Die Terahertz-Jagd ist eröffnet

Eine IBM-Gruppe hat erstmals Graphen-Schaltkreise mit herkömmlichen Verfahren gefertigt, die den Weg zu ultraschnellen Elektronikbauteilen für Handys und Mobilgeräte öffnen.

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Von
  • Katherine Bourzac

Eine IBM-Gruppe hat erstmals Graphen-Schaltkreise mit herkömmlichen Verfahren gefertigt, die den Weg zu ultraschnellen Elektronikbauteilen für Handys und Mobilgeräte öffnen.

Die Graphen-Elektronik kommt auf Touren: Forscher des IBM Thomas J. Watson Research Center haben aus dem ultradünnen Kohlenstoff-Material die bislang schnellsten integrierten Schaltkreise gefertigt. Seit längerem gilt Graphen – eine einzelne Atomschicht aus Graphit – als Halbleiter, mit dem sich sehr viel schnellere Elektronik-Bauteile als mit Silizium fertigen lassen könnten.

Das IBM-Team hat nun einen Demo-Chip entwickelt, der Radiosignale für Handys und andere drahtlose Geräte verarbeitet – und das schneller und stromsparender als derzeit eingesetzte Chips. Weil hierfür bereits bekannte Fertigungsverfahren verwendet wurden, könnte sich die Herstellung des Graphen-Chips schon bald in bestehende Produktionsabläufe einpassen lassen. „Eine sehr spannende Arbeit, die zeigt, dass eine künftige Graphen-Elektronik mit Riesenschritten naht“, urteilt James Tour, Professor für Chemie und Informatik an der Rice University in Houston, Texas.

Der Grund für die Begeisterung der Nanoforscher ist, dass Elektronen sich in Graphen viel schneller bewegen als in Silizium. Die schnellsten Graphen-Transistoren kommen auf Taktraten von 300 Gigahertz – rund 30 Mal schneller als die besten Silizium-Transistoren. Experten sehen das Hauptanwendungsgebiet der Kohlenstoffschichten nicht in klassischen Mikroprozessoren für Computer, sondern in schnellen analogen Elektronik-Bauteilen.

Seit dem ersten offiziellen Nachweis 2004 haben sich Ingenieure jedoch damit schwer getan, das Material so zu bändigen, dass es in herkömmliche Fertigungsprozesse hineinpasst. Ein Hindernis ist, dass die Leistung von Graphen-Transistoren sinkt, wenn man sie zu nahe an bestimmten Metallen platziert. Vor allem aber ist es schwierig, die Bauteile auf einem Mikrochip richtig zu platzieren.

Die IBM-Forscher, die ihre Arbeit im Fachjournal Science veröffentlicht haben, demonstrieren nun an einem Frequenz-Mischer, wie sich beide Probleme lösen ließen. Das Bauteil besteht aus einem Graphen-Transistor und zwei metallischen Induktoren. „Frequenzmischer gehören zu den Grundbausteinen der analogen Elektronik, insbesondere in der drahtlosen Übertragungstechnik“, sagt IBM-Forscher Yu-Ming Lin. Sie wandeln Radiosignale in andere Signale um, deren Frequenz im für Menschen hörbaren Bereich liegt. Dies geschieht, indem ein Radiosignal mit einem Referenzsignal gemischt wird.

Damit sich die Leitfähigkeit des Graphens nicht verschlechtert, achteten die Wissenschaftler darauf, dass die Kohlenstoffschicht mit anderen Materialien in Berührung kommt. Hierzu überzogen sie einen Silizium-Carbid-Block zunächst vollständig mit einer Graphenschicht. Die wurde überall dort weggeätzt, wo keine Transistoren entstehen sollten. Auf dem nackten Silizium-Carbid-Untergrund befestigten sie dann die metallischen Induktoren in ausreichendem Abstand zum Graphen.

Der Demo-Chip schafft nun immerhin 10 Gigahertz – schneller als jeder Graphen-Schaltkreis zuvor. Lin räumt allerdings ein, dass die Schaltungen noch nicht so zuverlässig wie Frequenzmischer aus Silizium funktionieren. Dieses Problem werde aber in Kürze behoben sein, versichert er.

Derzeit arbeitet das IBM-Team noch mit Strukturgrößen von einigen hundert Nanometern. „Die Chips lassen sich aber leicht auf ein Zehntel verkleinern, dann könnten sie den bisherigen Rekord knacken“, meint Lin. Die Grenzen seien noch nicht erreicht. „Ich glaube, dass wir sie in den Terahertz-Bereich bekommen können.“

Bislang komme das Signal aber am anderen Ende des Chips schwächer an, als es hineingekommen sei, bemängelt Xiangfeng Duan, Chemiker an der University of Califorinia in Los Angeles. Die IBM-Gruppe weiß allerdings um diese Schwierigkeit und arbeitet daran. Lin ist auch überzeugt, dass das Fertigungsverfahren sich auch auf andere Chip-Typen anwenden lässt. „Bis wir das gesamte Potenzial der Graphenelektronik ausschöpfen, werden aber noch fünf bis zehn Jahre vergehen.


Das Paper:

Lin, Yu-Ming et al.: „Wafer-Scale Graphene Integrated Circuit“, Science, Vol. 332, Ausgabe 6035, S. 1294-1297 (Abstract). (nbo)