Junge Menschen scheuen das Risiko einer Unternehmensgründung

Die Deutschen haben allgemein keine große Lust, Unternehmer zu werden, Einwanderer sind da risikofreudiger

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Unternehmerisch sind die Deutschen eher nicht veranlagt. Im Vergleich zu den Menschen anderer Länder neigen hierzulande nur wenige dazu, ein Unternehmen zu gründen. Und die Tendenz scheint nach dem neuen Bericht des Global Entrepreneurship Monitors (GEM), der vom Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover und vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erarbeitet wurde, auch nicht anders zu werden.

In Deutschland haben in den letzten 3,5 Jahren 4,2 Prozent der Menschen zwischen 18- und 64-Jährigen ein Unternehmen gegründet oder waren auf dem Weg dazu. Noch geringer ist der Anteil vor allem in Italien, aber auch in Japan, Belgien und Dänemark. In anderen vergleichbaren Ländern wollen deutlich mehr selbständig sein, in den USA und den Niederlanden, in Großbritannien, Irland, Südkorea, Norwegen oder Australien sind es sechsmal so viel, in Island sogar mehr als 10 Prozent. Deutsche gelten als pessimistischer und risikoscheuer. Zwar gebe es eine gute Förderinfrastruktur und sind Unternehmer relativ gut angesehen, aber in den Schulen finde keine Vorbereitung statt, die gesellschaftlichen Werte seien nicht förderlich für Unternehmensgründungen, zudem hätten neue Unternehmen auch wenig Chancen, Aufträge zu erhalten.

Allerdings ist die Lage ganz so schlimm nicht, denn wenn es um Unternehmensgründungen oder entsprechende Absichten geht, liegt Deutschland durchaus im Mittelfeld, während Japan und vor allem Italien hier auch ganz unten rangieren. Da schlagen die unterschiedlichen Kulturen durch, was man auch daran sehen, dass in Deutschland Migranten deutlich öfter Unternehmen gründen als Deutsche. Jeder vierte Gründer hat nach der auf Umfragen beruhenden Studie einen Migrationshintergrund. Während es bei den Nicht-Migranten 4,2 Prozent sind, so sind es bei den Migranten 7 Prozent. Dabei spielt offenbar für die Entscheidung keine so große Rolle, dass die Arbeitslosigkeit bei Migranten höher ist. Zwar sagen mehr Migranten als Deutsche, dass sie aus Mangel an Alternativen Unternehmensgründer werden, aber die Differenz ist nicht sehr groß.

Man könnte denken, dass Migranten, die ihr Heimatland verlassen und das Abenteuer auf sich genommen, eine neue Existenz in einem anderen Land aufzubauen, risikofreudiger sind. Im Hinblick darauf unterscheiden sich aber Migranten und Nicht-Migranten nicht. Möglicherweise übernehmen die Zuwanderer schnell die Risikoscheu der Deutschen, so könnte man vermuten. Die stärkere Orientierung an den ethnischen Netzwerken, die Scheu vor Diskriminierung und die geringere Bindung an den Institutionen könnte womöglich die Neigung zur Unternehmensgründung fördern, mutmaßen die Autoren. Dafür könnte auch sprechen, dass bei den "einheimischen Gründern" 37 Prozent einen Hochschulabschluss haben, bei den Migranten nur 12 Prozent, woraus man schließen könnte, dass die Unternehmen der Migranten "weniger innovativ und durchschnittlich kleiner" seien.

Nach den Befragungen bestätigt sich dies aber auch nicht. Vielmehr scheint es so zu sein, dass Unternehmensgründungen von Migranten sogar mehr Mitarbeiter haben. Offenbar sind die Migranten also gut für die deutsche Kultur und sorgen dafür mehr wirtschaftliche Initiativen. Auch wenn nicht so viel für das höhere Arbeitslosenrisiko als Grund spricht, meinen die Autoren:

"Migranten machen also aus der Not eine Tugend: Durch ihre berufliche Selbstständigkeit fördern sie einerseits ihre persönliche ökonomische und gesellschaftliche Integration in Deutschland. Andererseits leisten sie damit einen wichtigen Beitrag für die deutsche Wirtschaft."

Das könnte auch deswegen wichtig sein, weil offenbar die jungen Menschen in Deutschland immer weniger Lust haben, sich auf das Abenteuer einer Unternehmensgründung einzulassen. 2002 waren noch 14 Prozent aller Gründer 18- bis 24-Jährige, 2010 waren es nur noch 3,5 Prozent: "Das Ausmaß dieses Phänomens ist in Deutschland größer als in anderen Ländern und lässt sich nicht allein mit dem demografisch bedingten Rückgang der Population dieser Altersgruppe begründen", sagen die Autoren der Studie. Auch für dieses Phänomen, lieber abhängig zu sein, als selbst etwas auf die Beine zu stellen, wären Gründe interessant.