NSA-Affäre: EU-Bericht warnt vor massiver Gefahr für die Demokratie

Ein Hintergrundbericht für den NSA-Untersuchungsausschuss des Europaparlaments warnt vor einer massiven Gefährdung der Demokratie. Um die Grundrechte vor der Überwachung zu schützen, müsste Druck auf die USA ausgeübt werden.

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Das Wissen um die Überwachungsprogramme, die Edward Snowden enthüllt hat, könnten einen zutiefst destabilisierenden Effekt auf demokratische Gesellschaften haben und die Anwendung von grundlegenden politischen und bürgerlichen Rechten verhindern. Zu diesem Urteil kommt der Datenschützer Caspar Bowden in einer unabhängigen Untersuchung für das Europäische Parlament. Für den Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) hat er darin Hintergründe über die Aktivitäten der NSA und ihre Konsequenzen auf Grundrechte der EU-Bürger zusammengefasst. Ein LIBE-Untersuchungsausschuss beschäftigt sich derzeit mit der NSA-Affäre.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Bowden widmet sich darin zuerst der Geschichte US-amerikanischer Überwachung, um dann auf die derzeit enthüllten Programme und ihre gesetzliche Legitimierung einzugehen. Er erklärt, die USA hätten ununterbrochen fundamentale Rechte von Nicht-US-Bürgern missachtet. Um das zu begründen, geht er nicht nur auf Echelon und die Programme ein, die nach dem 11. September 2001 eingerichtet wurden, sondern erläutert weit ältere Entwicklungen. So erklärt er, Unterseekabel würden bereits seit dem 19. Jahrhundert angezapft und auf diese Weise erlangte Informationen seien für Großbritannien entscheidend gewesen, um die USA für den Eintritt in den Ersten Weltkrieg zu gewinnen.

Im zweiten Teil des Berichts erläutert Bowden, dass die Komplexität der US-Überwachungsgesetze und ihre Auslegung durch Geheimgerichte zu ungesetzlicher Überwachung geführt habe, die sowohl US-Bürger als auch Ausländer betreffe. Unter dem einschlägigen Gesetz FISA (Foreign Intelligence Surveillance Act) würden die USA für Nicht-Amerikaner sowieso keinerlei Recht auf Privatsphäre anerkennen. Die immer stärkere Nutzung von Cloud Computing untergrabe die Datenschutzrechte von EU-Bürgern weiter. Darauf hatte Bowden bereits vor Beginn der NSA-Affäre hingewiesen.

Zu guter Letzt erklärt Bowden, dass Mechanismen, die eigentlich zum Schutz europäischer Rechte eingeführt wurden, stattdessen nun als Schlupflöcher dienten. So hätte das US-Handelsministerium eng mit US-Unternehmensvertretern zusammen ausgearbeitet, wie Vorschriften des Safe-Harbour-Abkommens möglichst unternehmensfreundlich und datenschutzfeindlich ausgelegt werden können. Das sei etwa im Fall der Cloud-Industrie besonders problematisch, wo US-Konzerne weltweit führend sind und ein Ende ihrer Dominanz nicht absehbar.

Auch Vorschläge für das weitere Vorgehen hat Bowden erarbeitet. So sollte jede US-Website verpflichtet werden, sichtbar um Zustimmung zur Datensammlung zu bitten und auf die Gefahr der Überwachung hinzuweisen. So würde das Bewusstsein der EU-Bürger geschärft und der Druck auf die USA erhöht. Verträge wie das Safe-Harbour-Abkommen sollten ausgesetzt und neu verhandelt werden, da sie keinen Schutz bieten. Schließlich solle die Europäische Union die Entwicklung einer autonomen europäischen Cloud-Infrastruktur auf Basis freier Software unterstützen. Damit würde die US-Kontrolle sowie die Gefahr von Überwachung und Industriespionage verringert. Auf diese weise könne der Grundstein für eine dauerhafte "Datensouveränität" gelegt werden.

Der Untersuchungsausschuss im Europaparlament wird am morgigen Dienstag zum inzwischen dritten Mal zusammentreten und über die massenhafte Überwachung der EU-Bürger beraten. (mho)