatte der gelernte Journalist von dieser neuen App aus China gehört, mit der Teenies ungelenke Tanz- und bescheuerte Lipsync-Videos drehen. Grill war neugierig und postete mit der App kurze Clips von Meister Petz. Die Videos gingen viral mit Zigtausenden Views, obwohl niemand Grill kannte und sich bei vielen die Begeisterung für rumänische Braunbären bis dahin vermutlich in Grenzen hielt.

Rebecca Amlung, Rainer Grill und Tamara Fietze (von oben nach unten) sind das TikTok-Kernteam bei Ziehl-Abegg., Foto: Ziehl-Abegg
Rebecca Amlung, Rainer Grill und Tamara Fietze (von oben nach unten) sind das TikTok-Kernteam bei Ziehl-Abegg.
Foto: Ziehl-Abegg

Wäre das nicht das ideale Medium für einen Hidden Champion, für ein erfolgreiches, aber unbekanntes Unternehmen, sich bekannter zu machen? Mit „Wir müssen auf TikTok!“ stürmte Rainer Grill das Büro seines Chefs bei Ziehl-Abegg, einem weltweit renommierten, aber außerhalb der Branche weitgehend unbekannten Hersteller von Ventilatoren im baden-württembergischen Künzelsau. Warum? Wie? Und vor allem: Was kostet das? Grill, der im Betrieb die Öffentlichkeitsarbeit verantwortet, hatte die Antworten parat: Weil es uns bekannt macht, etwa bei potenziellen Bewerbern. Wie: Mit einem kleinen Team aus begeisterten Mitarbeitenden aus verschiedenen Abteilungen. Und die Kosten: keine. Kein Budget, keine Anschaffungen, gedreht werden die Clips außerhalb der Arbeitszeit.