Auf Kante genäht: Was hinter dem Aus von Apple-Händler Gravis steckt
Aus vagen Gerüchten wurde bittere Wahrheit. Gravis, einer der führenden Apple-Reseller Deutschlands, gibt auf. Wir erklären die Hintergründe.
- Christoph Dernbach
Gravis wollte im Jahr 2024 eigentlich neu durchstarten. In der Gravis-Filiale in München im Tal zwischen Hofbräuhaus und Viktualienmarkt konnten die Kunden bereits seit Monaten sehen, wohin die Reise gehen sollte. Ein neues Design, ein neues Logo, ein neues Nachhaltigkeitskonzept. Die Freenet-Tochter hatte sich viel vorgenommen, nicht nur im klassischen Handel, sondern auch online im Web-Store. Es kam aber alles ganz anders. Am 15. März bestätigte Freenet-Chef Christoph Vilanek die Gerüchte, dass Gravis dichtgemacht wird, weil sich das Geschäft nicht mehr lohnt. In einem Interview mit der Mac & i macht Vilanek jetzt erstmals die Dimensionen der Fehlbeträge deutlich: "Wir haben 2024 fast jeden Monat ein siebenstelliges negatives Ergebnis erzielt." Das war selbst für einen MDAX-Konzern zu viel.
Dabei war Gravis in der Szene der Apple-Händler in Deutschland eine feste Institution. Das Vorläuferunternehmen wurde 1986 von Archibald Horlitz und Wilfried Gast in Berlin gegründet. Seit 1991 verkaufte Gravis vorwiegend Apple-Produkte. Mit zuletzt landesweit 37 eigenen Läden, rund 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 250 Millionen Euro (2023) war das Berliner Unternehmen einer der größten Händler für Mac, iPhone, iPad und Zubehör aus der Apple-Welt sowie einer der großen Servicepartner des US-Konzerns in Europa.
- Gravis hatte nach einem coronabedingten Boom mit Absatzrückgängen zu kämpfen.
- Eine niedrige Marge sowie eine schlechte Liefersituation sollen das Geschäft zusätzlich erschwert haben.
- Der Mutterkonzern Freenet will die Filialen bis zum Jahresende abwickeln.
- Andere Apple-Händler stehen trotz ähnlicher Ausgangssituation besser da.
Vorbild Bielefeld
Gravis hatte sogar Einfluss auf die Gestaltung der Apple Stores, von denen der iPhone-Konzern inzwischen über 500 weltweit betreibt. Bevor Apple-Mitbegründer Steve Jobs und sein Design-Chef im Jahr 2000 die Aufmachung des ersten eigenen Apple Store festlegten, ließen sie sich durch einen Gravis Store in der ostwestfälischen Provinz inspirieren. In Bielefeld hatte Gravis 1999 seinen "Shop 2.0" mit einer außergewöhnlichen Inneneinrichtung eröffnet. Das fiel auch den Trendscouts aus Kalifornien auf. "Unsere Möbel entsprachen damals exakt dem, was sie heute in einem Apple Store vorfinden", sagte später Gravis-Mitbegründer Horlitz der Mac & i. Kein Wunder. Schließlich diente der weltweit erste Apple Store, der am 19. Mai 2001 im Einkaufszentrum Tysons Corner in McLean im Norden des US-Bundesstaates Virginia eröffnet wurde, als Prototyp für alle späteren Apple-Läden.
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