Was Fedora 19 Neues bringt

Das neue Fedora bedient die Freunde klassischer Desktop-Oberflächen mit einer MATE-Variante und dem Klassikmodus in Gnome. Systemd kümmert sich jetzt um Container und die Vergabe von Netzwerknamen. Frische Treiber sorgen für 3D-Beschleunigung bei neueren Radeon-Grafikkarten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 37 Kommentare lesen
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis
Inhaltsverzeichnis

Nur eine Woche später als ursprünglich geplant hat das Fedora-Projekt die neunzehnte Ausgabe seiner Linux-Distribution freigegeben. Bei dieser auch Schrödinger's Cat genannten Version gibt es erstmals eine Fedora-Ausführung mit dem aus Gnome 2 hervorgegangenen MATE-Desktop, der in Version 1.6 beiliegt. Eine Fedora-Variante mit Cinnamon gibt es nicht; die Version 1.9.1 des Desktops lässt sich aber bei allen Fedora-Ausführungen über die Paket-Depots nachinstallieren und anschließend im Anmeldemanager auswählen.

Fedora 19 (14 Bilder)

Gnome 3.8 ist der Standard-Desktop von Fedora 19.

Die Installation-DVD richtet wie gewohnt standardmäßig Gnome ein – diesmal die Version 3.8. Gnome ist auch die Oberfläche, den die "Desktop Edition" genannte Hauptausführung der Distribution nutzt. Genau wie die MATE-Varianten handelt es sich bei ihr um ein Live-Linux zum Ausprobieren und Installieren von Fedora; selbiges gilt für die drei Fedora-Varianten, welche die Desktops KDE 4.10, LXDE oder Xfce 4.10 nutzen.

Fedora-Installationen mit KDE 4.10 steht bereits das jüngst in Version 1.0 erschienene Monitor-Konfigurationsprogramm KScreen zur Verfügung. Der bei Gnome 3.8 eingeführte Klassikmodus bleibt bei Fedora standardmäßig außen vor und steht erst nach Installation des Pakets "gnome-classic-session" zur Auswahl im Anmeldemanager bereit.

Fedora liefert jetzt zahlreiche Open-Source-Programme zum 3D-Druck mit und enthält dadurch alles, was zum Einsatz von 3D-Druckern wie dem RepRap nötig ist. Als Standard-Office-Umgebung wird LibreOffice 4.1 installiert. Firefox liegt in Version 21 bei; die aktuellen 22er-Ausgabe reicht das Fedora-Projekt bereits zum Erscheinen über die Update-Funktion nach.

Die System-Initialisierung und ein wenig System-Management im Betrieb liegt in der Verantwortung von Systemd 204. Es kümmert sich jetzt um die Vergabe vorhersagbarer Netzwerknamen, wodurch Netzwerkschnittstellen Bezeichnungen wie "p4p1" (Ethernet) oder "wlp0s26u1u1" (WLAN) erhalten.

Über das zu Systemd gehörende Tool systemd-nspawn lassen sich jetzt Container starten und stoppen. Mit wenigen Handgriffen lässt sich darüber ein Container einrichten, in dem ein unmodifiziertes Fedora läuft. Mehr dazu ist auf der Fedora-Feature-Seite zur neuen Funktion nachzulesen.

Systemd kann jetzt den Ressourcenverbrauch von Diensten auch zur Laufzeit regeln. Diese auf Cgroups aufbauende Funktion könnte sich in Zukunft aber wieder ändern, denn die Systemd-Entwickler haben kürzlich in Abstimmung mit dem für Cgroups zuständigen Kernel-Entwickler einige größere Umbauarbeiten ausgemacht, die bereits in den Entwicklerzweig von Systemd eingeflossen sind, Fedora 19 aber noch fehlen.

Auch die Cron-Funktionen ermöglichende Unterstützung für die Time- und Timer-Units bringt Fedoras Systemd mit; in Fedora enthaltene Software, die Cron-Funktionen benötigt, nutzt aber standardmäßig weiter die Cron-Implementation cronie . Um das Speichern von Systemereignissen in Log-Dateien kümmert sich weiterhin rsyslog und nicht das Journal von Systemd. Letzteres kann nun auf Katalog-Dateien zurückgreifen, um etwa weitere Informationen zu Ausgaben oder Fehlermeldungen anzuzeigen.

Um die grafische Oberfläche kümmert sich die Version 1.14.1 des X-Servers von X.org; Wayland und Weston liegen bei, werden aber standardmäßig nicht installiert. Linux 3.9 dient als Kernel; die Entwickler planen aber bereits das Nachreichen eines Kernel-Updates auf Basis von Linux 3.10, das einen Tag vor dem neuen Fedora veröffentlicht wurde.

Bei Mesa 3D setzt Fedora auf einen Schnappschuss der Mesa-3D-Entwicklerzweigs. Durch diesen Vorgriff auf die nächste Mesa-3D-Version enthält Fedora sehr neue Ausgaben der quelloffenen 3D-Treiber; darunter auch den OpenGL-Treiber radeonsi, den die meisten Distributionen bislang noch aussparen. Durch ihn lässt sich bei Fedora die 3D-Unterstützung von Radeon-Grafikkernen der Southern-Island-Generation nutzen, die unter anderem bei den Radeon-HD-Grafikkarten 7750 bis 7950 im Einsatz sind. Fedora enthält auch den Userland-Treiber zur Nutzung des Radeon-Video-Beschleunigers UVD (Unified Video Decoder); er funktioniert mit dem Fedora 19 beiliegenden Kernel zwar noch nicht, sollte aber mit dem Linux-Kernel 3.10 zusammenarbeiten.

Proprietäre Grafiktreiber fehlen Fedora wie gewohnt. Der von Nvidia lässt sich über das Add-on-Repository RPM Fusion nachinstallieren. Auf Fedora abgestimmte Pakete mit AMDs Treiber gibt es dort auch – sie enthalten allerdings eine Beta-Version der AMD-Treiber.

Neben Unterstützung für FCoe, Iscsi und Multipath erhielt der Installer viele Detailverbesserungen – einige beseitigen Kritikpunkte des bei Fedora 18 vorgenommenen Redesigns. Einige der teilweise heftig kritisierten Eigenschaften haben sich allerdings nicht sonderlich verändert. Die manuelle Partitionierung etwa unterscheidet sich weiterhin stark von der Herangehensweise anderer Distributionen; sie erschließt sich manchen Anwendern offenbar gar nicht oder erst nach längeren Experimenten. Für weitere Verwirrung sorgen schlechte Übersetzungen bei der Installation mit deutschem User-Interface.

Bei der Ersteinrichtung des Systems nutzt Fedora jetzt nicht mehr Firstboot, sondern Module, die sich in den Installer und anderswo einklinken können – etwa beim Ersteinrichtungsdialog von Gnome. Daher erfolgt nun dort die Konfiguration von Benutzerkonten oder der Zeitzone, wenn beides während der Installation nicht spezifiziert wurde.

Fedora richtet jetzt standardmäßig ein Initramfs ein, das von verbreiteten Treibern und Werkzeugen abgesehen nur noch Dinge enthält, die zum Start des jeweiligen Systems nötig sind. Das zum Einbinden des Root-Dateisystem nötige Initramfs ist dadurch kleiner, was den Systemstart beschleunigt. Zum Booten nach größeren Hardware-Änderungen oder zur Systemrettung konfiguriert Fedora jetzt einen "Rescue"-Boot-Eintrag, der ein mehr Treiber und Werkzeuge enthaltendes Initramfs nutzt; mit ihm kann man durch Eingabe von "dracut --regenerate-all --force" neue Initramfs-Images für alle installierten Kernel erstellen.

Beim Angabe des Bootparameters "extlinux" richtet Fedoras Installer nicht Grub 2, sondern extlinux zum Start der Distribution ein. Der zu Syslinux gehörenden Bootloader ist schlanker, funktioniert aber nicht in allen von Grub unterstützten Umgebungsbedingungen; Fedora sieht Extlinux daher vorwiegend für den Einsatz in virtuellen Maschinen vor.

Als Standard-C-Compiler dient GCC 4.8.1 – eine C++ 11 voll unterstützende Überarbeitung des im März veröffentlichten GCC 4.8, mit dem das Gros der in Fedora enthaltenen C- und C++-Software übersetzt wurde. Auch viele andere vorwiegend für Entwickler interessante Software wurde aktualisiert; Ruby etwa haben die Entwickler auf die im Februar erschienene Version 2.0 gehoben und PHP auf die erst kürzlich veröffentlichte Version 5.5. Auch Node.js gehört jetzt zum Lieferumgang der Distribution.

Für Anwendungen, die Mysql-Datenbanken erfordern, installiert Fedora nicht mehr das Original, sondern den Mysql-Fork MariaDB. Er soll voll kompatibel zum Original sein soll, das über Pakete mit dem Namen "community-mysql" weiter zur Verfügung steht.

Mehr Infos

Weitere Informationen

Der nebenstehende Text verlinkt an vielen Stellen auf Webseiten mit Hintergrund-Informationen zu den Neuerungen von Fedora 19. Weitere Informationen liefern die Übersicht mit den Planungsseiten zum Funktionsumfang von Fedora 19, die Homepage des Fedora-Projekts und eine Subdomain mit Dokumentation. Auf letzterer liegen unter anderem die Release Notes und der Installation Guide; allerdings gibt es bislang keines der derzeit dort angebotenen Dokumente auf auf Deutsch.

Im Wiki des Projekts findet sich zudem eine Liste mit häufiger anzutreffenden Problemen; erfahrungsgemäß erhält diese Seite in den Tagen nach der Freigabe noch eine Reihe von Erweiterungen.

Über die Fedora-19-Feature-Seite im Wiki des Fedora-Projekts finden sich zahlreiche weitere Neuerungen.

Fedora 19 gibt es nicht nur in Varianten für 32- und 64-Bit-x86-Systeme, sondern auch für 32-Bit-ARM-SoCs der ARM-Port von Fedora ist damit zum ersten Mal zeitgleich mit der Version für x86-CPUs erschienen. Fedora-19-Ausführungen für 64-Bit-Power-Prozessoren (PPC) und s390x sind in Arbeit und dürften bald folgen. Die drei Varianten für nicht-x86-Systeme laufen bei Fedora als Architekturen zweiter Klasse ("Secondary Arch"), damit sie die Arbeit an den beiden x86-Ausführungen nicht verzögern. Fedoras ARM-Entwickler arbeiten allerdings darauf hin, dass ihre Portierung bald denselben Status erhält wie die x86-Varianten. Die Entwickler bereiten zudem ein Portierung auf den 64-Bit-ARM-Befehlssatz AArch64 vor und wollen eine darauf ausgelegte Variante von Fedora 20 veröffentlichen.

Die Arbeit an Version 20 ist parallel zur Fertigstellung von Fedora 19 bereits angelaufen. Bislang hat das Projekt aber weder Namen noch Erscheinungstermin für Fedora 20 festgelegt. Die bisherigen Grobplanungen deuten auf eine Freigabe Mitte November hin – damit würde das Fedora-Projekt seinen typischen Rhythmus ungefähr beibehalten.

Große oder gar revolutionäre Änderungen bringt das neue Fedora nicht. Dafür enthält es aber um so mehr kleine und mittelgroße Änderungen – die bessere Unterstützung für neue Radeon-Grafikkerne, einen Schwung neuer Funktionen in Systemd oder der Umstieg auf MariaDB sind nur einige Beispiele. Hinzu kommt eine aktualisierte und sehr umfangreiche Software-Sammlung, was Fedora für den Moment zu einer der Distributionen mit der frischsten Ausstattung macht. (thl)

Mehr Infos

Fedora herunterladen

Auf der Standard-Download-Seite des Fedora-Projekts finden Sie lediglich die Hauptvariante von Fedora: die auf Gnome setzende "Fedora Desktop Edition" in der Variante für 64-Bit-x86-Systeme. Das ISO-Image startet als Live-System von DVD oder USB-Stick und eignet sich zum Ausprobieren und Installieren von Fedora. Die Ausführung für 32-Bit-x86-Systeme finden Sie auf einer zweiten Download-Seite. Dort gibt es auch Live-Versionen von Fedora mit den Desktop-Oberflächen KDE, LXDE und Xfce; alle gibt es jeweils für 32- und 64-Bit-x86-Systeme.

In einem weiteren Abschnitt der Download-Seite liegen die Installations-Images mit einem flexibleren Installer. Mit ihnen kann man die Distribution vor dem Aufspielen nicht im Live-Betrieb ausprobieren, dafür aber die aufzuspielende Software beeinflussen. Eine Netzwerkinstallation ist nur mit diesen Images oder den auch für CDs tauglichen Netinst-Images möglich, die es auf der gleichen Download-Seite gibt. Mit Hilfe eines lediglich ein MByte großen gXPE-Images lässt sich der flexiblere Installer auch direkt aus dem Netz starten. Nur mit den Images mit dem flexibleren Installer gelingt die voll- oder teilautomatische Installation via Kickstart.

Ein weiterer Bereich der Download-Seite bietet einige Cloud-Images an. Der vierte Download-Abschnitt bietet die wichtigsten "Spins" an – Fedora-Varianten, deren Software-Ausstattung auf bestimmte Einsatzzwecke oder Zielgruppen ausgerichtet sind. Darunter ist unter anderem das früher eigenständige "Sugar on a Stick" (SoaS) mit der Lern-Oberfläche des OLPC oder der Security-Spin mit Werkzeugen zur Systemuntersuchung und -Rettung. Weitere Spins vertreibt Fedora über einen eigenständige Seite; dort findet sich die Ausführung mit MATE-Desktop,

Die ISO-Images von Fedora sind Hybrid-Images, die man mit dem Kommandozeilenwerkzeug "dd" auf USB-Sticks schreiben kann, um damit Fedora zu starten. Die ISO-Images der Live-Medien kann man alternativ mit dem für Linux und Windows erhältlichen Programm Liveusb-Creator auf USB-Datenträger transferieren. Dann kann man die verbleibende, bei der dd-Methode nicht nutzbare Speicherkapazität eines USB-Sticks für andere Zwecke verwenden und eine Overlay-Datei anlegen, die das Live-Fedora als persistenten Datenspeicher einbindet.

Die meisten Spins starten mit einer englischen Benutzeroberfläche; wer etwa beim Desktop-Spin ein deutsches Gnome möchte, muss die Sprache in den Gnome-Einstellungen ändern und sich neu anmelden. Die verschiedenen Fedora-Varianten hat das Fedora-Projekt mit Hilfe der Pakete aus Paketdepots zusammengestellt, auf die alle Fedora-Varianten beim Einspielen von Software zugreifen. Das Repository für die x86-64-Variante umfasst über 35.000 Programmpakete, die aus rund 13.000 Quellpaketen entstanden.

Mithilfe des bei Fedora 18 eingeführten Fedup kann man von älteren Fedora-Versionen auf das neue Release wechseln; ein Update über die Installations-DVD gelingt nicht mehr. Ähnlich wie beim "apt-get upgrade" bei Debian kann man auch bei Fedora mit yum im laufenden Betrieb auf eine neue Version wechseln; das wird aber offiziell nicht unterstützt und erfordert fortgeschrittene Fedora-Kenntnisse.

Mehr Infos

Auf Open-Source-Software konzentriert

Von einigen Firmware-Dateien abgesehen enthält Fedora seit jeher nur Software, die unter einer vom Fedora-Projekt anerkannten Open-Source-Lizenz steht. Ferner lässt das Fedora-Projekt auch Software außen vor, die bekanntermaßen durch Patente geschützte Techniken verwendet. Das Projekt hat diesen Ansatz bewusst gewählt, um ein aus Open-Source-Software bestehendes Betriebssystem zu schaffen, das jedermann nutzen und modifiziert oder unmodifiziert weiterverbreiten kann, ohne sich vor Ansprüchen durch Copyright- und Patenthalter fürchten zu müssen.

Durch diese Herangehensweise fehlt Fedora jedoch Software wie der Adobe Flashplayer oder die proprietären Grafiktreiber von AMD und Nvidia. Auch Codecs zur Wiedergabe vieler gängiger Audio- und Video-Formate gehört nicht zum Lieferumfang – das schließt die Unterstützung zum Abspielen von MP3s ein, da auch hier die Rechteinhaber immer wieder Ansprüche geltend machen.

Für den typischen Linux-Einsatz auf Notebooks oder Desktop-PCs ist Fedora daher erst nach der Installation zusätzlicher Software bereit. Viel der im Alltag benötigten Software rüsten Fedora-Anwender über die Pakete nach, die das Projekt RPM Fusion in seinen auf Fedora abgestimmten Add-on-Depots "Free" und "Nonfree" anbietet. Sie lassen sich nach der Fedora-Installation mit wenigen Handgriffen aktivieren. Benötigen auf Gstreamer aufsetzende Mediaplayer anschließend einen in Fedora nicht enthaltenen Codec, kann die Softwareverwaltung PackageKit die Pakete mit der benötigten Software oft automatisch bei RPM Fusion abrufen und einrichten. Die Installation der proprietären Grafiktreiber von Nvidia erläutert das Projekt in einem Howto.

Aus Lizenzgründen gibt es den Adobe Reader und das Adobe Flash-Plugin nicht bei RPM Fusion; beide lassen sich aber über ein Paketdepot von Adobe nachinstallieren.

(thl)