"Zier Dich nicht!"
In den Romanen des Cora-Verlages zeigen sich seit 2002 veränderte Frauen- und Männerbilder, die nicht zuletzt auch die Ansichten in Bezug auf Keuschheit, Frauenrolle und der Angst vor dem Fremden beinhalten
Der Cora Verlag, Joint Venture aus dem Axel Springer Verlag und Harlequin Enterprises aus den USA, ist im Bereich Liebesromane (oft auch schlichtweg Kitschromane genannt) führend. Mit einer Auflage von über 15 Millionen Exemplaren, 45 Reihen und mehr als 850 Titeln bieten sie vom historischen Liebesroman bis hin zu den die Liebe eher nebensächlich behandelnden Mystery-Titeln für Jugendliche eine breite Palette zum immer wiederkehrenden Thema: Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht?
Der Grossteil der Romane wird in den USA geschrieben und für den deutschen Markt lediglich übersetzt, weshalb die Romane nicht zuletzt auch ein Indikator für veränderte Ansichten in den USA sind, welche sie widerspiegeln.
Seit 2002 verändert(e) sich zunehmend das Männerbild in den Romanen. Bis dahin herrschte der Typ des vornehmen Galans vor, der sich mittels Blumen, romantischer Abendessen bei Kerzenlicht, Juwelen und schöner Worte ins Herz der Angebeteten schlich. Neben den amerikanischen Geschäftsmännern waren es Anwälte, Hotelbesitzer und andere begüterte Männer, die so die Dame des Herzens zu erobern wussten. Sie zeichneten sich durch Geduld, Freundlichkeit und Höflichkeit sowie durch ausgezeichnete Manieren aus (neben dem obligatorischen guten Aussehen natürlich). Das neue Männerbild ist dagegen vor allem durch eine stark fremdenfeindliche Sicht geprägt. Denn während die amerikanischen bzw. englischen "Traummänner" noch am ehesten dem frühen Galan ähneln, spielen mehr und mehr Südländer sowie Orientalen die Hauptrollen. Bei diesen ist jedoch von Freundlichkeit oder gar Respekt gegenüber der Frau nicht die Spur zu finden. Im Gegenteil.
Die Rückkehr des brutalen Verführers
Die Südländer (Spanier, Italiener, Griechen), welche immer öfter als Millionäre in den verschiedenen Romanen anzutreffen sind, zeichnen sich neben einer fast abstoßenden (und gerne als Selbstsicherheit verklärten) Arroganz vor allem dadurch aus, dass sie fanatische Anhängen der Jungfräulichkeitskultur sind (meine Braut muss unberührt sein) und eine Brutalität an den Tag legen, die ihresgleichen sucht. Da werden die Damen entführt, eingesperrt, gestoßen und so "hart angefasst, dass die weiche Haut ihrer Arme sich noch tagelang würde blau verfärben". Gerne wird auch das gemeinsame Kind zur Grundlage für psychischen Druck gewählt indem der "faszinierende Millionär" mit Sorgerechtsentzug oder schlichter Entführung droht.
Durch die gesamte Handlung zieht sich so ein Netz von psychischen und physischen Misshandlungen, welche die Dame des Herzens jedoch, eingeschüchtert aber doch auch in leidenschaftlicher Liebe entbrannt, mit unerschütterlicher Liebe erträgt. Die Frauen können dem brutalen Verführer nicht böse sein, da er letzten Endes doch oft nur seine Form der Leidenschaft und Liebe vorführt, die ihn auch so faszinierend macht. Dies ist insbesondere im Vergleich zu den bereits erwähnten amerikanischen/englischen Protagonisten interessant, da jene eher selten diese Art des "Liebesbeweises" wählen, sondern eher dem "Pretty-Woman"-Schema folgen (reicher Mann trifft herzerfrischende Frau, verliebt sich und umarmt sie). Die südeuropäischen Herren aber weisen alle Wesenszüge des "grausamen Liebhabers" auf, der sich einfach nimmt, was er will. Noch stärker ausgeprägt ist die Fremdenfeindlichkeit bei jenen Romanen, die seit längerem wieder einen Protagonisten entdeckt haben, der lange Zeit in Vergessenheit geraten war: der geheimnisvolle Orientale.
Scheich, Prinz und Unterwerfung
Nach Klassikern wie "Sandokan" und Co. in Vergessenheit geraten, erlebt der geheimnisvolle Scheich aus 1001 Nacht eine stürmische Auferstehung. Prinzen und Könige erfundener Königreiche locken wieder die Frauen mit exotischer Verführung in den in leuchtenden Farben beschriebenen Palästen. Wie auch die Südländer sind die Protagonisten nicht nur sagenhaft reich, sexy und faszinierend, sondern auch keiner Gewalttätigkeit abgeneigt. Ganz im klassischen "Du-hast-selbst-schuld,-wenn-ich-Dich-peinige"-Stil wird jede psychische oder physische Misshandlung als legitime Antwort auf provokantes (Fehl)verhalten umdefiniert und später sowieso auf Grund des Happy Ends vergessen. Hierbei schreckt man in den Romanen auch vor Vergewaltigungsszenen nicht zurück, welche aber dadurch, dass vor dem faszinierenden starken Mann kapituliert wird, zu leidenschaftlichen Liebesszenen verklärt werden. Die Dominanz des Mannes wird zur Berechtigung für sein Handeln, die weibliche Schwachheit vor Liebe zum Grund dafür, dass ein "Nein" ja doch letzten Endes zum gehauchten "Ja" wird. "Ich habe Dir gezeigt, wie leicht es für mich ist, Dich entflammen zu lassen, Laeela" lautet denn auch die lapidare Erläuterung dafür, warum der Mann sich "genommen hat, wonach ihm war". Schließlich war ihr ja auch danach, auch wenn sie es sich nicht eingestand.
Da am Ende sowieso ein glückliches Pärchen steht, kann der Mittelteil des Romans quasi der "Umerziehung" beider Hauptpersonen gewidmet werden. Der faszinierende und brutale Verführer gesteht am Ende, alles nur getan zu haben, um "vor der Liebe wegzulaufen" oder "sich von der Leidenschaft für eine unpassende Frau zu kurieren"; die Frau aber ist glücklich, dass derjenige, den sie von Herzen liebt, ihr nun gestand, sie auch zu lieben, weshalb auch sämtliche Grausamkeit aus der Erinnerung getilgt wird.
Indem diese Grausamkeiten vornehmlich bei den fremdländischen Charakteren vorzufinden sind, versinnbildlichen diese Art Romane die altertümlichen Warnungen der Eltern und Grosseltern vor dem Fremden, dem Gefährlichen. Und auch vor dem Teufel, der ja laut diesen Warnungen auch oft genug in Form des fremden faszinierenden Verführers daherkommt. Zwar gibt es am Ende des Romans ein (kurzfristiges?) glückliches Ende, doch dies ist nur möglich, weil die Protagonistin alle Misshandlungen erträgt, die ihr bei einem "Nicht fremdländisch aussehenden Mann" gar nicht passiert wären. In Anlehnung an "Natural Born Killers" kann man dies selbstverständlich auch als "Die Liebe besiegt den Dämon" deuten (passend, da oft genug die Grausamkeiten auch aus erlebter Grausamkeit in der Kindheit resultieren) - oder aber als eine neue Form des Propagandierens des "Aschenputtelerduldens" mit dem Glück als Endergebnis. Da aber diese Form der Glücksfindung lediglich mit fremdländisch aussehenden Männern stattfindet, zeugt sie eher von einer Fremdenfeindlichkeit, die mit der Angst vor allem exotisch aussehendem seit dem 11.09.2001 einhergeht.