Berlin erhält Forschungszentrum für Kultur und Informatik

An der Hochschule für Technik und Wirtschaft soll bis Ende 2012 für rund 3,3 Millionen Euro ein Institut entstehen, an dem Kreativ- und Computerwissenschaften verschmelzen. Weitere Schwerpunkte sind Technik-Folgenabschätzung und Netzpolitik.

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An der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin soll bis Ende 2012 für rund 3,3 Millionen Euro ein Institut entstehen, an dem Kreativ- und Computerwissenschaften verschmelzen. Der Spatenstich für den gut 2000 Quadratmeter großen Neubau des "Forschungszentrums Kultur und Informatik" (FKI) auf dem Wilhelminenhof in Oberschöneweide direkt an der Spree erfolgte vorige Woche. Als besonderer Blickfang sei eine "Medienfassade" vorgesehen, erläuterte die wissenschaftliche Projektleiterin, Constanze Kurz, gegenüber heise online. Dort sollten "Bespielungs- und Interaktionskonzepte mit mobilen Geräten und Sensoren oder Wetterdaten" getestet werden.

Wer dabei an das Blinkenlights-Projekt des Chaos Computer Clubs (CCC) denkt, liegt nicht ganz falsch. Kurz ist nebenbei auch als Sprecherin der Hackervereinigung tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte, die Analysen zur Technikfolgenabschätzung und ethische Fragen der Informatik etwa in den Bereichen Überwachungstechnologien, Biometrie und Vermarktung von Daten umfassen, sollen im FKI nicht zu kurz kommen. Eine spannende wissenschaftliche Frage ist für die Informatikerin auch, ob und wie sich die Hackerkultur in Richtung Mainstream entwickelt oder eher eine Gegenkultur bleiben wird.

Schon heute habe sich die Rolle und das Bild der "Spaß am Gerät" proklamierenden Tüftler in der Gesellschaft stark gewandelt, meint die Projektleiterin. Die typische Neugier und die Geisteshaltung, die einen Techniker zu einem guten Hacker machen könnten, seien aber genauso aktuell geblieben wie die Hackerethik. Die Fragen nach zugänglichem digitalen Wissen und Macht über Daten und Netze, die die Hackerszene schon früh beschäftigt hätten, seien sogar mit der Verbreitung des Internets wichtiger geworden. Gerade gegenüber Fehlern und Gefahren seien die Sicherheitsexperten hochgradig sensibel und würden daher "heute häufiger angehört und zu Rate gezogen".

Wichtige Eingaben auch für die Politik in diesem Sinne versprach sich vom FKI bei der Grundsteinlegung auch der netzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Klingbeil. Das Institut könne helfen, gerade auch die technische Seite des Internets besser begreifbar zu machen, betonte der Sozialdemokrat. Debatten um Netzsperren, Vorratsdatenspeicherung oder auch Staatstrojaner bräuchten dringend diesen Sachverstand. Der zusätzliche Fokussierungspunkt auf die Kreativwirtschaft sei wichtig für Wachstum und Arbeitsplätze.

Kurz versicherte, dass sich das Zentrum damit beschäftigen werde, "inwieweit das Netz und damit entstehende neue Kulturtechniken unsere Gesellschaft verändern". Es würden auch kulturpolitische Fragen betrachtet. Im Bereich Medientechnik werde ein "Motion Capture"-Labor entstehen. Geplant sei ferner ein Fotovoltaik-Lab, um bei Green IT zu punkten. Groß geschrieben würden zudem drahtlose Informations- und Sensorsysteme.

Finanziert wird der Neubau, an dem übers Jahr verteilt auch mehrere Konferenzen und Wechselausstellungen in Kooperation mit Museen der Hauptstadt sowie Weiterbildungsmaßnahmen stattfinden sollen, aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR sowie Eigenmitteln der HTW Berlin. Erst wenn er steht, soll voraussichtlich über die Anzahl der Mitarbeiter und künftigen Studenten entschieden werden. Berührungspunkte mit dem neuen Alexander-von-Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft, das von Google zunächst mit 4,5 Millionen Euro über drei Jahre hinweg gefördert wird und so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, gibt es laut Kurz bislang nicht. (jk)