Wissing will Nutzung von Mobilitätsdaten von E-Scootern bis zur Bahn erleichtern

Mobilitätsanbieter wie der ÖPNV, Uber oder Bolt sollen Daten in Echtzeit über einen nationalen Zugangspunkt gratis veröffentlichen und Umsteigen erleichtern.

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Viele Menschen, die in einer Wiener U-Bahn-Station zum Stiegenaufgang drängen, fotografiert von hinten

Ein zentrales Register soll das Umsteigen zwischen Verkehrsmitteln erleichtern.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will Zugangshürden für die Nutzung von Mobilitätsdaten minimieren und so das sogenannte multimodale Reisen beflügeln, also die Nutzung verschiedener Verkehrs- und Transportmittel innerhalb eines bestimmten Zeitraums mit möglichst günstigen Umsteigezeiten. Mobilitätsdienstleister von den Öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bussen und Bahnen über Taxis bis hin zu neueren Anbietern für Individualtransporte wie Uber, Bolt oder Tier sollen einschlägige Informationen in Echtzeit über einen nationalen Zugangspunkt gratis veröffentlichen müssen. Die Daten dürften dann "für jeden kommerziellen oder nicht kommerziellen Zweck genutzt werden".

Dies sieht ein Referentenentwurf für ein Mobilitätsdatengesetz des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) vor, den das Online-Portal Politico veröffentlicht hat. "Die Verfügbarkeit von Mobilitätsdaten in ausreichend hoher Qualität ist Voraussetzung für zeitgemäße Mobilitätsdienstleistungen und deren nutzerfreundliche, effiziente und ressourcenschonende Ausgestaltung", heißt es darin. "Sie ist zugleich Grundlage für die Entwicklung von Innovationen und neuen Geschäftsmodellen im Mobilitätssektor." Umfasst sein sollen etwa statische und dynamische Daten wie Fahrpläne des öffentlichen Verkehrs, Verspätungsmeldungen, die Echtzeit-Verfügbarkeit von Sharing-Fahrzeugen und Meldungen über Baustellen, die Verkehrssituation oder zur Verfügbarkeit von Parkplätzen sowie zur Tank- und Ladeinfrastruktur.

Eigentlich ist die Bereitstellung vieler dieser Informationen bereits in zahlreichen Gesetzen der EU und des Bundes vorgeschrieben. Darin angelegt ist auch ein Nationaler Zugangspunkt als Datendrehscheibe, dessen Funktion das BMDV nun weiter erläutert und ausbaut. Dieser "National Access Point" (NAP) soll demnach als digitale Schnittstelle fungieren und Mobilitätsdaten in einem digitalen maschinenlesbaren Format "unverzüglich und vollständig" anderen Diensteanbietern verfügbar machen. Profitieren davon dürften vor allem Technologieanbieter wie Trafi, die in Kooperation mit Verkehrsgesellschaften übergreifende Mobilitäts-Apps bereitstellen. Diese vermitteln mit einem Nutzerkonto und einer Zahlungslösung Zugang zu diversen Fortbewegungsdiensten.

Aus einer Konsultation von Interessensvertretern hat sich dem BMDV zufolge ergeben, dass die bisherigen Maßnahmen zur Sicherstellung der Datenqualität und Interoperabilität unzureichend sind und die bereits geltenden Pflichten nicht vollständig erfüllt werden. Mobilitätsdaten seien für potenzielle Datennutzer, einschließlich Behörden bislang "uneinheitlich und teils schwer zugänglich". Mit dem Entwurf, der als nächstes durchs Bundeskabinett muss, will Wissing daher die Hürden für "multimodale Reise- und Echtzeit-Verkehrsinformationsdienste" abbauen.

Zu den Zielen der Initiative zählt es, die Datenverfügbarkeit und -qualität zu verbessern und sicherzustellen. Dazu will Wissing verkehrsträgerübergreifend einheitliche und klare Regeln "mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand" vorgeben. Damit einhergehen soll eine "bessere, mindestens EU-weite Interoperabilität", um eine anbieterübergreifende digitale Buchung und Bezahlung von Mobilitätsdienstleistungen zu ermöglichen. Weiterer Zweck des Gesetzes ist es, einen Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu leisten.

Erfasste Dateninhaber müssen nach Paragraf 5 künftig "dynamische und historische Mobilitätsdaten zum Auslastungsgrad der Fahrzeuge von straßen- und schienengebundenen Linienverkehrsdiensten sowie zugehörige Metadaten" bereitstellen. Auf die Vergangenheit beschränkt wird diese Pflicht bei Informationen "zum Auslastungsgrad der Fahrzeuge im Linienbedarfsverkehr" und im "gebündelten Bedarfsverkehr". Das BMDV begründet diese Einschränkung damit, dass die Auslastungsdaten von dynamisch durch Algorithmen gesteuerte On-demand-Angebote von Pooling und von Öffis für Fahrplanauskünfte nicht nutzbar seien. Historische Daten könnten aber auch bei diesen Verkehrsmitteln "von hoher Bedeutung für die Verkehrsplanung sein".

Zugleich soll ein Bundeskoordinator für Mobilitätsdaten bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) eingeführt werden. Dessen Aufgaben umfassen das Aufstellen technischer Vorgaben sowie die Kommunikation mit und die Unterstützung von Dateninhabern und -nutzern. Die BASt soll dazu auch die einschlägigen Metadaten verarbeiten und an "öffentliche Stellen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben übermitteln" dürfen.

Bis 2027 sollen dafür insgesamt 22 Stellen eingerichtet werden mit jährlichen Personalkosten von knapp 2,4 Millionen Euro. Für den Erwerb und die Einführung eines softwarebasierten automatisierten Systems für die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten werden der BASt dem Plan nach einmalige Sachkosten von über 1,7 Millionen Euro entstehen. Den jährlichen Sachkostenaufwand für die Wartung und Pflege digitaler Prozessabläufe sowie die Koordination zum Verbessern der Datenqualität bei den Ländern und Kommunen schätzt das BMDV auf fast 1,5 Millionen Euro. Einzelheiten der Zusammenarbeit sollen in einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt werden.

Für die Datenaufsicht ist das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) vorgesehen. Es soll "als ultima ratio" auch Zwangs- und Bußgelder verhängen dürfen. Dafür sollen vier Stellen mit Personalkosten in Höhe von 360.137 Euro ausreichen. Wer ordnungswidrig handelt, dem droht auch nur eine Strafe von bis zu 10.000 Euro. Für Sanktionsmöglichkeiten machte sich etwa der Taxi- und Mietwagenverband (TMV) stark. Er sieht im bisherigen Fehlen eines solchen Verfahrens Grund dafür, dass Taxibetriebe Mobilitätsdaten bislang nur "unzureichend" verfügbar machten und bei Mietwagenbetrieben hier ein "glatter Ausfall" zu verzeichnen sei.

Die Mobilitätsdatenverordnung von 2021, wonach ÖPNV-Informationen bereits in Echtzeit zu veröffentlichen sind, soll mit dem neuen Gesetz zum 1. Dezember 2028 aufgehoben werden. Den Appell von Verbraucherschützern, auch ethische Grundsätze für den Umgang mit Mobilitätsdaten sowie Prinzipien zu deren Anonymisierung und Transparenz einzubeziehen, hat das BMDV nicht aufgegriffen.

(nie)