3D-Design für alle

Mit Hilfe von biologisch inspirierten Algorithmen soll die Online-Software EndlessForms auch Design-Laien ermöglichen, Modelle für den 3D-Druck zu erstellen.

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Von
  • Stephen Cass

Mit Hilfe von biologisch inspirierten Algorithmen soll die Online-Software EndlessForms auch Design-Laien ermöglichen, Modelle für den 3D-Druck zu erstellen.

Was einst als Spezialtechnologie für Industriedesigner anfing, wird zunehmend populärer: das 3D-Drucken. Hierbei bauen Geräte anhand von Datenmodellen viele Kunststoffschichten langsam zu realen Gegenständen auf. Inzwischen gibt es bereits Dienstleister, die hochgeladene Datensätze „ausdrucken“ und das Ergebnis per Post zusenden. Die 3D-Modelle zu erstellen, ist allerdings immer noch knifflig. Forscher der Cornell University wollen nun die Modellierung mit Hilfe der Online-Software EndlessForms auch Design-Laien zugänglich machen.

Anders als bei herkömmlichen CAD-Programmen braucht ein Anwender hierbei nichts von Programmierung oder Computergrafik zu verstehen. Auf EndlessForms kann er sofort loslegen, indem er aus einer Galerie einige 3D-Formen auswählt und dann auf „evolve“ klickt. Die Software kombiniert und variiert diese Ausgangsformen nun und bildet daraus neue Formen, die dem Nutzer präsentiert werden. Der kann diesen Prozess so lange wiederholen, bis in einer Art von Formevolution ein 3D-Objekt entstanden ist, das seiner Idee am nächsten kommt. Den Datensatz könnte er anschließend an einen Dienstleister schicken, der ihn in einem 3D-Drucker oder – für Metalle – in einem Lasersinter-Gerät materialisiert.

3D-Drucke verschiedener Formen.

(Bild: Cornell University)

Ersonnen wurde das Konzept in der Cornell-Gruppe um Hod Lipson, der bereits vor Jahren die Prinzipien von Mutation und Selektion zur Formentwicklung im Rechner einsetzte. Die frühen Versuche hätten jedoch Gegenstände hervorgebracht, die nicht sehr natürlich aussahen, sagt Jeff Clune, der das EndlessForms-Projekt leitet. „Deshalb haben wir uns bei den Geheimnissen/Prinzipien aus der biologischen Evolution bedient.“ Dadurch entstünden Formen, die nützliche Eigenschaften wie Symmetrie und als ausgedruckte Objekte stabile Strukturen aufweisen würden, so Clune.

Die Regeln, die in den Algorithmen von EndlessForms stecken, basieren auf Erkenntnissen der Entwicklungsbiologie, wie die in der DNA gespeicherte Information aus Molekülen lebende Wesen entstehen lässt. „Embryos bilden Muster über so genannte chemische Gradienten aus“, erläutert Clune. Chemische Gradienten sind Konzentrationsunterschiede: Je nachdem, wie sich die Konzentration einer Molekülsorte in der Umgebungsflüssigkeit ändert, werden bestimmte Gene in der DNA aktiviert. Sie veranlassen die Bildung von Proteinen, die wiederum den Aufbau eines bestimmten Gewebetyps nach sich ziehen.

Ein solcher Gradient kann einfach linear sein und ein geradliniges Muster – die Verbindung vom Kopf zum Schwanz – hervorbringen. Der Gradient könnte aber auch periodische Schwankungen haben – und „würde dann die Entstehung von sich wiederholenden Segmenten in einem Raupenkörper steuern“, sagt Clune. Kombiniere man die verschiedenen Gradientenmuster, ließen sich die grundlegenden Baupläne von Wirbeltieren erzeugen.

EndlessForms speichert für jedes Objekt eine Reihe mathematischer Funktionen, die als virtuelle Gradienten dienen: Eine Sinus-Funktion – die eine Wellenform besitzt – simuliert zum Beispiel einen periodischen chemischen Gradienten. Mutationen des Objekts entstehen dadurch, dass die mathematischen Funktionen leicht verändert werden. Die Software prüft dann, ob die mathematischen Funktionen gewisse Schwellwerte erreichen. Falls ja, füllt sie Raumelemente – so genannte Voxel – mit Inhalt. Auf diese Weise können Voxel, die im vorhergehenden Schritt leer waren, plötzlich Teil des Objekts sein, das dadurch seine Form verändert.

Modellierung leicht gemacht: erst einige der Formen anklicken, dann "evolve" drücken – und auf das Ergebnis warten.

(Bild: EndlessForms)

Derzeit ist EndlessForms noch ein Prototyp mit einer begrenzten Anzahl von Formen. Um den Rechenaufwand gering zu halten, bestehen die 3D-Modelle nur aus relativ wenigen Voxeln. Will ein Nutzer etwa einen Schmetterling aus den Ausgangsformen entwickeln, muss er Geduld haben und viele Zwischenschritte durchlaufen.

Die Cornell-Gruppe plant, dass Nutzer in einer späteren Version auch eigene 3D-Modelle in EndlessForms einspeisen können. So könnte jemand beispielsweise eine Sonnenbrille mit einem 3D-Scanner in ein Modell umwandeln und deren Gestalt mittels EndlessForms verändern.

Neri Oxman, Leiterin der Forschungsgruppe Mediated Matter am MIT Media Lab, ist von der Arbeit der Cornell-Forscher „ziemlich beeindruckt“. Weil der Ansatz so benutzerfreundlich sei, könne er die Verbreitung von 3D-Druck-Technologien fördern – so wie leicht zu bedienende Bildeditoren einst die Anfänge der digitalen Fotografie beflügelten.

„Die Leute könnten damit dann ihre Zahnbürsten und andere Dinge scannen und verschiedene Formen für ihre Familienmitglieder entwickeln“, sagt Oxman. Für das Design könnte die Technologie eine ähnliche Wirkung entfalten wie Blogs und soziale Netzwerke für den Journalismus, glaubt Oxman: ein Gebiet, das ursprünglich Experten vorbehalten war, für die Öffentlichkeit zu öffnen. (nbo)