Nicht der Mensch, sondern der Überkonsum ist das Problem

Jared Diamond unterscheidet zwischen Erster und Dritter Welt und zeigt, dass unsere Verschwendung problematischer ist als mehr Kinder in den Dritten Welt.

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Seit Jahrzehnten wird behauptet, das große Umweltproblem sei doch das Bevölkerungswachstum, nicht etwa der Ressourcenverbrauch, denn dieser hänge ja von Ersterem ab. Doch diese Herangehensweise lässt die Umweltschützer nicht nur als menschenverachtende Kinderhasser erscheinen, sondern ist auch falsch: Halbiert ein Pärchen seinen Verbrauch, sind zwei Kinder theoretisch bereits kompensiert.

Nun hat Jared Diamond, der Autor von "Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften" (hiermit empfohlen), in der New York Times diese Gleichung auf die ganze Welt angewandt und kommt zum Ergebnis: Es gibt nicht unbedingt zu viele Menschen, sondern eher zu viele Menschen in westlichen Ländern. Ein Amerikaner verbraucht 32 Mal so viel wie ein Kenianer, womit die Diskussion über eine vermeintliche Überbevölkerung in Afrika hinfällig wäre. Nicht die Afrikaner belasten die Welt, sondern wir.

Gleichzeitig betont Diamond, dass der steigende Lebensstandard in Indien und China - wer wollte es ihnen verwehren? - verheerende Auswirkungen haben wird: Dann nämlich gäbe es noch mehr Menschen mit einem westlichen Konsum - oder, wie Diamond es formuliert: "Manche Optimisten glauben, dass die Erde neun Milliarden Menschen ernähren könnte, aber bis jetzt bin ich niemandem begegnet, der so verrückt war, dass er von 72 Milliarden spricht." Soll heißen: Mehr Menschen mit westlichem Lebensstandard sind noch viel bedrohlicher als mehr Menschen überhaupt in den ärmsten Ländern.

Diamond glaubt allerdings, dass die Qualität unseres westlichen Lebens nicht unbedingt sinken muss: "Der Pro-Kopf-Ölverbrauch in Westeuropa ist nur rund halb so hoch wie bei uns (in den USA), aber deren Lebensstandard ist trotzdem höher, wenn man vernünftige Kriterien ansetzt wie: Lebenserwartung, Gesundheit, Säuglingssterblichkeit, medizinische Versorgung, finanzielle Sicherheit im Alter, Urlaub, die Qualität öffentlicher Schulen, und Unterstützung für die Künste. Wie bitte schön fördert unser verschwenderischer Ölverbrauch solche Ziele?"

Damit bringt Diamond eine erfrischend neue Einsicht in die Debatte über Menschen und Umweltschutz und zeigt, dass Menschenliebe und Umweltschutz einander bedingen, statt in Konflikt zu geraten. Die Umweltschützer wären gut beraten, den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen, indem sie betonen, dass es um künftige Generationen geht - oder, wenn man es noch rührender formulieren will - um unsere Kinder.

Diamond zeigt, wie es geht. Der Volltext seines Artikels kann hier im Original nachgelesen werden.