Europas größte Polizeidatenbank wird ausgeweitet

Informationsaustausch von Strafverfolgungsbehörden und europäischen Datenbanken. Infografik: EU

Das Schengener Informationssystem enthält 79 Millionen Einträge zu Personen und Sachen. Diese dürfen jetzt auch von den EU-Agenturen genutzt werden. Eine neue Regelung erlaubt die Befragung durch einfache Polizeibeamte

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Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union sind drei neue Vorschriften für das Schengener Informationssystems (SIS) in Kraft getreten. Die teilnehmenden nationalen Behörden sind jetzt verpflichtet, für alle Fälle im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten eine Warnmeldung zu erstellen. Werden bei einer Abfrage Treffer gefunden, muss darüber in jedem Fall die Polizeiagentur Europol informiert werden. Diese Regelung ist aber erst ab Ende 2019 verpflichtend.

Das SIS ist das größte europäische Informationssystem im Bereich der inneren Sicherheit. Alle 28 EU-Mitgliedstaaten nehmen daran teil, außerdem Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz. Derzeit sind mehr als 79 Millionen Personen und Sachen im SIS zur Fahndung ausgeschrieben.

Laut der Europäischen Agentur für das Management von IT-Großsystemen (eu-LISA), die das SIS verwaltet, wurde die Datenbank im gleichen Jahr mehr als fünf Milliarden Mal abgefragt. Die meisten Einträge (20 Millionen) kamen im Jahr 2017 aus Italien, gefolgt von Frankreich (11 Millionen) und Deutschland (über 10 Millionen).

Neue Ausschreibungskategorie "Ermittlungsanfrage"

Ausgeweitet werden auch die Fahndungen nach Artikel 36 des SIS-II-Ratsbeschlusses. Die SIS-Mitgliedstaaten können eine neue Ausschreibungskategorie "Ermittlungsanfrage" nutzen. Bei einer Kontrolle angetroffene Personen dürfen demnach "auf der Grundlage von Informationen oder spezifischen Fragen", die ausschreibende Behörden in die Fahndung eingegeben haben, von Grenz- oder Polizeibeamten befragt werden.

Die "Ermittlungsanfrage" ergänzt damit die "gezielte Kontrolle", bei der die Person selbst, ihr Gepäck oder das Fahrzeug, in dem sie reist, durchsucht werden. Möglich ist auch die "verdeckte Kontrolle", bei der die Polizisten diskret vorgehen und von der die Betroffenen nichts erfahren sollen.

Fahndungen nach Artikel 36 steigen in den letzten Jahren deutlich an. Ende 2017 waren 129.412 Personen im SIS entsprechend ausgeschrieben. Seit drei Jahren können SIS-Ausschreibungen zur "unverzüglichen Meldung" genutzt werden. Die interessierte Behörde muss der Fahndung einen Hinweis anhängen und wird dann auf dem schnellsten Weg über einen Treffer unterrichtet. Eine Ausschreibung zur "gezielten Kontrolle" kann außerdem als "Aktivität mit Terrorismusbezug" gekennzeichnet werden. Damit werden etwa Polizeikräfte vor Gefahren bei einer Durchsuchung der Person oder ihres Fahrzeugs gewarnt.

Nicht alle Länder, die am SIS teilnehmen, erlauben "gezielte Kontrollen", etwa wenn diese von Geheimdiensten angefordert werden. Gemäß der neuen Verordnung soll dann automatisch eine "Ermittlungsanfrage" erfolgen. Wenn auch diese nach dem Recht des vollziehenden Mitgliedstaats nicht zulässig sind, soll wenigstens eine "verdeckte Kontrolle" durchgeführt werden.

Suche nach Fingerabdrücken

Weitere neue Funktionen des SIS werden schrittweise implementiert. So erlaubt eine der jetzt in Kraft getretenen Verordnungen die Ausschreibung unbekannter Personen, wenn diese in Verbindung mit einer schweren oder terroristischen Straftat gesucht werden. Dies kann neuerdings auch anhand von vollständigen oder unvollständigen Sätzen von Finger- oder Handflächenabdrücken erfolgen.

Nach zweijähriger Probezeit erhielt das SIS ein automatisches Identifizierungssystem, mit dem die dort bereits vorhandenen 165.000 Abdrücke durchsucht werden. Neben Fingerabdrücken sollen an regulären Grenzübergangsstellen bald Gesichtsbilder für die Identifizierung verwendet werden. Die Kommission ist aufgefordert, einen Bericht zur "Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Einsatzbereitschaft" entsprechender Technik vorlegen.

Auch der Eintrag von Entscheidungen über eine bevorstehende Abschiebung wird verpflichtend. Das SIS erhält hierfür eine neue Ausschreibungskategorie "Rückkehrentscheidungen", in der Betroffene nach Ablehnung ihres Asylantrags gespeichert werden sollen. Das Gleiche gilt für Einreiseverbote in den Schengen-Raum, die unter anderem nach einer Abschiebung oder einer Ausweisung gegen Drittstaatsangehörige verhängt werden.

Neben Fahndungen nach vermissten Personen sind auch "präventive Ausschreibungen" von schutzbedürftigen Kindern und Erwachsenen möglich. Dabei kann der Ausschreibung ein DNA-Profil hinzugefügt werden, das von Verwandten in gerader aufsteigender oder absteigender Linie oder von Geschwistern stammt. Im SIS gespeicherte DNA-Profile dürfen auch genutzt werden, um die Identität einer Person bei einer Kontrolle zu bestätigen.