Müßige Zahlenmystik, oder was?

Heute ist schon ein seltsamer Tag. Einerseits ein ganz gewöhnlicher Freitag. Aber man beachte: Dieses Datum! Der elfte Elfte im Jahre elf. Eine Serie von Einsen.

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Natürlich muss man das als ein günstiges Omen werten. Ein Bekannter flog beispielsweise am 1. 11. 11 nach Los Angeles, heute, am 11. 11. 11 fliegt er zurück. Na, einen Guten Flug! Wünsch ich ihm, klar doch. Ganz besonders. Andere Leuten werden heute mit Sicherheit heiraten – zuhauf. Auch dabei kann man ihnen nur Alles Gute wünschen. Und die Säuglinge, die heute geboren werden - mögen sie Glückskinder sein, wahrhaftige Gustav Ganse des Glücks.

Aber ganz im Ernst. Wann gibt es sonst schon noch mal eine solche Zahlenfolge? Der 10. 10. 10, letztes Jahr, man erinnert sich, war recht beliebt als Hochzeitstag, und der 20. 11. 2011, demnächst im Programm – ist auch nicht übel. Und nächstes Jahr, 20. 12. 2012, vielleicht Weltuntergang. Vielleicht kommt der auch erst am 21. 12. 2112, Hundert Jahre und einen Tag später.

Aber natürlich schummelt man ein wenig, wenn man von Heute als dem 11. 11. 11 spricht, man unterschlägt ja die „20“ von 2011. Ganz anders damals vor genau 900 Jahren, am 11. 11. 1111 – da bestand die ganze Reihe aus klaren Einsen, acht Stück hintereinander weg. War das eigentlich auch ein Freitag, damals? Nein. Die Webseite „An welchem Tag wurde ich geboren?“, informiert mich, dass der 11. November 1111 ein Samstag war. Zeit: „Vergangenheit.“ Aber auch die „8“ (denn 11. 11. 1111 sind acht Ziffern) ist numerologisch höchst wertvoll. Moment, ich blättere mal eben in dem Numerologie-Buch, das ich mir geborgt habe.

EIGHT is the most active spiritual number, situated at the active end of the soul plane. It is the number of wisdom expressed intuitively through loving action. It brings independence into focus.

Aus: “Discovering the Inner Self”, The Complete Book of Numerology, von Dr David A. Philips

Und geht man 10.000 Jahre zurück – zum Beginn des Holozäns (Beginn der modernen Menschheitsgeschichte, mit Ackerbau und Viehzucht und alledem) -- der ist bekanntlich auf genau 10.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung angesetzt worden – dann stellen wir fest, dass wir uns heute eigentlich im Jahr 12.011 befinden. Das Jahr 11.111 hatte aber noch mehr Einsen, und am 11. 11. 11.111 waren es dann sensationelle 9. Numerologisch wieder sehr interessant, die „9“.

NINE is the three-fold number at the action end of the mind plane. As mind in action, it represents ambition (the physical aspect), responsibility (the thinking aspect) and idealism (the spiritual aspect), and so combines the attributes of each of the previous numbers.

Ebenda, S. 8.

Übrigens wäre das auch wieder ein Samstag gewesen, aber die Geburtstagswebseite informiert mich, der 11. 11. 11.111 läge in der „Zukunft“. Die Idee mit dem Holozän ist ihr unbekannt.

Okay, aber die Blödelei hat schon ihre Berechtigung, denn heute beginnt traditionell, am elften Elften, um elf Uhr elf – der Karneval. Na, wenigstens der traditionsreiche Fasching - in Villach, in Kärnten, Österreich. Die Wikipedia-Seite dazu, geändert am 11. November letzten Jahres, 2010, um 10.12 Uhr, erwähnt dieses wichtige Datum indessen – gar nicht! Und dieses Jahr wird das FaschingsprinzESSINNenpaar auch erst am 12. 11. um elf Uhr elf bekannt geben.

Na, gut. Bleiben wir in Österreich. Am 11. November 1918 trat der letzte Habsburger-Kaiser (Karl der Erste und zugleich der Letzte) zurück. Sein Vater, der Mann mit dem Backenbart, war bereits zwei Jahre vorher abgetreten.

Dieser elfte November hatte es freilich in sich. An genau diesem Tag, dem elften Elften um 11 Uhr – tatsächlich! – war der Große Krieg, der Erste Weltkrieg, vorbei. Man liest Schilderungen aus jener Zeit, wo die Feinde, die sich bis zum Morgengrauen noch gegenseitig beschossen hatten, mit dem Schießen aufhörten, weil um 5 Uhr früh bereits der Waffenstillstand für 11 Uhr vereinbart war. Dann kamen die Soldaten aufeinander zu, ohne sich zu erschießen. Sie rauchten Zigaretten zusammen, und dann kamen die deutschen und österreichischen Soldaten in Kriegsgefangenschaft.

Es war ein merkwürdiger Krieg gewesen. Die Deutschen und Österreicher hatten bis ins Jahr 1918 hinein noch glauben können, sie würden den Krieg gewinnen. Die russische Front brach zusammen, denn Lenins Oktoberrevolution beendete 1917 den russischen Teil des Krieges. Die Franzosen und Engländer waren praktisch lull und lall, am Boden zerstört. Die Amerikaner hatten seit 1898 keinen Bedarf mehr für eine Armee gehabt, und außerdem waren ihre Truppen desorganisiert, unbewaffnet, kriegsuntauglich. Und in Amerika gab es massiven Widerstand gegen den Kriegseintritt. Dieser Widerstand musste erst durch massive Propaganda gebrochen werden, dann mussten zwei Millionen Soldaten ausgehoben werden, dann mussten sie unter amerikanischen Kommandanten nach Europa geschickt werden.

Die Briten wollten die amerikanischen Truppen als Kanonenfutter verheizen, wie sie es bereits mit den Australiern und Neuseeländern bei Gallipoli gemacht hatten. Die Amerikaner wollten das aber nicht. Trotzdem hatten sie unmäßig hohe Verluste, die Grippe 1918 raffte 30.000 Soldaten weg, Tausende erlagen dem Gas, wurden zu Kriegskrüppeln. Aber die Amerikaner machten es möglich. Deutschland und Österreich verloren den Krieg.

Der elfte Elfte wurde daraufhin in Amerika auf Jahre hinaus als Armistice Day gefeiert, der Tag des Waffenstillstands, heute als Kriegsveteranentag, Veterans Day, oder Kriegs-Gedenktag, Remembrance Day, in Erinnerung. Natürlich überschattet Nine-Eleven, September der Elfte, mittlerweile dieses Datum.

Interessant aber, dass Wikipedia sehr wohl in seiner englischsprachigen Version diesem Tag einen Eintrag widmet aber einen deutschen Eintrag - gibt es hier gar nicht! Als ob Deutschland und Österreich am Ersten Weltkrieg gar nicht teilgenommen hätten. Aber es gibt einen Wiki-Artikel über den Waffenstillstand von Compiègne auf Deutsch der das Datum quasi nebenher erwähnt (und auch eher mit den Schlagzeilen der New York Times bebildert).

Ganz anders liest sich das auf Englisch:

11 November 1918 : World War I ends At the 11th hour on the 11th day of the 11th month of 1918, the Great War ends. At 5 a.m. that morning, Germany, bereft of manpower and supplies and faced with imminent invasion, signed an armistice agreement with the Allies in a railroad car outside Compiégne, France. The First World War left nine million soldiers dead and 21 million wounded, with Germany, Russia, Austria-Hungary, France, and Great Britain each losing nearly a million or more lives. In addition, at least five million civilians died from disease, starvation, or exposure.

Ich finde, es lohnt, gerade an diesem Tag, heute, sich an dieses Kriegsende zu erinnern, an diesen Krieg, der Europa und die Welt sinnlos in einen zerstörerischen Taumel zog. Eben in diesen Tagen droht ein Teil des Westens dem Iran mit Krieg, mit einem raschen, chirurgisch glatten Krieg, ganz so, wie es der Irak-Krieg, der Afghanistan-Krieg, und einst auch der Erste Weltkrieg hätten sein sollten - und doch nie wurden.

Amerika, das sich an so vielen Kriegen seither gesund gestoßen hat, steht vor der großen Pleite, und mag doch seinem kleinen „Mini Me“ Israel nicht Einhalt gebieten wollen. Gut. Die „Mehrheit der US-Arbeitslosen bekommt kein Geld mehr“ liest man:

Wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise bekommen in den USA die meisten Arbeitslosen inzwischen keine Arbeitslosenhilfe mehr vom Staat. Anfang des vergangenen Jahres erhielten noch 75 Prozent Unterstützung, jetzt sind es nach offiziellen Angaben nur noch 48 Prozent.

Und

Im August erhielten in den USA fast 46 Millionen Menschen Lebensmittelmarken - ein Rekord.

Gerade heute wäre es da wohl an der Zeit, eine Große Friedeninitiative auszurufen. Und der Großen Zerstörung durch einen Neuen Weltkrieg den Riegel vorzuschieben. Besonders der so vernachlässigte, dem Vergessen anheim gegebene und zum Karnevals-Anfang ausgerufene „Elfte Elfte“ darf in Europa als europäischer Friedenstag (neu-) entdeckt werden.