Netflix und Spotify: Warum man sein Geld (wahrscheinlich) nicht zurückbekommt

Preisanpassungsklauseln in den AGB von Netflix und Spotify sind unwirksam, bestätigte ein Berliner Gericht. Gibt es jetzt das Geld zurück? Eher nicht.

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(Bild: Shutterstock.com/Skorzewiak)

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Inhaltsverzeichnis

Zwei Urteile des Kammergerichts Berlin sorgen für Aufsehen: Sogenannte Preisanpassungsklauseln in den AGB von Netflix und Spotify sind unwirksam, bestätigte das Kammergericht in zweiter Instanz. Teilweise wurden diese Urteile nach Bekanntgabe durch den Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv) so aufgefasst, als wären vergangene Preiserhöhungen der beiden Streaming-Anbieter rechtswidrig. Im Netz kursieren Musterbriefe, mit denen man Abokosten zurückverlangen soll. Doch so einfach ist das nicht – denn Netflix und Spotify bestreiten, sich bei Preiserhöhungen jemals auf die beanstandeten Klauseln berufen zu haben. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

In zwei Urteilen vom 15. November (Az. 23 U 15/22 und 23 U 112/22) hat das Kammergericht (Oberlandesgericht) Berlin die Berufungen von Spotify und Netflix gegen zwei vorherige Urteile des Landgerichts Berlin vom 16. Dezember 2021 (Az. 52 O 157/21) und vom 28. Juni 2022 (Az. 52 O 296/21) zurückgewiesen.

Damit bestätigte das Kammergericht jeweils die Urteile des Landgerichts, nach denen die sogenannten Preisanpassungsklauseln zur "einseitigen Preiserhöhung" in den Nutzungsbedingungen der beiden Streaming-Anbieter unwirksam sind. Geklagt hatte jeweils der vzbv. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Netflix und Spotify können weitere Rechtsmittel einlegen und vor den Bundesgerichtshof ziehen.

Das Gericht hat lediglich zu den Klauseln selbst entschieden. Kursierende Meldungen, laut denen bisherige Preiserhöhungen von Netflix und Spotify nach Urteil des Gerichts unwirksam waren, sind falsch. Um konkrete Preisanpassungen, die die Dienste in den vergangenen Jahren vorgenommen haben, ging es in den Prozessen nämlich gar nicht. Zum Zeitpunkt, als der vzbv Klage gegen Spotify einreichte, hatte der Musikstreaming-Dienst seine Abokosten in Deutschland tatsächlich noch kein einziges Mal angehoben.

Als "einseitig" wird eine Preiserhöhung beschrieben, wenn sie ohne Zustimmung des Vertragspartners stattfindet. Solche einseitigen Änderungen sind laut deutschem Vertragsrecht in der Regel nicht erlaubt. In der Praxis müssen Anbieter daher oft um Zustimmung der Nutzer bitten, bevor sie die Preise in einem laufenden Vertrag ändern. Wird eine Zustimmung nicht erteilt, kann das Vertragsverhältnis enden.

Die AGB von Netflix und Spotify enthalten Klauseln, die Preisanpassungen auch einseitig ermöglichen würden. Bei Netflix heißt es etwa: "Wir sind berechtigt, den Preis unserer Abo-Angebote von Zeit zu Zeit in unserem billigen Ermessen zu ändern, um die Auswirkungen von Änderungen der mit unserem Dienst verbundenen Gesamtkosten widerzuspiegeln."

Bei Spotify steht aktuell wiederum: "Spotify kann nach billigem Ermessen die Abonnementgebühren und sonstigen Preise ändern, um die gestiegenen Gesamtkosten für die Bereitstellung der Spotify-Dienste auszugleichen." Im Kern sollen sie den Streaming-Diensten also erlauben, ihre Preise jederzeit einseitig anzupassen.

Nach Ansicht des Kammergerichts Berlin benachteiligen diese Klauseln die Kunden auf unangemessene Weise, weil die Klauseln je nach wirtschaftlichen Umständen zwar Möglichkeiten zur Preiserhöhung vorsehen, aber keine entsprechende Verpflichtung zur Preissenkung bei gegenläufiger Entwicklung. Das widerspreche dem Gebot der Reziprozität. Das Gericht kritisiert außerdem den großen Ermessensspielraum bei Preiserhöhungen. Netflix könnte die Preise gemäß den AGB etwa erhöhen, wenn "Produktions- und Lizenzkosten, Kosten für die technische Bereitstellung und die Verbreitung unseres Dienstes, Kundendienst und andere Kosten des Verkaufs" steigen.

Es fehle den Anbietern an "berechtigtem Interesse" an solchen Klauseln, heißt es weiterhin. Denn: Einerseits laufen die Verträge bei Netflix und Spotify ohnehin nur einen Monat, wodurch beide Seiten jederzeit die Möglichkeit zur kurzfristigen Vertragsauflösung hätten. Zudem sei es aufgrund der digitalen Natur des Streaming-Angebots jederzeit und ohne "nennenswerten Aufwand" möglich, Verbraucher per Mail oder in der App bei bevorstehenden Preiserhöhungen um Zustimmung zu bitten.

In einer Mail informiert Spotify seine Kunden über eine aktuelle Preisumstellung. Ohne Zustimmung des Nutzers endet das Abonnement.

(Bild: heise online)

Nein. Grundsätzlich dürfen Netflix und Spotify ihre Preise anpassen, solange sie zuvor die Zustimmung ihrer Kunden einholen. Unwirksam wären lediglich Preiserhöhungen, die sich auf die beanstandeten Klauseln zur einseitigen Preiserhöhung stützen. Konkret stellt sich daher die Frage, ob Netflix und Spotify vor Preiserhöhungen die Kunden um Zustimmung gebeten haben. Beide Unternehmen behaupten, das bei bisherigen Preisänderungen getan zu haben.

So forderte Spotify zu seiner erst kürzlich angekündigten Preiserhöhung seine Nutzer per Mail auf, den Anpassungen zuzustimmen. "Die kürzlich ergangene Gerichtsentscheidung hat keinen Einfluss auf die Preiserhöhung, die derzeit in Deutschland vorgenommen wird, da wir uns dabei nicht auf die angegriffene Klausel stützen", teilt Spotify in einer E-Mail an heise online mit. Es handelt sich um die erste Preiserhöhung von Spoitfy seit dem Marktstart in Deutschland vor zehn Jahren.

Netflix hat seine Preise häufiger angepasst als Spotify. Aber auch der Videostreaming-Dienst gibt an, bei Preiserhöhungen in Deutschland zuvor die Zustimmung der Mitglieder eingeholt zu haben. "Preiserhöhungen in Deutschland erfolgten nicht auf Grundlage dieser Klausel, sondern auf Basis einer Zustimmung unserer Mitglieder", teilte das Unternehmen mit.

Andere Streaming-Anbieter lassen ihre Nutzer bei Preiserhöhungen ebenfalls zustimmen. So informierte etwa Google seine Nutzer kürzlich per Mail über die bevorstehende Preiserhöhung bei Youtube Premium und fragte dabei die Zustimmung ab.

Ihre durch die Preiserhöhungen zustande gekommenen Zusatzzahlungen können Nutzer nur dann zurückverlangen, wenn Netflix oder Spotify ihre Abo-Preise ohne abgegebene Zustimmung erhöht haben. In diesem Fall könnten sich die Streaming-Dienste auf die unwirksamen Klauseln gestützt haben. Die Preiserhöhungen wären damit ebenfalls hinfällig.

Nach Ansicht der Stiftung Warentest, die auch einen Musterbrief bereitstellt, können diese Forderungen schon jetzt bei den Anbietern eingereicht werden, obwohl die Urteile noch nicht rechtskräftig sind. Es ist aber unwahrscheinlich, dass Netflix und Spotify solchen Aufforderungen zur Rückzahlung ohne Weiteres nachkommen.

Wer sein Geld zurückerhalten möchte, muss also bereit sein, im Zweifelsfall vor Gericht auszufechten, dass er keine Zustimmung zur Preiserhöhung erteilt hat. Bisher sind keine Fälle bekannt, in denen das gelungen ist.

Der vzbv empfiehlt, sich bei Fragen und Beschwerden zuerst an Netflix oder Spotify zu wenden. Komme man dort nicht weiter, könne man Verbraucherschützer kontaktieren.

Die Urteile beziehen sich auf Klauseln in den AGB von Netflix und Spotify und lassen sich daher nicht verallgemeinern. Allerdings hofft der vzbv auf eine Signalwirkung für andere Dienste: "Das Kammergericht Berlin hat eine richtungsweisende Entscheidung im Sinne der Verbraucher:innen getroffen", teilte vzbv-Referentin Jana Brockfeld mit. "Das Urteil könnte grundsätzlich das Aus für künftige einseitige Preiserhöhungen durch Streamingdienste in Deutschland bedeuten." Die Urteile seien ein "starkes Signal."

Es ist ohnehin nicht das erste Mal, dass Klauseln eines Streaming-Anbieters vor Gericht gekippt werden: Im Sommer erklärte das Landgericht München zwölf Klauseln in den AGB des Sport-Anbieters DAZN für unwirksam – darunter auch eine Klausel zur Preisanpassung. Auch DAZN hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Die Urteile des Kammergerichts Berlin sind nicht rechtskräftig, Netflix und Spotify könnten vor den Bundesgerichtshof ziehen. Ob sie das planen, ist derzeit nicht bekannt. "Wir erwägen weitere Schritte, sobald wir die Entscheidung vollumfänglich analysiert haben", teilte Netflix mit. Die Erfolgsaussichten vor dem BGH gelten angesichts einstimmiger vorheriger Urteile als gering.

Eine andere Möglichkeit liegt für die Anbieter darin, ihre Klauseln in den AGB anzupassen und neu zu formulieren. In diesem Fall könnte es zu einer erneuten Prüfung durch die Gerichte kommen.

(dahe)