Kommentar zur Gesetzgebung: Einfach mal entschleunigen

Um "Bugs" in Gesetzgebungsverfahren zu vermeiden, könnte etwas Entschleunigung helfen, meint Hartmut Gieselmann.

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Informatiker und Gesetzgeber sind eigentlich im gleichen Geschäft: Die einen entwickeln Regeln für Maschinen, die anderen für die Gesellschaft. Dabei können beide voneinander lernen. Denn die Gesetzgebung ist ähnlich komplex geworden wie große Softwareprojekte. Beispiele sind der EU-weit verabschiedete AI Act, aber auch das Cannabisgesetz der Bundesregierung. Während Softwarefirmen jedoch gelernt haben, dass man große Projekte nicht am Reißbrett entwerfen und dann fehlerfrei implementieren kann, kennt die Politik keine Alpha- und Beta-Phasen. Stattdessen wird immer wieder Unausgereiftes voreilig ausgespielt. Je komplexer das Problem, desto stärker der Druck aufs Gaspedal.

Ein Kommentar von Hartmut Gieselmann

Redakteur Hartmut Gieselmann, Jahrgang 1971, ist seit 2001 bei c't. Er leitet das Ressort Anwendungen, Datenschutz & Internet und bearbeitet unter anderem aktuelle Themen rund um die Bereiche Medizin-IT, Netzpolitik und Datenschutz.

So stecken auch im neuen, hochemotional diskutierten Cannabisgesetz etliche Bugs. Was das die c’t interessiert? Nun, es gibt einige Vorgaben im Gesetz, die Entwickler dazu anregen, technische Speziallösungen zu entwerfen, die wir ausführlich getestet haben. Weil die Verbotszonen für Kiffer im öffentlichen Raum so unübersichtlich sind, gibt es zahlreiche Apps dafür – die leider falsche Abstände anzeigen. Und weil man legalisiertes Cannabis nicht einfach kaufen, sondern nur selbst anbauen darf, werden in Shops sogenannte Growboxen angeboten, die die zarten Pflänzchen App-gesteuert mit Licht, Wasser und Dünger versorgen. Die rechtliche Situation haben wir uns mal genauer angesehen.

Natürlich hat auch diese erste Generation von Apps und Steuerboxen ihre Kinderkrankheiten. Aber die Entwickler werden sie mit jedem Update verbessern. Wer das nicht tut, wird von einem Konkurrenten verdrängt. Bei Gesetzen funktioniert das nicht so gut, Updates lassen meist sehr lange auf sich warten. Das in vielen Punkten unklare Cannabisgesetz will die Regierung erst zum Oktober 2025 evaluieren. Bei den vielen eiligst verabschiedeten Digitalgesetzen der EU ist völlig unklar, ob und wann es in der nächsten Legislaturperiode ein Update geben wird.

Daher meine Bitte: Wenn Gesetze schon nicht so schnell korrigiert werden können wie eine verbuggte Smartphone-App, dann sollten sich die Ausschüsse und Parlamente wenigstens bei der Formulierung ausreichend Zeit nehmen und wie in einem Betatest erst einmal im kleinen Kreis ausprobieren. Vielleicht helfen ihnen ja auch entspannende Pflanzenwirkstoffe beim entschleunigten Nachdenken über die Problemlösungen.

(hag)