Neoklassiker: Fuji X100 im Kurztest

Mit einiger Verzögerung und über abenteuerliche Umwege erreichte uns die Finepix X100 zum Test – eine der interessantesten und noch dazu schönsten Kameras, die wir seit langem im Testlabor hatten. Die X100 setzt voll auf Retro-Styling, ohne auf optische Werte und Materialqualität zu verzichten.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Carsten Meyer
Inhaltsverzeichnis

Die X100 setzt auf Retro-Style und fast vergessene Werte, wie man sie sonst nur noch bei einem Solmser Hersteller findet: Ein großer Sensor im APS-C-Format mit nicht allzu vielen Megapixeln (12, um genau zu sein), lichtstarke Festbrennweite (auf KB umgerechnet 35 mm, f/2), ein Druckgussgehäuse aus einer Magnesiumlegierung und klassische, dedizierte Bedienelemente mit gravierter und mit Emaillelack ausgelegter Beschriftung. Bezeichnend in dieser Hinsicht ist beispielsweise das Schraubgewinde im Auslöseknopf zum Anschluss eines mechanischen Drahtauslösers.

Dem kühlen Metall der Ober- und Unterschale merkt man schon bei der ersten Berührung an, dass es aus Vollmaterial besteht und nicht nur aus dünnem Blech gestanzt wurde. Schade, dass Fuji beim Akkufach-Deckel dann doch wieder gespart und zum Plastik gegriffen hat; vielleicht ein Zugeständnis an die EyeFi-WLAN-Karten, die keine Metallabschirmungen mögen. Die Bedienelemente rasten satt ein und haben einen definierten Druckpunkt. Der Menüknopf in der Mitte des Vierwege-Wahlrads lässt sich allerdings nur mit dem Fingernagel betätigen; er dürfte ruhig etwas weiter hervorstehen.

Der "Zoomknebel" in Daumenreichweite dient mitnichten zur Brennweitenänderung – die X100 hat schließlich nur eine einzige – aber auch nicht, wie vielleicht vermutet, zum Vergrößern der Wiedergabe-Darstellung, sondern vornehmlich der Navigation durch einige Menüs. Nicht nur Grobmotoriker werden ihn etwas zu fummelig finden. Ganz anders dagegen die oberseitigen Einsteller für Verschlusszeit und Belichtungskorrektur mit ausgezeichneter Haptik. Neben dem Auslöser findet sich auch noch ein kleiner "Fn"-Button, dessen Funktion man selbst bestimmen kann. Defaultmäßig ist er mit dem ISO-Einstellungsmenü verknüpft.

Bei Kompaktkameras gehört der optische Sucher leider zu einer aussterbenden Spezies, meist nur mit alibihafter Funktion. Nicht so bei der X100: Deren optischer Sucher ist keine Notlösung, sondern ein helles und scharfes Konstrukt mit großem Bildfeld. Verantwortlich sind dafür laut Fuji hochwertige Glaskomponenten mit geringer chromatischer Aberration.

Besonderer Clou und derzeit noch Alleinstellungsmerkmal der X100 ist die Suchereinblendung über ein hinter einem Prisma verborgenes LCD. Das zeigt nach Art eines Head-Up-Displays zunächst einmal relevante Einstellungen wie Belichtungsdaten und ISO-Einstellung an, ebenso einen Leuchtrahmen, der den auf den Sensor gelangenden Bildausschnitt kennzeichnet. Nette Kleinigkeit: Der Leuchtrahmen springt, sobald die Kamera fokussiert hat, abhängig von der festgestellten Entfernung leicht in Richtung Objektiv und zeigt stets den parallaxenkorrigierten Bildausschnitt. Nach der Aufnahme wird auf Wunsch kurz das abgespeicherte Bild eingeblendet.

Der Hybrid-Optische-Sucher, wie Fuji ihn nennt, hat aber noch eine weitere Option: Das LCD-Bild mit immerhin 1,4 Millionen Subpixeln (SVGA) kann das optische Sucherbild auch komplett ersetzen. Über einen frontseitigen Knebel kann man zwischen den zwei Betriebsarten umschalten. Man erhält also optischen und elektronischen Sucher in einem.

Die X100 kennt drei Scharfstellungsmodi: One-Shot, kontinuierlich nachführend und manuell. Geschwindigkeitsrekorde bricht sie im Autofokus-Betrieb nicht: Fast eine halbe Sekunde benötigt der Kontrast-Autofokus manchmal bis zur korrekten Scharfstellung; das können die winzigen Kompaktkamera-Sensoren inzwischen besser. Im manuellen Betrieb wünscht man sich eine direktere und proportionale Kopplung des elektronischen Fokusrings mit dem Fokusmotor. Momentan tuckert der einfach nur in die Richtung, in die man dreht, schert sich aber nicht um die Geschwindigkeit, mit der man das tut.

Leider bietet die X100 auch keine manuelle Fokussierhilfe, so dass man sich auf die eingeblendete Entfernungsskala verlassen muss. Immerhin kann man im manuellen Betrieb mit einem Druck auf den AFL/AEL-Knopf eine automatische Fokussierung erzwingen. Die Skala zeigt freundlicherweise auch gleich den der gewählten Blende entsprechenden Schärfentiefe-Bereich an.

Das Autofokus-Messfeld lässt sich mit AF-Taste und Vierwege-Wippe an eine (fast) beliebige Stelle schieben, wovon unserer Erfahrung nach aber nur selten Gebrauch gemacht wird; die meisten Fotografen nutzen nur das mittlere Fokusfeld und wählen den Bildinhalt nach Scharfstellung auf den gewünschten Bereich.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Objektiv, Testbilder, Fazit

Das mit f/2 recht lichtstarke Fujinon-Objektiv liefert auf KB-Verhältnisse umgerechnet die vielseitig einsetzbare Brennweite von rund 35 mm. Die strengt in Innenräumen nicht so sehr an wie die Normalbrennweite von 50 mm, ist aber nicht übertrieben weitwinklig und wohl am besten mit "Reportage-Brennweite" umschrieben. Kleines Manko: Das Objektiv besitzt kein Filtergewinde, zum Ansetzen von 49-mm-Filtern muss man den Filteradapter AR-X100 erwerben und einen Zierring am Objektiv entfernen. Mit rund 40 Euro ist der schlichte Alu-Ring mutig bepreist, die zugehörige Sonnenblende ist mit knapp 50 Euro sogar noch teurer.

Fuji Finepix X100, Testszene bei ISO 100

An der Bildqualität des Objektivs gibt es dagegen nicht zu rütteln. Am unteren Rand fielen uns leichte Unschärfen auf, ebenso in den oberen Bildecken. Die Verzeichnung ist mit gemessenen 0,31 Prozent sehr gering, auch die Vignettierung mit weniger als einer halben Blendenstufe noch gut. Die Auflösungs-Messwerte zeigen eine sehr gute Ausnutzung der Sensorauflösung nahe am theoretischen Maximum, fallen aber zu den Bildecken hin um ein Drittel ab.

Bei den Testkisten-Bildern fiel bei unserem Testmuster ein leichter Magenta-Stich neutralgrauer Flächen und eine insgesamt recht warme Farbabstimmung mit gemäßigter Sättigung auf, solange man die "Filmsimulation" auf Standard belässt. Velvia dagegen liefert kräftigere, satte Farben, wie sie Otto Normalverbraucher schätzt. Bemerkenswert ist die gleichbleibende Belichtungs- und Farbabstimmung, egal welche ISO-Stufe man wählt. Auch störende Artefakte, Farbränder und Moirés halten sich sehr zurück.

Vergleich mit verschiedenen Kameras bei ISO 3200, Bildausschnitt

Vergleich mit verschiedenen Kameras bei ISO 12.800, Bildausschnitt

Die X100 liefert ISO-Empfindlichkeiten bis 12.800 – und das nicht nur im Datenblatt: Bis ISO 800 ist das Bildrauschen gleichbleibend gering und auf sehr gutem Spiegelreflex-Niveau. ISO 1600 und 3200 zeigen ein zunehmendes Helligkeitsrauschen, das längst nicht so stört wie das Farbrauschen anderer Kameras. Bei Vollbild-Darstellung an einem 20-Zoll-Monitor lassen sich Testbilder zwischen 100 und 3200 ISO praktisch nicht unterscheiden. Eine sehr gute Leistung, zu der selbst einige Spiegelreflexen nicht in der Lage sind.

Testbild Fuji X100, c't-Testkiste bei ISO 6400

Besonders beachtenswert sind allerdings die Bildergebnisse bei ISO 6400 und 12.800. ISO 6400 ist keine Verlegenheitslösung, sondern tatsächlich gut brauchbar und besser als das, was viele Kompaktkameras mit 1/2,33"-Sensor bei ISO 400 abliefern. Die ISO 12.800-Einstellung der X100 kann selbst mit sehr guten Spiegelreflexen noch mithalten; schon eine ältere Canon 500D gerät hier deutlich ins Hintertreffen.

ISO-Reihe Fuji X100 (8 Bilder)

ISO-Reihe: Fujifilm FinePix X100

Die X100 ist mit rund 1000 Euro eine teure, aber nicht zu teure Kamera mit sehr wertiger (und wertbeständiger) Aufmachung, die besonders bei schlechten Lichtverhältnissen ganz Erstaunliches leistet. Die Verarbeitungsqualität ist trotz kleiner Mängel tadellos, auch das Handling und der Sucher wissen zu überzeugen. Das Sucher-Konzept möchte das Beste aus beiden Welten holen, wobei der rein elektronische Betrieb wohl noch am ehesten verzichtbar gewesen wäre. Klasse gelungen sind dagegen die LCD-Einblendungen von Sucherrahmen, Mess- und Einstellwerten.

Bleibt als einziger Hinderungsgrund das nicht wechselbare Objektiv: Das Ganze jetzt noch mit einem Wechselobjektiv-Bajonett, und fertig wäre der Abräumer schlechthin. Schließlich könnte der Leuchtrahmen den zum verwendeten Objektiv passenden Bildausschnitt anzeigen.

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