Gemischte Reaktionen auf Eröffnung des Cyber-Abwehrzentrums

Als "Informationsdrehscheibe" wurde das neue Cyber-Abwehrzentrum einhellig begrüßt. Aus Wirtschaft und Opposition kommt aber auch Kritik. Sie vermissen eine internationale Kooperation und ausreichend geeignete Fachkräfte.

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Von
  • Detlef Borchers

Das am Donnerstag in Bonn offiziell eröffnete Cyber-Abwehrzentrum wird als Informationsdrehscheibe einhellig begrüßt, doch es gibt auch kritische Stimmen. Kritisiert wird vor allem, dass das Zentrum kein echtes Notfallzentrum ist, das rund um die Uhr an allen Tagen besetzt ist. Am Wochenende ist das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum zuständig für "die Beobachtung der IT-Sicherheitslage für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik außerhalb dessen Dienstzeit".

Reinhard Clemens begrüßte für die Deutsche Telekom das Abwehrzentrum, bezeichnete aber den nationalen Ansatz als "zu kurz". Als Beispiel für die funktionierende Arbeit in einer länderübergreifenden Kooperation nannte Clemens den Dachverband der Computernotfallteams FIRST (Forum of Incident Response and Security Teams). Die Telekom-Tochter T-Systems betreibt mit dem Informationsverbund Berlin-Bonn selbst eine kritische Infrastruktur der Bundesbehörden. Auch der IT-Branchenverband Bitkom betonte, das Cyber-Abwehrzentrum sei nützlich, wünscht sich aber eine enge Zusammenarbeit zwischen Industrie und den etwa zehn Experten für die Cyberabwehr, die in dem Zentrum arbeiten.

Für die SPD sagte der stellvertretende innenpolitische Sprecher Michael Hartmann, die neue Einrichtung sei "eine Verpackung ohne Inhalt". Für das gravierende Problem der Angriffe aus dem Netz sei gut ausgebildetes und ausreichendes Personal erforderlich. Jan Korte vom Fraktionsvorstand der Linken im Bundestag wandte ein, das Ausmaß der Gefährdung lasse sich bislang nicht klar beurteilen. "Anstatt jedoch mit Augenmaß und ohne Panikmache friedliche Alternativen und Initiativen zu suchen, folgt die Bundesregierung der US-Regierung auf ihrem Weg in den grenzenlosen Cyberwar." Im Cyber-Abwehrzentrum, so kritisierte Korte, tauschten sich Geheimdienste, Polizeibehörden und die Bundeswehr operativ aus, was dem verfassungsrechtlichen Trennungsgebot widerspreche.

Auch die nicht im Bundestag vertretene Piratenpartei kritisierte, "dass Fragen der inneren und äußeren Sicherheit vermischt werden". Der stellvertretende Vorsitzende Bernd Schlömer erklärte: "Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der Name mehr verspricht, als das neue Abwehrzentrum tatsächlich halten kann." Die Einrichtung sei daher nur ein Feigenblatt.

CSU und FDP begrüßten die Eröffnung hingegen als wichtigen Schritt. Die jüngsten Angriffe von Hackern belegten, dass es beim Schutz von Daten noch erheblichen Verbesserungsbedarf gebe, erklärte der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stephan Mayer. Der Internet-Experte der FDP-Bundestagsfraktion, Jimmy Schulz, schrieb, angesichts der Komplexität des Themas sei ein besserer Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Behörden unverzichtbar. Das Cyber-Abwehrzentrum müsse sich aber auf den Austausch von Informationen beschränken, damit das strikte Trennungsgebot eingehalten bleibe.

Sowohl die deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) als auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) freuten sich über das Abwehrzentrum als wichtigen Schritt in der Ermittlungsarbeit. Der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut warnte vor einer Vermischung der Zuständigkeiten und Aufgaben der beteiligten Behörden wie Polizei, Militär und Nachrichtendiensten. Der DPolG Vorsitzende Rainer Wendt warnte, dass der nächste Terroranschlag per E-Mail aus dem Netz kommen könnte.

Der AK Vorrat und das Kampagnennetzwerk Campact demonstrierten derweil gegen die Vorratsdatenspeicherung. Die Aktivisten überreichten Innenminister Friedrich eine Liste mit über 57.000 Unterschriften von Bürgern. Nach Auskunft der Aktivisten habe der Minister gut zugehört, als sie ihre Bedenken dagegen vortrugen, dass Daten ohne konkreten Verdacht gespeichert würden. Hans-Peter Friedrich (CSU) gilt als Befürworter der Datenspeicherung und als Gegner des Vorschlages, der von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger in der vergangenen Woche ins Spiel gebracht wurde. (anw)