Die Neuerungen von OpenSuse 11.3

OpenSuse 11.3 ist da und hat bündelweise Neuerungen im Gepäck – darunter den neu hinzugekommenen schlanken Lxde-Desktop, erweiterte Funktionen bei der Paketverwaltung und einen speziellen Desktop für Netbooks. Wir haben uns die Neuerungen angesehen.

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Von
  • Andrea Müller
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Von der Versionsnummer sollte man sich nicht täuschen lassen: Obwohl keine 0 am Ende steht, wartet OpenSuse 11.3 mit einer Reihe Neuerungen auf – verbesserte Netbook-Unterstützung, ein Neuzugang bei den Desktop-Umgebungen und zusätzliche Funktionen der Paketverwaltung sind nur einige davon. Das OpenSuse-Team hat uns bereits vor dem Release-Termin den Goldmaster zur Verfügung gestellt, sodass wir uns die neuen Funktionen schon ansehen konnten.

Wenige Änderungen gibt es im Installer, der vor allem dann routiniert zu Werke geht, wenn man OpenSuse parallel zu einem installierten Windows oder als einziges System auf einer leeren Festplatte einspielen will. Folgt man den Vorschlägen des Installers, dauert es keine Stunde, bis man sich auf einem Linux-Desktop wiederfindet. Setzt man OpenSuse allerdings einen Rechner vor, auf dessen Platte andere Linux-Distributionen liegen, muss man einige Klippen umschiffen.

OpenSuse bindet zwar Mandriva ins Bootmenü ein, das auf /dev/sda1 installierte Ubuntu unterschlägt es jedoch.

In unserem Test befand sich Ubuntu 10.04 auf /dev/sda1, Mandriva 2010.01 auf /dev/sda5, der Swap-Bereich lag auf /dev/sda6. Positiv: Der Installer schlug automatisch vor, den freien, 117 GByte großen, unpartitionierten Bereich für OpenSuse zu verwenden. Für die Root-Partition veranschlagte er 20 GByte Speicherplatz, der Rest sollte die Home-Verzeichnisse der Benutzer aufnehmen. Anwender, die viel Software ausprobieren wollen, wollen hier die Platzverhältnisse möglicherweise zugunsten der Systempartition anpassen.

Aufmerksamkeit ist dann aber bei Installation des Bootmanagers gefragt: Während Grub automatisch im MBR landet, wenn OpenSuse neben Windows residiert, schlägt der Installer im Fall von parallel installierten Linux-Systemen den Bootsektor der Root-Partition als Installationsort vor. Das ist insofern nett, als dass es den vorhanden Bootmanager nicht ungefragt überschreibt, dürfte aber unaufmerksame und unerfahrene Anwender vor Probleme stellen, da sie OpenSuse dann manuell ins Menü des Bootmanagers im MBR eintragen müssen. Eine weitere Merkwürdigkeit entdeckten wir bei der Grub-Konfiguration: Der Installer hatte zwar Mandriva unter dem nichtssagenden Namen "linux" ins Bootmenü aufgenommen, Ubuntu 10.04 unterschlug er jedoch.

OpenSuse verwendet übrigens standardmäßig nach wie vor Grub 0.97 (mittels Patch um Ext4-Unterstützung erweitert) und nicht auf den neueren Grub 2. Letzerer ist jedoch optional installierbar. Dafür bietet der Dialog zur Konfiguration des Bootmanagers noch den alten Linux Loader Lilo an, warnt allerdings bei dessen Auswahl, dass Lilo nicht von OpenSuse 11.3 unterstützt wird.

Standardmäßig verwendet OpenSuse 11.3 das Dateisystem Ext4, hat aber auch das experimentelle Dateisystem Btrfs im Angebot, das allerdings noch nicht offiziell unterstützt wird. Will man die Root-Partition mit Btrfs formatieren, muss man eine separate Boot-Partition verwenden, da Grub den Kernel von einer Btrfs-Partition nicht starten kann.

Bei der Desktop-Wahl ist Lxde neu dazugekommen.

Ein Neuzugang befindet sich in der Desktop-Auswahl. Neben den Klassikern KDE, Gbome und Xfce hat dort nun auch der schlanke Lxde-Desktop seinen Platz gefunden. Für eine möglichst gute Integration in OpenSuse haben die Entwickler den LXDE-Dateimanager PCManFm um einen Mülleimer und Unterstützung für GVFS erweitert.

Alle Einstellungen zum Desktop nimmt man zentral im Lxde-Kontrollzentrum vor. Als Mail-Programm landet Claws-Mail auf der Festplatte, CDs brennt man unter Lxde mit Brasero. Hat man sich bei der Installation für einen anderen Desktop entschieden, lässt sich LXDE über Einspielen des Meta-Pakets pattern-openSuse-lxde bequem nachrüsten und über den Login-Manager auswählen. Auf dem Desktop findet man dann allerdings die unter LXDE funktionslosen Icons "Arbeitsplatz" und "Büro". Die entsprechenden Dateien im Ordner ~/Desktop enthalten zwar die Zeile

OnlyShowIn=KDE;

welche Lxde offenbar nicht beachtet.

Das automatische Nachinstallieren von Multimedia-Codecs mit Kaffeine funktioniert nur, wenn man das Packman-Repository aktiviert hat.

KDE liegt in Version 4.4.4 bei und bringt per Defaut Synaptiks mit, ein Tool zur Touchpad-Einrichtung. Komplett neu ist die On-Demand-Paketinstallation, die fehlende Multimedia-Codecs einspielt. Klickt man beispielsweise im Dateimanager Dolphin auf ein MPEG4-Video, startet Kaffeine und bietet an, die benötigten Codecs herunterzuladen. Das scheitert allerdings, sofern man nicht zuvor die Packman-Repositories eingebunden hat. Der Fehler-Dialog gibt zwar einen Hinweis in die richtige Richtung, nennt aber weder Ross noch Reiter, sondern bietet dem Nutzer nur an, das Programm zur Einrichtung der Software-Quellen zu öffnen. Wer OpenSuse nicht kennt, kommt allerdings schneller zum Ziel, wenn er den im Fehler-Dialog enthaltenen Link anklickt und dort dem Link "Restricted Formats" folgt. Er führt zu einer Übersichtsseite, bei der sich die fehlenden Codecs per One-Click-Install über den Browser einspielen lassen.

Hier haben die Entwickler eine gute Idee nicht ganz konsequent umgesetzt. Sollte dies den Vorgaben der Rechtsabteilung geschuldet sein, wäre ein Weglassen vielleicht besser gewesen: OpenSuse-Kenner benötigen die Funktion zum Aufspüren der Codecs nicht, da sie sowieso zuerst die Multimedia-Unterstützung nachrüsten. Anwender, die zum ersten Mal OpenSuse installieren, dürften jedoch auch jetzt noch scheitern, wenn sie nicht auf eigene Faust recherchieren. Von diesem Ärgernis abgesehen läuft KDE stabil und flüssig und dank des neuen Gtk-Themes Oxygen-molecule wirken auch Gtk-Anwendungen nicht wie ein Fremdkörper auf dem Desktop.

Alternativ bringt OpenSuse auch den Gnome-Desktop mit. Er liegt in Version 2.30.1 bei. Man kann eine Preview-Version der Gnome Shell installieren und erhält damit einen Ausblick auf die größte Neuerung von Gnome 3.0. Standard-IM-Client ist nun Empathy, sein Vorgänger Pidgin lässt sich jedoch nachinstallieren. Als Desktop-Suchmaschine hat Tracker das zuvor eingesetze Beagle abgelöst. Außerdem bietet Evolution besseren IMAP-Support und der Multimedia-Player Banshee beherrscht einige neue Funktionen. So kann er den Wikipedia-Eintrag zum Interpreten des aktuellen Stücks oder dazu passende YouTube-Videos anzeigen.

Die Plasma Netbook Shell ist für kleine Displays optimiert.

Als Netbook-Desktop bietet OpenSuse die in KDE 4.4 enthaltene Plasma Netbook Shell an, die man aktiviert, indem man in den Arbeitsflächen-Einstellungen den Formfaktor "Netbook" auswählt. Schön für Netbook-Besitzer ist die umkomplizierte Möglichkeit, OpenSuse 11.3 via USB-Stick zu installieren. Mit dem grafischen Tool Imagewriter lässt sich ein ISO-Image auf einen USB-Stick übertragen.

Die Software-Ausstattung ist gewohnt umfangreich und aktuell. So liegen unter anderem Firefox 3.6.6, Thunderbird 3.05 und OpenOffice 3.2.1 bei. Ein Neuzugang im Contrib-Repository ist GoogleCL, das den Kommandozeilenzugriff auf eine Reihe von Google-Diensten wie Picasa und Google Docs erlaubt. Bei den Serverpaketen hat es der MySQL-Fork MariaDB neu in die OpenSuse-Repositories geschafft. Unter der Haube setzt das System den Kernel 2.6.34 ein, als grafisches System kommt Xorg 7.5 mit dem Xserver in Version 1.8 zum Einsatz. Kernel Mode Setting (KMS) wird bei Grafikhardware von Intel, AMD und Nvidia nun standardmäßig aktiviert und für Nvidia-Karten verwendet OpenSuse standardmäßig den Nouveau-Treiber. Für 3D-Beschleunigung müssen Besitzer von Nvidia-Karten allerdings den Herstellertreiber einspielen, der zum Zeitpunkt unseres Tests allerdings noch nicht in den Repositories verfügbar war.

Viele praktische Neuerungen finden Admins bei der Paketverwaltung – sei es via zypper auf der Kommandozeile oder mit Yast. Die Entwickler haben das seit langem gewünschte Feature zur automatischen Erkennung verwaister Pakete eingebaut. Entfernt man ein Programm, kann man festlegen, dass die Paketverwaltung zusätzlich alle Bibliotheken deinstalliert, die nur von diesem Programm benötigt werden. Die passende Zypper-Option heißt -clean-deps, in Yast aktiviert man die Funktion über den Menüeintrag "Optionen / Cleanup when deleting packages". Im Optionsmenü kann man außerdem "Allow vendor change" einschalten. Das bedeutet, dass Yast Software-Updates meldet, die sich in einem Repository eines anderen Anbieters befinden. Hat man beispielsweise die Packman-Paketquelle aktiviert, und wird dort eine neue K3B-Version hochgeladen, zeigt Yast diese als Update an, auch wenn man noch die von OpenSuse stammende Version des Brennprogramms nutzt.

Das Gtk-Frontend für die Software-Installation ist übersichtlicher geworden.

Sehr viele Verbesserungen gibt es bei dem Gtk-Frontend für die Software-Installation. Programme lassen sich nun einfach per Checkbox zur Installation oder zum Entfernen markieren. Statt der bisherigen Darstellung der Upgrades sowie der installierten und nicht installierten Paketen auf verschiedenen Tabs kann man diese Kategorien nun über einen Statusfilter links unten im Fenster auswählen. Über den Eintrag "Show History of Changes" im Menü "Extras" lässt sich genau nachvollziehen, wann man Pakete eingespielt oder entfernt hat. Schade ist nur, dass die meisten Menüeinträge im Gtk-Frontend noch nicht lokalisert wurden.

Eine aktuelle, umfangreiche und stabile Software-Ausstattung, schicke einheitliche Optik und komfortable Konfigurations-Tools – das könnte so schön sein, wären da nicht die diversen Ecken und Kanten, bei denen man sich mehr Feinschliff wünscht. Viele Kleinigkeiten führen dazu, dass man sich in den ersten Tagen mit OpenSuse 11.3 doch immer wieder über etwas ärgert – doch das sollte niemanden von der Installation abhalten. Einen echten Showstopper-Bug haben wir nicht gefunden, alle im Test aufgetretenen Problemchen waren auch für Linux-unerfahrene Anwender lösbar. Außerdem ist damit zu rechnen, dass das OpenSuse-Team schon kurz nach dem Release erste Update-Pakete bereitstellen wird. (amu)

(amu)