Ausprobiert: Winzling BBC Micro Bit

In Großbritannien werden zurzeit die ersten von etwa einer Million BBC Micro Bits kostenlos an alle Schülerinnen und Schüler der Altersgruppe 11 bis 12 Jahre ausgegeben. Allein die Anzahl der Empfänger macht neugierig auf diesen Mikrocomputer – wir hatten schon einen in der Hand.

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Ein rechteckiges grünes Board mit goldenen Anschlüssen

(Bild: Nicole Jesse)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Nicole Jesse
Inhaltsverzeichnis

Historisch gesehen soll der BBC Micro Bit in die Fußstapfen des BBC Micro treten, der Anfang der 80er Jahre im vereinigten Königreich für Furore sorgte, sich international aber nicht durchsetzen konnte. Der Micro wurde damals in einer Fernseh-Lernserie der BBC verwendet und speziell für diese entwickelt. Hinter dem neuen Micro Bit steht nicht die BBC alleine, sondern eine lange Reihe bekannter Firmen, Forschungsinstitute und Projektgruppen.

Die Vorderseite des BBC Micro Bit mit zwei Buttons und der LED-Matrix (5 × 5)

(Bild: Nicole Jesse)

Ob der Micro Bit irgendwann in Deutschland offiziell verfügbar sein wird, ist noch unklar, allerdings hat die BBC Ende Mai 2016 angekündigt, dass er jetzt auch in den freien Handel kommt – ein Import ist da nicht ausgeschlossen. Bisher wurden einzelne Exemplare auch über eBay verkauft.

Für Bastler stellt sich natürlich die Frage, für welches Projekt man den Micro Bit sinnvoll einsetzen kann. Ein genauer Blick auf die Ausstattung gibt schon den ersten Hinweis, dass er nicht nur für die eigentliche Zielgruppe – nämlich Schulkinder – interessant sein könnte. Denn mit seiner Onboard-Ausstattung sind schon diverse Projekte möglich und man kann mal sehr schnell etwas ausprobieren.

Der BBC Micro Bit hat an Bord:

  • 32-Bit-ARM-Cortex-M0-Prozessor mit 16 Kbyte RAM, 16 Mhz Takt
  • LED-Matrix 5 × 5
  • zwei programmierbare Buttons
  • 3-Achsen-Beschleunigungssensor
  • Magnetometer
  • Bluetooth
  • 20 Input/Output-Pins, 6 davon auch analog
  • serieller Anschluss über USB und Steckverbinder

Die in Großbritannien verteilte Grundausstattung umfasst neben dem Micro Bit noch ein passendes, 16 cm kurzes USB-Kabel, eine kurze Anleitung sowie ein Batteriefach mit den passenden AAA-Zellen.

(Bild: Nicole Jesse)

Drei der Pins sowie Spannungsversorgung und Masse sind so ausgeführt, dass an ihnen eine Krokodilklemme befestigt werden kann. Als Zubehör sind Breakout Boards erhältlich, in die der Micro Bit gesteckt werden kann und die dann alle Pins auf Stiftleisten führen. Als Erweiterung ist eine Platine mit Motorenansteuerung verfügbar.

Micro Bit mit Krokodilklemme

(Bild: Nicole Jesse)

Einer der wirklich großen Vorteile des Micro Bit ist die Vielzahl an Programmiermöglichkeiten. Zum einen kann man ihn klassich und bequem per USB mit einem Rechner verbinden. Dort erscheint er wie ein zusätzliches Datenlaufwerk und die in den verschiedenen zur Wahl stehenden Programmierumgebungen erzeugten Programmdateien schiebt man per Drag & Drop in das Zielverzeichnis. Alles weitere übernimmt der Micro Bit selbst und startet das Programm.

Aber: Man kann ihn auch mit dem Smartphone oder Tablet über Bluetooth programmieren – zumindest sofern es sich dabei um ein Produkt von Samsung handelt. Dafür eignen sich allerdings nicht alle der vorgesehenen Programmierumgebungen, doch dazu später.

Vier verschiedene Programmieroberflächen stehen direkt auf der Webseite des Micro-Bit-Projekts zur Wahl, eine weitere findet man auf der Webseite von ARM mBed. Zusammen ergibt das fünf Online-Editoren: Microsoft Blocks, Microsoft Touch Develop, Code Kingdoms JavaScript, MicroPython und ein vielseitiger C/C++-Editor. Eine gut verwendbare Offline-Alternative gibt es allerdings nicht.

Mal zum Vergleich ein Blick auf die Mitbewerber: Die Arduino-Software ist für Einsteiger gut zu bedienen. Bei größeren Projekten, die sich über mehrere Dateien erstrecken, wäre allerdings eine größere integrierte Entwicklungsumgebung (IDE) praktischer. Für den Raspberry Pi hingegen gibt es zu viele Möglichkeiten der Programmierung unterschiedlichster Sprachen, um hier im Detail darauf einzugehen. Der Micro Bit erweist sich da als Mittelding: Die Auswahl ist zwar beschränkt, aber immerhin gibt es Alternativen zur Wahl.

BBC Micro Bit: Programmierumgebungen zur Wahl (8 Bilder)

Auswahl der Programmieroberflächen

(Bild: Nicole Jesse)

Alle vier Editoren lassen sich auch ohne physisch vorhandenen Micro Bit verwenden: Sie bieten einen Emulator, der ein virtuelles Exemplar zur Verfügung stellt. Um ein online geschriebenes oder zusammengeklicktes Programm auf dem Micro Bit selbst laufen zu lassen, muss man sich die entsprechende Hex-Datei herunterladen. Man erzeugt sie per Klick auf den Button mit der Beschriftung "Compile" geklickt wird. Die Namen der Programme, die etwa "spektakulär", "herrlich", "speziell" oder "seltsam" lauten, werden dabei automatisch erzeugt. Man kann sie aber später ändern.

Code Kingdoms JavaScript

Hier fügt man Elemente per Drag & Drop ein, die Blöcke sind mit JavaScript-Code beschriftet. Jedoch kann man zwischen vier Varianten der Darstellung wechseln, von Blöcken mit Symbolen bis hin zu purem Quellcode. Das ist für die eigentliche Zielgruppe des BBC Micro Bit passend: Programmiereinsteiger, die langsam an echten Quellcode herangeführt werden sollen.

Microsoft Blocks

Mit dieser Oberfläche wird ausschließlich grafisch programmiert. Die speziellen Micro-Bit-Blöcke sind dabei sehr interessant: So gibt es etwa verschiedenen Blöcke, die auf Benachrichtigungen vom Smartphone lauschen und damit auf eingehende Anrufe oder das Ausschalten des Displays reagieren können. Wie lange würde es wohl dauern, mit Arduino oder Raspberry Pi eine Anwendung zu programmieren, die ähnliches kann? Natürlich kann man auch umgekehrt die Smartphone-Kamera steuern und Videos aufnehmen. Die erzeugten Blöcke lassen sich dann zu Microsoft Touch Develop konvertieren.

Microsoft Touch Develop

Der Name von Touch Develop sagt alles: Diese Oberfläche ist auf die Bedienung per Tablet oder Smartphone ausgelegt. Die verwendete Programmiersprache besteht allerdings nicht aus grafischen Blöcken, sondern aus normalem Text. Übrigens: Installiert man Touch Develop lokal, kann man damit auch einen Arduino programmieren.

MicroPython

Hier wird man von einem klassischen Texteditor mit schwarzem Hintergrund empfangen. Es gibt zwar eine Liste mit möglichen Elementen, aber für weitere Unterstützung muss man die entsprechende Hilfeseite aufsuchen und benutzen. Dort findet man dann umfangreiche Dokumentation zur MicroPython API.

Der Editor vom ARMbed entspricht einer vollständigen IDE für eingebettete Systeme. Hier lassen sich neben dem Micro Bit auch noch weitere Entwicklungsboards auswählen. Speziell für den Micro Bit ist die Dokumentation nicht besonders einstiegsfreundlich, mehr als ein offizielles Beispielprogramm ist noch nicht verfügbar.

Nicht alle Schnittstellen werden von allen vorgestellten Programmiersprachen unterstützt. Alle bis auf Microsoft Touch bieten Zugriff auf die serielle Schnittstelle. MicroPython kann kein Bluetooth, dafür steht hier I²C zur Verfügung. Solche Einschränkungen spielt für die eigentliche Zielgruppe des BBC Micro Bit erst einmal keine Rolle. Bei weiterführenden Projekten können sich allerdings Einschränkungen bemerkbar machen.

Die vorhandenen Einführungstutorials sowie die zusätzlichen Beispiele geben zumindest einen kurzen Einblick in die jeweilige Oberfläche; dazu kommen unzählige YouTube-Videos. Die beiden folgenden Testprojekte sollen helfen, ein Gefühl für den Umgang mit dem Micro Bit zu bekommen. Ursprünglich war der Plan, beide mit einander zu verbinden, das scheiterte allerdings – dazu gleich mehr.

Für diesen Test wird ein Zilog-ePIR-Bewegungsmelder an den ersten Pin des Micro Bit angeschlossen. Dazu kann man entweder Krokodilklemmen verwenden oder man steckt den Micro Bit in separat erhältliche Halterungen, die alle Pins nach außen führen.

Im analogen Modus wird der Ausgangspin des Bewegungsmelders auf high gehalten, bis er eine Bewegung erkennt. Die erste einfache Variante, bei der bei Bewegung sämtliche LEDs angehen sollen, funktionierte reibungslos.

BBC Micro Bit: Beispielprojekt Bewegungsmelder (3 Bilder)

Aufbau Bewegungsmelder

(Bild: Nicole Jesse)

Als Erweiterung sollte nun bei erkannter Bewgung mit einem Smartphone ein Bild gemacht werden. Dabei zeigte sich rasch ein Problem: das Pairing des Smartphones mit dem Micro Bit über eine Pin-Eingabe muss nach jedem neuen Aufspielen einer Hex-Datei erneut durchgeführt werden. Das ist allerdings dann nicht der Fall, wenn man die Hex-Datei mit dem verbundenden Smartphone oder Tablet selbst überträgt. Hinzu kommt, dass man bei der Programmierung ausreichend Wartezeit einplanen muss – das Öffnen des Fotomodus auf dem Smartphone benötigt ein paar Sekunden, ebenso das Fotografieren selbst.

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Mit minimalen Änderungen zeichnet das gleiche Programm auch Videos auf, beim im Test verwendeten Smartphone allerdings ohne Ton.

Aufbau mit RGB-LEDs

(Bild: Nicole Jesse)

In der MicroPython-Bibliothek fällt bei genauerem Durchlesen der Eintrag "NeoPixel" auf. Diese RGB-LEDs sind im deutschsprachigen Raum auch als WS2812 bekannt und streifenweise verfügbar. Ausgelegt sind sie für eine Spannungsversorgung von 5 Volt, sie funktionieren aber auch mit 3 Volt. Laut der Dokumentation von MicroPython sollten nicht mehr als acht davon angeschlossen werden, mehr wären nur mit zusätzlicher Spannungsversorgung möglich.

(Bild: Nicole Jesse)

Mit Hilfe der Dokumentation erfordert das Anschalten von drei LEDs in den Wunschfarben Rot, Gelb und Grün wie bei einer Ampel lediglich vier Zeilen Quellcode – sechs, wenn man die entsprechenden Import-Anweisungen mitzählt. Fürs Debuggen lässt der Micro Bit auf dem LED-Feld eine gegebenenfalls nötige Fehlermeldung durchlaufen.

Wir hätten an dieser Stelle gerne den Bewegungsmelder mit der Kamera-Ansteuerung und die RGB-LEDs kombiniert. Doch MicroPython unterstützt kein Bluetooth, da der Arbeitsspeicher nicht groß genug ist. Damit fällt die Verbindung zum Smartphone weg. So bleibt an der Stelle nur Warten auf mehr Arbeitsspeicher, auf einen kleineren Bluetooth-Stack – oder der Umstieg auf C/C++.

Dem Micro Bit fehlen vielleicht die Anschlussmöglichkeiten eines Arduino und die Softwaremöglichkeiten des Raspberry Pi. Trotzdem füllt er eine kleine Lücke, von der man vorher nicht wusste, dass sie existiert.

Denn mit dem Micro Bit kann man direkt mit einfachen Projekten loslegen, ohne zusätzlich Geld in externe Sensoren, Displays und andere Bauteile zu investieren – mit einem nackten Arduino kann man höchstens die Onboard-LED blinken lassen, dann ist Schluss. Da kommt man mit dem Micro Bit deutlich günstiger weg – und oft schneller zum Ziel.

Die verfügbaren Software-Werkzeuge sind sehr umfangreich und nützlich – wer schon mal versucht hat, "mal eben schnell" Hardware mit einem Smartphone zu verbinden, weiß etwa die fertigen Blöcke dafür von Microsoft Blocks zu schätzen. So lassen sich mit dem Micro Bit gut Konzepte ausprobieren – gerade, wenn es schnell gehen muss, etwa während eines Hackathons.

Zumindest auf Englisch gibt es auch viel Lehrmaterial. Der Micro Bit eignet sich damit, um Programmieren zu lernen, da es je nach Wahl der Entwicklungsumgebung so gut wie keine Einstiegshürden gibt, die potentielle Anwender abschrecken könnten. Trotzdem versteckt er nicht den eigentlichen Quellcode, was wichtig ist, um den Schritt in die "echte Softwarewelt" zu schaffen. Beim Micro Bit gibt es für jeden Wissensstand einen passenden Einstiegspunkt – diese Vielseitigkeit macht ihn als Lernplattform interessant.

Für Hardware-Projekte, die viele Anschlüsse benötigen, eignet sich der Mikro-Rechner weniger. Dass nicht jede Schnittstelle bei jeder Programmieroberfläche zur Verfügung steht, könnte den einen oder anderen zusätzlich einschränken. Die C/C++-Oberfläche bietet mehr Möglichkeiten als die Arduino-Software, dafür ist der Einstieg dort schwieriger. Hier besteht aber die Hoffnung, dass sich in Zukunft mehr Programmierer mit dem Micro Bit beschäftigen und diesen Bereich gemeinsam ausbauen. Das gilt auch für die Brücke zu Android – hier gibt es bisher nur die eine App von Samsung selbst mit überschaubaren Funktionen.

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