zurück zum Artikel

Test E-SUV Mercedes EQC 400: Zielvorgabe erreicht?

Christian Lorenz
Mercedes EQC400

(Bild: Pillau)

Der EQC 400 ist ein Luxus-E-Auto von Mercedes, ein SUV in GLC-Größe mit 300 kW für 80.000 Euro. Wie überzeugend meistert er den Alltag?

Vor knapp vier Jahren hat Mercedes-Benz seine Elektro-Submarke EQ vorgestellt. Seit Mitte vergangenen Jahres steht nun der erste batterieelektrische Benz EQC 400 zum Verkauf. Es handelt sich um einen luxuriösen SUV mit 300 kW Leistung, also 408 PS. "EQC 408" lang in den Ohren der Daimler-Marketingleute wohl nicht so chic. Zudem enthält die Zahl 400 auch einen Hinweis auf die Reichweite, die im inzwischen veralteten NEFZ bis zu 471 km beträgt.

Mercedes hat das Auto erfunden. Böse Zungen behaupten: auch die Preisliste. Passabel ausgestattet kostet der EQC 400 über 80.000 Euro. Kann es der Erfinder aber auch elektrisch? Angeblich hinkt die deutsche Automobilindustrie Tesla ja meilenweit hinterher.

Der erste Kontakt mit dem EQC ist eine Schrecksekunde. Ich höre förmlich schon die Schürze an der Rampe des Autotransporters kratzen. Da passt kein Blatt Papier mehr dazwischen. Wäre der Frontüberhang nur um Millimeter länger oder die Bodenfreiheit um Millimeter kleiner, wäre der EQC nicht autotransportertauglich. Der freundliche Schwabe, der den EQC per LKW überführt hat, lacht schadenfroh auf und bringt es auf den Punkt: „Ja, des isch halt a SUV, da muss ma halt besonders aufpasse.“

So hat sich Daimler den ersten Eindruck seines über 80.000 Euro teuren elektrischen Luxus-SUV wohl nicht vorgestellt. Dieses sogenannte SUV ist auf schlechten Wegen mangels Bodenfreiheit unbrauchbar. Der Akku ist nämlich von unten an den EQC geschraubt. Der spitze Rampenwinkel könnte schon steilere Tiefgaragenabfahrten zum Problem machen.

SUV die schon beim Parken auf dem Randstein aufzusetzen drohen, wirken zwar unfreiwillig komisch, doch ist verständlich, dass Mercedes und auch Audi bislang nur SUV elektrifizieren. BMW hat zwar noch seinen i3, doch hat sich der für die Firma leider nie wirklich gerechnet. Deshalb startet BMW seine zweite E-Welle, die erfolgreicher werden soll, mit einem batterieelektrischen X3, sprich: iX3 [1]. Der kann dann passgenau gegen die Audi e-tron [2] und EQC 400 dieser Welt antreten. Die glorreichen Drei machen das, weil Mittelklasse-SUV gerade das beliebteste Segment sind. Außerdem erlauben sie hohe Margen. Die Entwicklungskosten für die neuen E-Plattformen auf diese Weise finanzieren zu wollen, ist für die Hersteller damit naheliegend.

EQC 400 (0 Bilder) [3]

[4]

Kaum habe ich den EQC, entnervt vom Dauertröten-Tuten-Piepen der sogenannten Parkassistenten in den Hof rangiert, empfängt mich meine begeisterte 83-jährige Mutter. „So ein schönes Auto!“, kommt sie mir freudestrahlend entgegen. Dazu muss man wissen, dass meine Mutter normalerweise allergisch auf teure und protzige Autos reagiert. Ihr absoluter Favorit unter meinen bisherigen Testwagen war ein Seat Mii electric [5], der unlängst in der Redaktion war. Trotzdem ist nachvollziehbar, was meine Mutter meint. Auch in meinen Augen haben die Mercedes-Designer das Kunststück fertiggebracht, den EQC 400 wertvoll, aber nicht angeberisch wirken zu lassen. Seine reduzierten Formen lassen ihn kleiner erscheinen als er ist. Trotzdem fällt er auf und suggeriert Luxus.

Im Innenraum setzt sich der positive Eindruck fort. Man nimmt auf bequemen, gut konturierten Sitzen Platz und fährt elektrisch schnell in eine ergonomische Sitzposition. Das Widescreen-Bildschirm-Cockpit bietet eine gestochene scharfe Auflösung und eine beeindruckende Optik. Das Premium-Cockpit vereint verschiedenste Materialien in hoher Verarbeitungsqualität zu einem modernen Ganzen. Kritiker könnten jetzt einwerfen, dass es das MBUX-Widescreen-Cockpit in genau dieser Form auch in der A-Klasse [6] gibt, die ein Drittel kostet. Aber soll man keinen Champagner mehr trinken, nur weil es ihn auch beim Discounter gibt?

Die Sprachbedienung folgt aufs Wort. Die Anzeigen lassen sich in allen erdenklichen Formen umkonfigurieren. Insgesamt erfolgt die Bedienung zwar bei BMW nach meiner Meinung noch einen Tick intuitiver. Auch die sogenannten Assistenzsysteme funktionieren hier so gut wie man das heutzutage erwarten kann. Das heißt Fehlalarme, falsche Geschwindigkeitsanzeigen oder hysterisches Gepiepse ohne Not (wie beim Parken) kommen vor, aber sie sind die Ausnahme.

Mit jener lautlosen Souveränität, die Elektrofahrzeuge so beeindruckend macht, setzt sich der tief liegende EQC in Bewegung. Dieser hier ist aber besonders lautlos. Man hört wirklich nichts. Keine Fahrwerksgeräusche, Windgeräusche. Dem Wind stellt sich unser Testwagen mit AMG-Line Exterieur ohnehin kaum entgegen. Der cW-Wert sinkt in dieser Konfiguration von 0,29 auf 0,27. Nur der hervorragende Sound des knapp 1500 Euro teuren Burmester-Soundsystems erreicht das Ohr. Mercedes hat besonderen Aufwand für die Dämmung von Fahrwerksgeräuschen betrieben.

Um so beeindruckender wirkt die Beschleunigung. 5,2 Sekunden braucht der EQC aus dem Stand auf 100 km/h und 760 Nm Drehmoment stehen ständig zur Verfügung. Es ist immer wieder schön, wenn sportlich gedachte Limousinen mit M-, AMG- oder S-Line-Ornat einem bei geschwindigkeitsbeschränkten Autobahnpassagen in das Heck kriechen, aufblenden und dann beim Aufhebungszeichen auf Pedaldruck im Rückspiegel verschwinden. Irgendwann hat einen der nervöse Limousinenfahrer aber wieder eingeholt, weil der EQC bei 180 km/h abgeregelt ist.

Fahrwerk und Lenkung vereinen Mercedes-Tugenden in ihrer besten Form. Das adaptive Fahrwerk schluckt alles, was man von der Straße nicht spüren will. Im Sportmodus ist aber auch keine störende Seitenneigung zu spüren und mit der exakten Lenkung fährt es sich entspannt durch enge Kurven. Er fährt souverän, ohne übertriebene Sportlichkeit. Man ist immer schneller unterwegs als man glaubt. Dabei handelt es sich aber um Souveränität, nicht um Dynamik. Der EQC fährt. Der Fahrer steuert ihn nur und soll das so intuitiv und entspannt wie möglich tun.

Kaum zu glauben, dass man mit dem EQC einen Dreitonner bewegt (zulässiges Gesamtgewicht: 2940 kg). Ein BMW X7 M50i [7] ist „nur” 60 kg schwerer. Schließlich wiegt schon der Akku fast so viel wie ein kompletter Fiat 850 (652 kg). Der Vorteil der nicht alltagstauglich tiefen Verschraubung des Akkus ist der tiefe Schwerpunkt, der das Fahrverhalten des EQC positiv beeinflusst – solange er damit nicht aufsetzt.

EQC 400 (0 Bilder) [8]

[9]

Beeindruckend ist auch, wie der Antrieb mit den 300 kW umgeht. Jeweils ein 150 kW leistender Asynchron-Elektromotor treibt die Vorder- bzw. die Hinterachse an. Bei schwacher bis mittlerer Last arbeitet nur der vordere E-Motor, der EQC fährt so mit Frontantrieb. Wird mehr Leistung abgerufen, schaltet sich die Hinterachse dazu. Aber auch bei Traktionsproblemen wird per Torque-Vectoring ständig die Drehmomentverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse nachjustiert.

Bei der Rekuperation werden beide E-Motoren als Generatoren betrieben. Eine ausgeklügelte Sensorik regelt dabei deren Rekuperationsleistung. Der Fahrer bemerkt von diesem technischen Ballett der Kräfte rein gar nichts. Nur wenn man wieder in ein anderes Auto umsteigt, kommt es einem unweigerlich laut und müde vor. Und die wenige Kraft führt dann auch noch zu durchdrehenden Rädern und Antriebseinflüssen.

Ein nahezu perfekter Reisewagen könnte der also EQC sein, wäre da nicht die Frage der Reichweite. Denn die versprochenen 445 bis 471 km (NEFZ) aus der Pressemappe erscheinen illusorisch. Ich kam im Test auf einen realistischen Durchschnittsverbrauch von 39 kWh/100 km und auf eine Durchschnittsreichweite von 321 km. Bei einer etwa 170 km langen ambitionierten Autobahnfahrt mit überwiegend Vollgas, errechnete der Bordcomputer einen Verbrauch von 81 kWh/100 km.

Minimal erreichte ich Verbräuche um die 22 kWh/100 km. Bei Ausnutzung aller Tricks im Maximum-Range-Programm mit der dazu passenden Navigation und idealem Zusammenspiel von Verkehr, Witterung und Streckenprofil erscheinen auch Verbräuche um die 20 kWh möglich. Weniger geht aber definitiv nicht. Wenn man eine Alltagsreichweite zwischen 320 und 400 km zugrundelegt, dürfte man der Realität ziemlich nahe kommen.

Hinzu kommt, dass mit dem mitgelieferten AC-Kabel der EQC 11 Stunden an einer öffentlichen Ladestation oder einer heimischen Wallbox angesteckt bleiben muss. Ein Ladekabel für die 230-Volt-Steckdose gibt es gegen Aufpreis. Das führt aber zu sehr langen Ladezyklen. Ein Wochenende sollte der EQC da schon angesteckt bleiben. Deutlich schneller geht es an Schnellladesäulen mit einer maximalen Ladeleistung von 110 kW. Der EQC ist serienmäßig dafür vorgerüstet. Bei solchen Schnellladern ist das Kabel gleich fest in die Ladesäule integriert. Eine Schnellladung von 10 auf 80 Prozent ist hier zwar schon in 40 Minuten möglich.

Die letzten 20 Prozent dauern dann allerdings mehr als eine Stunde. Ionity [10] ist ein Joint Venture der Konzerne Volkswagen, Daimler, BMW und Ford. Auch ein Tesla kann diese Säulen anfahren. Teslas können sogar mit 200 kW Ladeleistung an Ionity-Säulen zapfen. Hinzu kommt aber noch, dass Tesla zusätzlich ein eigenes Supercharger-Netz mit neuerdings sogar 250 kW Ladeleistung unterhält, das für Nicht-Teslas nicht offen steht.

Beim Platzangebot zeigt sich der Nachteil des zum E-Mobil umgebauten Mercedes GLC (Test) [11] im Vergleich zu einem als Elektrofahrzeug konzipierten SUV wie dem Model X von Tesla in beeindruckenden Zahlen. Der Benz ist ein Fünfsitzer mit 500 bis 1460 Liter Laderaumvolumen. Das Model X kommt serienmäßig als Siebensitzer. Bei umgeklappter dritter Reihe beträgt der Kofferraum 745 Liter. Das maximale Volumen inklusive des vorderen Kofferraums beträgt beim Tesla 2487 Liter.

EQC 400 (0 Bilder) [12]

[13]

Auch bei der Anhängelast muss sich der EQC mit 1800 kg gegen 2250 kg deutlich geschlagen geben. Zur Ehrenrettung des EQC sei aber gesagt, dass man sich in ihm nicht beengt untergebracht fühlt. Und die Detailliebe mit der der Gepäckraum ausgeführt ist, kann einen im Alltag immer wieder erfreuen. Eine Klappbox unter dem Ladeboden ist schön. Das intuitiv abnehmbare und perfekt unter dem Gepäckraumboden verstaubare Laderaumrollo ist schlicht genial. Die Rücksitzlehnen fallen per Hebelzug automatisch zu einer topfebenen Fläche um. Man verliebt sich immer wieder in die Detailverarbeitung des EQC 400.

Allerdings hat die hohe Qualität des EQC 400 auch ihren Preis. Unser Testwagen kostet 87.000 Euro und liegt damit auf dem Niveau des Tesla Model X [14]. Ohne Extras beginnt der EQC bei 71.000 Euro. Dass Mercedes es trotzdem schafft, für ihn einen Netto-Basispreis von unter 60.000 Euro zu reklamieren und ihn damit für den Umweltbonus zu qualifizieren, kann man als geschickt oder unverschämt bezeichnen. Fraglich ist jedoch, ob er dem Zweck der staatlichen Förderung entspricht. 80.000 Euro muss man ausgeben, wenn man auf sinnvolle Extras wie Assistenzsystem mit Abstandsregelung nicht verzichten will.

Das Fazit ist zwiegespalten. Der EQC 400 zeigt, dass Mercedes-Benz faszinierende Autos bauen kann, aber noch Nachholbedarf bei der E-Mobilität hat. Der EQC 400 fährt toll, hat aber zu wenig Reichweite. Die nicht alltagstaugliche Bodenfreiheit ist für ein SUV peinlich. Beeindruckend ist wie die beiden Elektromotoren die Kraft zwischen Vorder- und Hinterachse verteilen.

Für das Gebotene erscheinen etwa 80.000 Euro, die ein sehr gut ausgestatteter EQC 400 kostet, dennoch überreichlich. Wenn eine nächste Generation mehr Reichweite und größere Bodenfreiheit haben sollte, könnte sich das Blatt aber für Mercedes-Benz und seine Submarke EQ wenden. Denn Design, Verarbeitung, Antriebskomfort, Fahrverhalten, Detailliebe und Bedienung des EQC 400 sind top.

Datenblatt
Hersteller Mercedes-Benz
Modell EQC 400
Motor und Antrieb
Motorart 2 Elektromotoren
Leistung in kW (PS) 300 (408)
Drehmoment in Nm 760
Antrieb Allrad
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1624
Spurweite hinten in mm 1624
Reifengröße vorn 235/55 R19
Reifengröße hinten 255/55 R19
Maße und Gewichte
Länge in mm 4831
Breite in mm 1884
Höhe in mm 1624
Radstand in mm 2873
Kofferraumvolumen in Litern 500
max. Kofferraumvolumen in Litern 1460
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 2495
Zuladung in kg 445
Anhängelast in kg 1800
Batteriekapazität in kWh 80
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 5,1
Höchstgeschwindigkeit in km/h 180 (abgeriegelt)
Verbrauch
Verbrauch WLTP in kWh/100 km 19,7 -20,8 kWh
Testverbrauch Minimum Strom in kWh/100 km 22,2
Testverbrauch Strom Durchschnitt in kWh/100 km 39,63
Schlüsselnummern zu 2.1 / zu 2.2
Daten Stand April 2020
Preisliste
Hersteller Mercedes
Modell EQC 400
Preis für diese Ausstattungslinie 71.281
Infotainment
DAB+ 297
USB-Anschluss Serie
Soundsystem 416
Navigationssystem Serie
Verkehrsdaten in Echtzeit 3 Jahre kostenfrei
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display 1178
Assistenz
Tempomat Serie
Abstandstempomat 2297 (Paket)
Einparksensoren vorn Serie
Einparksensoren hinten Serie
Einparkassistent 476
Rückfahrkamera Serie
Totwinkelwarner 535
Müdigkeitserkennung Serie
Spurhalteassistent Serie
Matrix-Licht Serie
Funktion
LED-Scheinwerfer Serie
elektrische Heckklappe Serie
Alarmanlage 512
schlüsselloser Zugang 654
Fahrwerksoption Serie
Komfort
Sitzheizung 387
Ledersitze 1678
Optionssitze 464
beheizbares Lenkrad 309
Lederlenkrad Serie
Klimaautomatik Serie
Schiebedach 1249
Sonstiges
Metalliclack 928
Leichtmetallfelgen Serie
Ladekabel Mode 3 für bis zu 11 kW Serie
Ladekabel für Haushaltssteckdose 286
Preisliste Stand 01.10.19

(chlo [15])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4718053

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/BMW-iX3-Details-zum-Antrieb-4618687.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Audi-e-tron-55-quattro-4470448.html
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4718057.html?back=4718053;back=4718053
[4] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4718057.html?back=4718053;back=4718053
[5] https://www.heise.de/hintergrund/Seat-Mii-electric-Das-guenstigste-Elektro-Kleinauto-im-Test-4692424.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Mercedes-A200-4248631.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-BMW-X7-4191915.html
[8] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4718057.html?back=4718053;back=4718053;back=4718053
[9] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4718057.html?back=4718053;back=4718053;back=4718053
[10] https://www.heise.de/autos/artikel/Ionity-Was-kostet-der-schnelle-Strom-4643674.html
[11] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Mercedes-GLC-F-Cell-4367711.html
[12] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4718057.html?back=4718053;back=4718053;back=4718053;back=4718053
[13] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4718057.html?back=4718053;back=4718053;back=4718053;back=4718053
[14] https://www.heise.de/autos/artikel/Ausfahrt-mit-dem-Tesla-Model-X-3491198.html
[15] mailto:chlo@heise.de