Finanziert die GEMA indirekt den IS-Terror mit?

Die Verwertungsgesellschaft weicht Fragen zu Tantiemen an Dennis Cuspert und andere Dschihadistenrapper aus

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Unter den mindestens 30.000 Dschihadisten, die in Syrien und im Irak für die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) tätig sind, befinden sich mehrere Rap-Musiker - darunter der Londoner Abdel-Majed Abdel B. alias "Lycricist Jinn" (der zwei britische und zwei amerikanische Geiseln vor laufender Kamera geköpft haben soll) und der Berliner Dennis Cuspert alias "Deso Dogg", der sich in Videos aus dem Kriegsgebiet als Leichenschänder präsentiert.

Sowohl B. als auch Cuspert nahmen vor ihrer Reise nach Syrien zahlreiche Musikwerke auf, die kommerziell verwertet wurden. Bei Cuspert waren das unter anderem die Alben "Schwarzer Engel", "Geeni'z" und "Alle Augen auf mich". Weil sich Cuspert auf diesen Alben selbst als Musikurheber betätigt, konnte er bei der deutschen Musikverwertungsgesellschaft GEMA Mitglied werden und an deren Ausschüttungen teilzunehmen.

Die GEMA bestätigte Telepolis auf Anfrage, dass Cuspert bei ihr Mitglied ist. Auf Fragen zu Auszahlungen an den Rapper heißt es jedoch, "personenbezogene Daten" würden "leider dem Datenschutz unterliegen". Fragt man datenschutzfreundlicher, wie viele Tantiemen 2013 an Mitglieder der Terrorgruppe IS oder anderer Dschihadistengruppen ausgeschüttet wurden, bekommt man die Antwort, dass die GEMA "keine Kenntnis [habe], ob und welche ihrer Mitglieder derartigen Organisationen angehören".

GEMA-Hauptgebäude in München. Foto: Michael Schuberthan

Ausschüttungen an ein Mitglied stoppt die GEMA nach eigenen Angaben, wenn sie "von einem rechtlich bindenden Zahlungsverbot Kenntnis erlangt". Auf die Frage, an wen das nicht ausgezahlte Geld in so einem Fall fließt, nennt die Verwertungsgesellschaft den Insolvenzverwalter als "typischen" Empfänger, weist aber darauf hin, dass "die Verwendung der Gelder […] von der Art des bindenden Zahlungsverbots ab[hänge]".

Ein bindendes Zahlungsverbot wegen Terrorverdachts gab es bei der GEMA angeblich noch nicht, weshalb offen bleibt, wohin das Geld in solch einem Fall fließt. Auf die Rückfrage hin, wie das dazu passt, dass die Nazi-Hardrock-Gruppe Landser 2003 als kriminelle Vereinigung eingestuft und verboten wurde, meint die GEMA, maßgeblich sei, "ob das Musikwerk selbst rechtswidrig ist": Wenn ein Musikwerk auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) lande, werde es "nicht mehr lizenziert" und von der Ausschüttung ausgeschlossen.

Laut BPjM sind bislang allerdings lediglich neun Dschihad-Propagandavideos von Cuspert indiziert, aber keines seiner Musikstücke.

Die Politik interessiert die Frage, ob die GEMA die Terrorgruppe IS durch Auszahlungen an Denis Cuspert oder andere Dschihadistenrapper indirekt unterstützt oder nicht, bemerkenswert wenig: Beim Bundesinnenministerium heißt es trotz der zahlreichen Syrien-Videos von und Medienberichte über Cuspert nach mehreren Tagen Bearbeitungszeit, man habe "keine Erkenntnisse". Das Bayerische Innenministerium, in dessen Zuständigkeit die GEMA-Zentrale in München liegt, gab die Anfragen an das bayerische Justizministerium weiter, wo man bislang schweigt.

Update: Drei Tage nach Erscheinen des Artikels (und nachdem er von anderen Medien aufgegriffen wurde) sieht die GEMA nun offenbar doch kein (ein öffentliches Interesse an einer Aufklärung über die IS-Finanzierung überwiegendes) Datenschutzinteresse ihres Mitglieds Cusperts mehr und teilt mit, dass dessen Mitgliedskonto aufgrund des "unbekannten Wohnsitzes" des Rappers seit 2009 gesperrt sei, weshalb die für ihn angefallenen Tantiemen nicht ausbezahlt würden.

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