Geplantes Registergesetz: Mit Forschungskennziffer Gesundheitsdaten verknüpfen

Für die Verknüpfung von Daten aus medizinischen Registern ist unter anderem eine Forschungskennziffer geplant. Diese basiert auf der Krankenversichertennummer.

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Markus Algermissen vom Bundesgesundheitsministerium auf den Registertagen

Markus Algermissen vom Bundesgesundheitsministerium über das Registergesetz "ante portas".

(Bild: TMF e.V.)

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Inhaltsverzeichnis

Auf den diesjährigen Registertagen in Berlin haben Experten die Arbeit medizinischer Register und das geplante Registergesetz diskutiert, das als wichtiger Baustein für ein vernetztes Gesundheitsdatenökosystem gilt. Auf der Veranstaltung der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF) stellte Markus Algermissen, Leiter der Unterabteilung 31 für Medizin- und Berufsrecht im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), weitere Details zum Registergesetz vor.

Künftig sollen die Registerdaten für Forschungszwecke nicht nur über das Forschungsdatenzentrum Gesundheit angefragt, sondern beispielsweise auch mit den Daten aus der elektronischen Patientenakte verknüpft werden können. "Wichtig: Beim FDZ erfolgt keine Freigabe von Daten, sondern Forschende erhalten in sicheren, virtuellen Verarbeitungsräumen Zugang zu den Daten. Eine Übermittlung von Daten an die Antragsteller erfolgt – in Abhängigkeit von den Daten – in anonymisierter und aggregierter oder in pseudonymisierter Form", schreibt das BMG dazu in einer FAQ.

Eine geplante Regelung soll Registern erlauben, auch Krankenversichertennummern zu erheben, die dann zentral in einer Vertrauensstelle gespeichert werden.

(Bild: BMG)

Mittels Record Linkage soll eine individuelle Verknüpfung unterschiedlicher Gesundheitsdaten möglich werden. Nur so ließen sich wissenschaftliche Fragen beantworten, mit anonymisierten Daten sei es beispielsweise nicht möglich, Längsschnittstudien auszuwerten. Zu einer Verbesserung des Record Linkage hatte die Nationale Forschungsdateninfrastruktur für personenbezogene Gesundheitsdaten NFDI4Health ein Whitepaper vorgestellt und eine einheitliche Identifikationsnummer gefordert. Das soll auch die Anbindung an den europäischen Gesundheitsdatenraum ermöglichen.

Laut Dr. Mélodie Bernaux von der Europäischen Kommission ließe sich mit der mit dem EHDS einhergehenden breiteren Datennutzung auch die finanzielle Basis der Register stärken. Ein Hauptproblem ist nämlich die Frage nach einer langfristigen Finanzierung der Register und in welchen Teilen diese durch den Staat, Krankenkassen oder die Industrie erfolgt, was bei den beiden letztgenannten in überwiegendem Maße zu Abhängigkeiten führen könnte.

Die Verknüpfung soll dabei für alle Register über eine Forschungskennziffer, eine pseudonymisierte Versichertennummer, erfolgen. Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hatte Ende 2023 davon abgeraten, für die Registernummern einheitliche Nummern wie die Krankenversichertennummer (KVNR) zu nutzen, mit der beispielsweise das Profiling erleichtert werden könnte. Stattdessen sollten abgeleitete Kennungen auf Basis der KVNR zum Einsatz kommen, die "nicht über die einzelnen Register hinaus verknüpfbar sind".

Die Register sollen die KVNR erheben und in der Vertrauensstelle speichern dürfen, erklärt Algermissen. "Das wäre dann ein Einstieg in die Fortführung einer späteren Forschungskennziffer, um [...] die Datensilos verknüpfbar zu machen. [...] Mittlerweile sind wir da gedanklich alle miteinander ein bisschen weiter und auch mutiger, sodass ich sage, [die] Forschungskennziffer ist ganz klar das Ziel". Das Registergesetz soll dafür ein wichtiger Baustein sein – sofern es nicht mehr heißt "Registergesetz ante portas", sondern "habemus Referentenentwurf".

Grundlage für das Vorhaben sind Gesetze wie das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) und das Forschungsdatengesetz. Diese hängen eng mit dem Registergesetz zusammen und sorgen nach den Plänen für die Verknüpfung und Nutzung der Datensilos, die Speicherung soll dabei dezentral erfolgen.

Medizinische Register dienen der Qualitätssicherung in der Versorgung, beispielsweise von Krebspatienten. Die Daten können für Forschungszwecke genutzt werden, wobei zwischen anonymisierten und pseudonymisierten Daten unterschieden wird. Letztere erfordern in der Regel eine Einwilligung der Betroffenen. Es ist geplant, eine zentrale Stelle für Medizinische Register (ZMR) einzurichten, die unter anderem für die Organisation, Beratung und Entscheidungen für die rund 400 existierenden Registern verantwortlich ist.

"Durch die geplante Datenverarbeitung mit Widerspruchslösung und die Erleichterung der Verknüpfung von Registerdaten mit anderen Datenquellen können Register zukünftig als Forschungsplattform verstanden werden, mit der registerbasierte Interventionsstudien sowie die Leistungsüberwachung und Sicherheit von entscheidungsunterstützenden Systemen sowie anderen Medizinprodukten und Arzneimitteln neu gedacht werden können", sagte der TMF-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Rainer Röhrig.

Mit dem Gesetz will das Bundesgesundheitsministerium mehr Interoperabilität ermöglichen, aber auch das Einwilligungsmanagement unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte bei der Datennutzung für die Forschung und Versorgung verbessern. Dazu ist eine Widerspruchslösung geplant, zu der transparent aufgeklärt werden sollte. Die ZMR soll darüber Auskunft geben und die Register unterstützen.

Ärztinnen und Ärzte befürchten, dass die ZMR zu mehr Bürokratie führen wird. Laut Prof. Dr. med. Bertil Bouillon, Direktor der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie am Klinikum Köln-Merheim, besteht eine große Sorge vor einer riesigen, zentralen bürokratischen Verwaltung. Für das Traumaregister, das mit "fünf Begeisterten" gestartet wurde "und heute mit der Akademie der Unfallchirurgie eine hochprofessionelle Organisation dahinter" stehe, sei der enge Austausch mit denen wichtig gewesen, die das Register inhaltlich vorantreiben "und denen, die die Verantwortung tragen, die Sicherheit der Daten tragen und auch dann die Beiräte zusammensetzen müssen", erklärt Bouillon. Das unter einer ZMR hinzubekommen, sei eine Herausforderung.

"Wir haben kein Monstrum vor", erwiderte Algermissen auf die Befürchtungen. "Und was vielleicht noch besser für Sie ist zu hören, wir haben gar kein Geld für ein Monstrum. Dann glauben Sie mir vielleicht noch mehr". Die Zentralstelle soll Transparenz herstellen und verhindern, dass Daten doppelt erhoben werden und die Fachcommunity laut Gutachten einbeziehen. "Da schauen wir uns natürlich an, wie wir die Community möglichst gut einbeziehen können". Die Autonomie der Register sei wichtig, "die sollen […] nicht irgendwie gefangen genommen werden". Organisatorisch müsse man sich überlegen, wie das Einwilligungsmanagement eingebaut werde.

Nach Ansicht von Christine Mundlos, von der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (Achse), ist es wichtig, "besonders gut [zu] kommunizieren", wenn eine Einwilligungserklärung für die Datenfreigabe "besonders einfach" gemacht werden soll. Es müsse klar sein, warum das gemacht wird und warum sich die Patienten keine Sorgen um ihre Daten machen müssen. Schließlich sei gerade bei Patienten mit seltenen Erkrankungen noch mehr die "Befürchtung da, ich könnte in irgendeiner Form nachher doch eine Diskriminierung erfahren oder mein Kind könnte die erfahren", erklärte Mundlos. Außerdem sollte die Datenerhebung auch sinnvoll sein und in Zusammenhang mit der weiter zu erforschenden Erkrankung stehen.

Mundlos sei es wichtig, dass klar ist, auf welcher Basis die genetischen Daten verarbeitet. Dazu hatte erst kürzlich die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden beschlossen, dass die "Forschung mit körpereigenen Substanzen, wie zum Beispiel Blut, Haaren oder Speichel, die ohne Kenntnis der betroffenen Person erlangt wurden", verboten bleiben muss.

Algermissen stimmte zu, dass es wichtig sei, die Betroffenen entsprechend zu informieren, wenn das System auf Opt-out umschwenke. Zudem sei bei der Verarbeitung von genetischen Daten immer eine informierte Einwilligung erforderlich. Er verwies dabei auch auf das 2020 in Kraft getretene Gendiagnostikgesetz, das regelt, unter welchen Voraussetzungen genetische Analysen und genetischen Daten in Deutschland genutzt werden dürfen. Mit dem Registergesetz wolle man, was die genetischen Daten betrifft, "nicht hinter das bisherige Schutzniveau zurückgehen".

Auf die Frage, wo sich das Registergesetz zwischen "No-Opt", wie beim FDZ Gesundheit, "Opt-out" wie bei der ePA und "Opt-In" befindet, antwortete Algermissen, dass die bisherige "informierte Einwilligung" viele Probleme mit sich bringe und für bestimmte Register nicht anwendbar sei. Mit dem Registergesetz sei für Register, die einen Qualifizierungsprozess durchlaufen haben, eine "einfache Zustimmungslösung" geplant. Dadurch müssten die Patienten weniger Informationen durchlesen und unterschreiben. Außerdem sollen Daten "im Rahmen einer Verknüpfung mit anderen Registern für bestimmte Zwecke nachgenutzt und dann auf Antrag" auch mit den verknüpften Daten verwendet werden können. Details dazu soll bald der Gesetzentwurf liefern, wann genau, ist jedoch noch nicht bekannt.

Geplant ist, Daten aus Patientenakten, klinischen Studien, Informationen aus öffentlichen Gesundheitsregistern, Biobanken, genetische Daten oder Wellness-Daten für Zwecke des öffentlichen Interesses im Rahmen der Sekundärdatennutzung zu verarbeiten. "Die Daten könnten beispielsweise dazu verwendet werden, Behandlungen für seltene Krankheiten zu finden, bei denen kleine Datensätze und Fragmentierung derzeit Fortschritte bei der Behandlung verhindern", schreibt die TMF in einer Pressemitteilung zu den Registertagen.

(mack)