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Debian Lenny 5.0 im Kurztest [Update]

| Mirko Dölle

Nach fast zwei Jahren Arbeit haben die Debian-Entwickler Version 5.0 (Lenny) ihrer Distribution veröffentlicht. Unser Kurztest zeigt, was Sie von Debian Lenny erwarten können.

Fast zwei Jahre seit der Vorstellung von Version 4.0 alias Etch und nur wenige Tage nach deren siebter Neuauflage unter der Versionsnummer 4.0r7 haben die Debian-Entwickler die Version 5.0 (Lenny) freigegeben. Wir haben einen ersten Blick auf die neue Debian-Distribution geworfen.

Debian GNU/Linux 5.0 (Lenny)

Debian GNU/Linux 5.0 (Lenny)

Debian ist vor allem als schlanke und äußerst stabile Server-Distribution bekannt. Auch Lenny wird diesem Ruf gerecht, laut den Release Notes wurden diverse Pakete mit speziellen Hardening-Optionen des GCC übersetzt oder es wurden, wie bei PHP, Hardening-Patches zum Absichern der Pakete eingefügt. Auf diese Weise sollen Dienste schwerer angreifbar werden. Aktualisiert wurden ferner die wichtigsten Server-Dienste wie zum Beispiel Apache 2.2.9, PostgreSQL 8.3 und Nagios 3.06. MySQL 5.1 wurde nicht mehr rechtzeitig vor der Veröffentlichung von Lenny fertiggestellt, weshalb die Version 5.0.51a mitgeliefert wird.

Doch Debian ist keine reine Server-Distribution: Der grafische Installer wird bei Lenny stärker in den Vordergrund gerückt und lässt sich nun über das neue Boot-Menü komfortabel auswählen. Der grafische Installationsmodus dürfte vor allem Linux-Einsteigern entgegenkommen, die sich von der traditionellen Textmodus-Installation abschrecken ließen. Auf dem Desktop muss sich Debian Lenny aber auch an anderen verbreiteten Distributionen wie Fedora, OpenSuse und Ubuntu messen lassen.

Zu viel Komfort darf man vom grafischen Debian-Installer nicht erwarten, er ist kaum mehr als eine mit der Maus bedienbare und mit grafischen Elementen aufgepeppte Variante des Textmodus-Installationsprogramms. Selbst die Festplattenpartitionierung ist genauso spartanisch und wenig übersichtlich wie im Textmodus, komfortable Dialoge oder grafische Übersichten, wie man sie etwa von der von Debian abgeleiteten Ubuntu-Distribution gewohnt ist, gibt es im Debian-Installer nicht. Die Bootloader-Installation ist unter Debian Lenny unnötig kryptisch – möchte man Grub zum Beispiel im Bootsektor der Root-Partition speichern, muss man enweder der Device-Namen oder die entsprechende Grub-Notation angeben. Es ist also Sache des Anwenders, sich die Partitionierung zu Anfang der Installation zu merken oder sie über die Kommandozeile zu ermitteln. Immerhin kann der Debian-Installer Software-RAIDs konfigurieren, während man bei Ubuntu 8.10 an der Stelle auf den Textmode-Installer zurückgreifen muss.

Die Partitionierung im Debian-Installer ist wenig komfortabel.

Die Partitionierung im Debian-Installer ist wenig komfortabel.

Die Hardware-Erkennung während der Installation ist gut, allerdings fehlen auf der Installations-CD aufgrund der Debian-Philosophie die Firmware-Dateien für WLAN- und diverse Netzwerkadapter. Diese finden sich im Non-Free-Repository im Internet – auf Systemen, die ihre Internetverbindung über genau diese Schnittstelle herstellen müssen, ist dies ein Henne-Ei-Problem. Insbesondere Systemadministratoren, die in Notfällen gern auf Debian-Netinstall-CDs zurückgreifen, sollten ausprobieren, inwiefern sich Lenny noch für ihre Zwecke eignet.

Neu ist die Verwendung eines konfigurationsfreien X-Servers in der Version 7.3. Damit entfallen an die Hardware angepasste Einträge in der X11-Konfigurationsdatei in /etc/X11/xorg.conf. Das klappte im Test auch bei AMD- und Nvidia-Grafikkarten, wobei standardmäßig nur die freien X-Treiber zum Einsatz kamen. Allerdings gibt es keinen Mechanismus zur automatischen Nachinstallation der proprietären Grafiktreiber, auch wenn sie im Non-Free-Reposotory aufgelistet werden – hier muss man entweder die grafische Paketverwaltung Synaptic oder die Kommandozeile bemühen.

Der Gnome-Desktop von Debian Lenny (rechts) sieht dem von Ubuntu 8.10 (links) sehr ähnlich.

Der Gnome-Desktop von Debian Lenny (rechts) sieht dem von Ubuntu 8.10 (links) sehr ähnlich.

Als grafischen Desktop installiert Lenny standardmäßig Gnome, auf das auch das Debian-Derivat Ubuntu 8.10 setzt. Tatsächlich ist die Ähnlichkeit zwischen beiden Installationen verblüffend – es gibt kaum Unterschiede, selbst die Menüstruktur und die Auswahl der installierten Software ist weitgehend gleich. Im Detail jedoch fehlen der Debian-Standardinstallation einige Programme, wie zum Beispiel der komplette Bluetooth-Stack zur Einbindung von Bluetooth-Geräten. Auch verwendet Lenny an einigen Stellen ältere Software-Versionen als das bereits Ende Oktober 2008 veröffentlichte Ubuntu 8.10. Der Grund dafür ist wiederum die Debian-Philosophie, wonach nur lange erprobte Software für ein Stable-Release infrage kommt. Für den Anwender bedeutet dies aber im Zweifel, Abstriche bei der Funktionalität hinnehmen zu müssen – gerade bei den Treibern, denn während Fedora 10, OpenSuse 11.1 und Ubuntu 8.10 bereits den Linux-Kernel 2.6.27 verwenden, kommt bei Debian Lenny noch Kernel 2.6.26 zum Einsatz.

Gerade bei brandaktueller Hardware wie Mainboards kann ein geringfügig neuerer Kernel schon den Unterschied zwischen einer nicht oder nur eingeschränkt nutzbaren Komponente und einer einwandfreien Unterstützung bedeuten. So war es auch bei dem Mainboard Asus P5N7A unseres Testsystems – während die Kernel 2.6.27 von Fedora 10 und OpenSuse 11.1 die Sound-Ausgabe über den optischen und den elektrischen SPDIF-Ausgang problemlos beherrschten, blieb er unter Debian Lenny stumm.

Ansonsten ist die Multimedia-Unterstützung von Debian Lenny ausgezeichnet und kann sich problemlos mit der von Ubuntu 8.10 messen: Hat man das Non-Free-Repository aktiviert und installiert von dort Programme wie Totem oder Kaffeine nach, werden auch gleich die wichtigsten Codecs heruntergeladen, egal ob sie frei sind oder ob es sich um patentierte oder lizenzrechtlich problematische Codecs handelt. Auf diese Weise war das Abspielen von DVB-T per Kaffeine genauso einfach möglich wie die Wiedergabe eines MPEG-2-Videos per Totem. Das Brennen von Blu-ray-Medien beherrschen die Brennprogramme Brasero und K3B jedoch genausowenig wie die UDF-Tools das Anlegen von UDF-2.6-Dateisystemen, wie sie bei Blu-ray Standard sind – immerhin ist die UDF-2.5-Unterstützung einwandfrei.

Als Desktop-Betriebssystem ist Debian Lenny insgesamt gut geeignet und im Vergleich zu Etch auch nochmals komfortabler geworden. So klappt die Netzwerkeinrichtung per Network-Manager gut, lediglich die Verwaltung mehrerer Standorte und somit mehrerer Netzwerkkonfigurationen für die gleichen Netzwerkgeräte funktionierte im Test nicht. Wer den Rechner nur an einem Standort betreibt oder mit DHCP auskommt, hat hier aber keine Nachteile zu befürchten. Praktisch für Notebooks dürfte die automatische Einrichtung von USB-Druckern sein, wie sie zum Beispiel bei Ubuntu schon seit längerem eingesetzt wird und laut Release Notes nun mit Lenny auch bei Debian eingeführt wurde.

Bei der Virtualisierung haben die Debian-Entwickler Lenny gegenüber dem Vorgänger Etch stark aufgebohrt. So haben sie Xen auf Version 3.2.1 aktualisiert und unterstützen zusätzlich KVM (Kernel Virtual Machines) mit der Möglichkeit, Qemu sogar per Netzwerk-Boot einzusetzen. Zudem steht als Desktop-Virtualisierungslösung VirtualBox zur Verfügung, allerdings in der inzwischen recht antiquierten Version 1.6.6.

Debian Lenny lässt sich sowohl von Einsteigern wie auch erfahrenen Linux-Anwendern problemlos auf dem Desktop einsetzen und ist bei der Handhabung deutlich komfortabler geworden als die Vorgängerversion Etch. Dies betrift nicht zuletzt die verbesserte Netzwerkkonfiguration und die automatische Druckereinrichtung. Im Bereich Virtualisierung steht mit KVM neben dem aktualisierten Xen eine zweite, für den Server-Einsatz taugliche Virtualisierungslösung zur Verfügung. Problematisch ist jedoch der Verzicht auf wichtige Firmware-Dateien für WLAN-Adapter und Gigabit-Netzwerkkarten auf den Installationsmedien, die man daher im Zweifel gesondert herunterladen und während der Installation einspielen muss.

Die einfachere Lösung könnte allerdings sein, anstatt von Debian Lenny Ubuntu 8.10 einzusetzen, dessen Software zum größten Teil ebenfalls vom Debian-Projekt stammt, jedoch eine deutlich ausgefeiltere Installationsroutine, neuerer Software sowie einen in Details noch komfortableren Desktop bietet. (mid [1]) (mid [2])


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