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Fiat E-Ducato: Teurer Elektro-Transporter im Fahrbericht

Martin Franz
Fiat E-Ducato

(Bild: heise Autos)

Der E-Ducato ist mehr als eine Vision für den innerstädtischen Lieferverkehr der Zukunft. Doch Fiat macht die Entscheidung nicht gerade einfach.

Elektrisch angetriebene Transporter sind ein Vorgriff auf eine Zukunft, in der auch Lieferdienste nicht mehr mithilfe eines Verbrennungsmotors in Innenstädte einfahren dürfen. Ein solches Szenario mag manch einem fern erscheinen, ich denke jedoch, dass wir dem näher sind als vielerorts vermutet. Lieferanten und Hersteller sind möglicherweise also gut beraten, sich auf diese Verhältnisse einzustellen. Die Industrie liefert trotz des nicht ganz geglückten Starts bei der Post mit dem mangels Alternativen selbst entwickelten Street Scooter immer mehr Angebote in diese Richtung. Wir konnten den ersten batterieelektrischen Fiat E-Ducato probefahren.

Der Ducato von Fiat hat eine lange Tradition – 40 Jahre gibt es den Transporter schon. Seine anhaltende Popularität hat er nicht nur seiner Variabilität zu verdanken, die sich in unzähligen Aufbauten spiegelt. Attraktiv dürfte nicht zuletzt gewirkt haben, dass er sich über die Jahre als ziemlich robust erwiesen hat – nicht gerade typisch für italienische Autos und wichtig für die Zielgruppe. Denn dort bedeuten Ausfallzeiten schlicht Einnahmeverluste. Bislang dominierten drehmomentstarke Dieselmotoren, die für Transporte auf langen Strecken auch absehbar weiterhin erste Wahl sein werden.

Für den innerstädtischen Lieferverkehr erscheint der Elektromotor aber die bessere Wahl: Kaum Lärm und lokal kein Abgas sind schon mal gute Argumente. Dazu kommt, dass die Reichweite im Prinzip keine Rolle spielt, sofern sie nicht vollkommen unterentwickelt ist. Fiat bietet zwei Batteriegrößen an: Die kleinere Ausführung mit 47 kWh soll bis zu 170 km schaffen, die größere mit 79 kWh 280 km. Diese Versprechen spiegeln den gemischten Betrieb im WLTP wider, doch eventuell ist die Zyklus-Angabe für den reinen Stadtbetrieb für den gedachten Einsatzzweck viel relevanter.

Dort nennt Stellantis 235 bzw. 370 km. Erschwert wird die Entscheidung für die große Batterie auch dadurch, dass die mögliche Zuladung um knapp 300 kg sinkt. Je nach Version dürfen maximal 670 (Kombi mit großer Batterie) und 2185 kg ("Fahrgestell 425" mit kleinem Speicher) eingeladen werden. In den Kastenwagen passen zwischen 10 und 17 m3.

Da werden Unternehmer genau schauen, was für ihr Profil notwendig ist, denn vor allem der zusätzliche Energiegehalt ist, wie auch die optionalen Ladeoptionen, absolut nicht billig. Ein Zuwachs von 32 kWh Batteriekapazität kostet 16.600 Euro, hinzukommt eine Zwangskopplung mit einem 11-kW-Dreiphasenlader, die weitere 1500 Euro verschlingt. Da wir es hier mit einem Fahrzeug zu tun haben, das meist gewerblich genutzt wird, haben wir die Nettopreise angegeben. Mit Mehrwertsteuer sind es 21.539 Euro für das reichweitenstärkere Paket. Ein Dreiphasenlader mit 22 kW kostet 3000, die Möglichkeit, mit 50 kW an Gleichstrom laden zu können, weitere 2500 Euro (jeweils netto).

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Der Interessent muss in dieser Hinsicht ohnehin abgehärtet sein: Als Kastenwagen ist der E-Ducato ab 55.400 Euro (ohne Mehrwertsteuer) zu haben. Gegenüber dem Basisdiesel kostet er schon netto mehr als 20.000 Euro Aufpreis. Fiat kann im Sinne der E-Ducato-Absatzzahlen also nur darauf hoffen, dass Fahrverbote in Innenstädten schnell kommen. Denn die Zahl derer, die aus lauter Idealismus solche Mehrpreise akzeptieren, dürfte sich innerhalb der Transporter-Zielgruppe im unteren Promillebereich bewegen.

Fiat E-Ducato im Fahrbericht (0 Bilder) [2]

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Dort wird fast ausschließlich nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden, und bezogen auf die aktuelle Situation erscheint es ziemlich unwahrscheinlich, dass viele zu einem batterieelektrischen Antriebsstrang greifen, wenn sie das nicht müssen. Vielleicht setzt Stellantis aber auch an anderer Stelle an und macht den E-Ducato im Leasing verlockend günstig.

Fiat macht dagegen eine andere Rechnung auf: Innerhalb einer Laufleistung von 150.000 Kilometern spart der E-Ducato rund 15.000 Euro Kraftstoffkosten gegenüber einer vergleichbaren Dieselversion. Ob diese Rechnung tatsächlich so aufgeht, dürfte nicht nur von der Preisentwicklung für Sprit und Strom abhängen, sondern auch davon, was der Unternehmer für den Strom bezahlt. Zusätzlich sollen die Wartungskosten mehr als 40 Prozent niedriger als bei den Diesel-Ausführungen liegen. Immerhin: Aktuell sind die ersten fünf Wartungen innerhalb von fünf Jahren ebenso wie eine entsprechende Garantie inklusive.

Links im Cockpit gibt es im E-Ducato einen Zusatzbildschirm mit Kraftflüssen, Energieversorgung, Leistungsabgabe und Rekuperation. Der elektrische Transporter war nicht von vorneherein geplant und als FCA im Stellantis-Konzern aufging, wurde eine schnelle Möglichkeit gesucht, die PSA-Elektrotechnik auch in den erfolgreichen italienischen Kleinlastwagen zu verpflanzen.

Die Startprozedur: Zündung an, Bremse treten, Zündschlüssel weiter drehen und dann über den Automatikwählhebel die Fahrstufe D einlegen. Das Fehlen des gewohnten Schüttelns eines Vierzylinder-Diesels irritiert nur kurz. Nahezu lautlos zuckelt der knapp 2,5 Tonnen schwere Fiat E-Ducato auf dem Parkplatz los. Wer will, kann per Wählhebel noch ein Fahrprogramm auswählen und dabei zwischen Eco (für maximale Reichweite), Normal und Power (für Fahrten mit voller Beladung) wählen. Normal ist meist eine gute Entscheidung.

Der niedrige Schwerpunkt ist schon bei der nächsten Abzweigung zu spüren. Klar, der Elektro-Ducato hat mehr Gewicht auf den Rädern als der Verbrenner, aber der Schwerpunkt wandert je nach Batteriegröße weiter nach unten. Der E-Transporter fährt sich auch deshalb etwas angenehmer als die Diesel-Versionen. Einen weiteren Beitrag zu diesem Umstand liefert der E-Motor. Er leistet unabhängig von der restlichen Ausstattung 90 kW und bietet ein maximales Drehmoment von 280 Nm, was absolut ausreichend ist, um im Verkehr flüssig mitzuschwimmen. Bei unserer Ausfahrt hat uns die Pressestelle kein Dummy-Gewicht mitgegeben, doch der Antrieb erscheint genügend kräftig, um auch mit einer Last im angedachten Einsatzgebiet "Stadt" locker zu bestehen.

Wer häufig längere Strecken zurücklegt, wird ohnehin eher nicht zum E-Ducato greifen, und die Option, die Batterie mit bis zu 50 kW aufladen zu können, ändert daran nichts. Fiat bleibt den Ladezeiten im Ungefähren, und es ist müßig, darüber zu spekulieren, warum das so ist. Womöglich vermutet der Hersteller vollkommen richtig, dass es für die Kunden keine entscheidende Rolle spielt: Für die kurzen Strecken in der Stadt reicht die kleine Batterie, die dann eben nach Dienstschluss ans Netz gehängt wird. Die Schnellladeoption ist unverschämt teuer, und wer mit einer Tagesfahrleistung von rund 200 km nicht hinkommt, dem hilft sie ohnehin nicht entscheidend weiter.

So viel verrät der Hersteller: Mit dem 3000 Euro teuren 22-kW-Lader soll in rund einer Stunde 100 km Stadtreichweite nachgeladen sein, mit dem 50-kWh-Schnelllader soll das, so Fiat, in weniger als 30 Minuten gelingen. Vorsicht geboten ist bei der Serienausstattung in Verbindung mit der kleinen Batterie. Das aufpreislose Ladegerät liefert 7 kW, doch es dürfte nur einphasig sein. Durch die Schieflastverordnung ist die Ladeleistung deshalb abseits der öffentlichen Ladeinfrastruktur in Deutschland meist auf bestenfalls 4,6 kW beschränkt. An gewöhnlichen Hausinstallationen ist eine Phase meistens mit 16 Ampere abgesichert – in diesem Fall ist bei 3,7 kW pro Phase Schluss.

Lieferbar ist der E-Ducato in einer schier unübersichtlichen Zahl an Varianten. Er ist als Kastenwagen, Fahrgestell und Kombi, in unterschiedlichen Längen und Höhen sowie mit verschiedenen Seitenflächen (Blech, Teil- und "Voll"-Verglasung) zu haben. So kann er relativ exakt auf den angedachten Einsatzzweck zugeschnitten werden. Zumindest dieser Erfolgsformel bleibt der Ducato also auch mit Elektroantrieb treu.

(mfz [4])


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