Strafanzeigen gegen Siegfried Kauder

Auf Abgeordnetenwatch warten mittlerweile über 1000 Bürger auf Antworten des Rechtsausschussvorsitzenden zu dessen Urheberrechtsaffäre

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Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) versprach der CDU-Abgeordnete Siegfried Kauder unlängst, einen Gesetzentwurf einzubringen, der Warnhinweise vorsieht, wenn jemand einer Urheberrechtsverletzung bezichtigt wird. Später stellte er klar, dass dieser Gesetzentwurf auch Internetsperren beinhalten soll. Daraufhin sah sich der Piratig-Blogger Alexander Double Kauders Website an und entdeckte mehrere Fotos, deren Vorhandensein an anderen Stellen im Web auf Urheberrechtsverletzungen des Präsidenten der Bundesvereinigung Deutschen Musikverbände hindeutete.

Damit konfrontiert, meinte Kauder, der Vorgang sei doch nur ein Beweis dafür, wie gut sein Vorhaben funktioniert – er habe nämlich mittlerweile "Urheberrechte" an den Fotos erworben und "warne" deshalb alle, die sie im Rahmen einer Berichterstattung über ihn verwenden wollten. Da in Deutschland allerdings keine Urheber-, sondern lediglich Nutzungsrechte übertragbar sind, offenbarte der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses mit dieser Stellungnahme, dass er mit den Grundbegriffen des Immaterialgüterrechts nicht vertraut ist.

Dem Südkurier teilte Kauder außerdem mit, er hätte die Bilder gar nicht wegen einer Urheberrechtsverletzung seinerseits kaufen müssen, sondern habe dies nur getan, damit deren Hersteller nicht mit Anfragen überschwemmt würden. Zusätzlich versuchte man offenbar, die Bilder von Kauders Domain zu entfernen, was jedoch (möglicherweise aufgrund technischen Unvermögens) nur sehr bedingt gelang.

Währenddessen fand Alexander Double heraus, dass Kauder an mindestens einem der Bilder keineswegs Nutzungsrechte erworben, sondern vielmehr noch nicht einmal um solche nachgefragt hatte, weshalb sich der Rechteinhaber nun selbst bei ihm rühren will. Zum Glück des CDU-Politikers aber offenbar nicht mit einem Anwalt und einer Abmahnung. Auf eine Abgeordnetenwatch-Frage, in der Kauder zu seinem Verhalten und seinen politischen Forderung Stellung nehmen soll, warten inzwischen mehr als 1000 Personen auf eine Antwort. Double, der den Fall ins Rollen brachte, hat in seinem Blog mittlerweile noch ein paar Fragen nachgeschoben:

Sie haben [Bilder] unter Missachtung des Urheberechts illegal vom Internet kopiert und für eigene Zwecke verwendet. Raubkopieren ist kein Kavaliersdelikt, es ist eine Straftat. Sie haben persönlich und eigenhändig für das Gesetz für die Kriminalisierung der Urheberrechtverletzungen gestimmt. In Deutschland sieht das Gesetz neben Geldstrafe ein Freiheitsentzug bis 5 Jahren vor. Sie sind Jurist: Welches Strafmaß erachten Sie in diesem Falle für angemessen? Ich empfehle Ihnen sich mit der PR-Kampagne der Film-Industrie "Raubkopierer sind Verbrecher" auseinanderzusetzen. Sehen Sie sich als Verbrecher? Sollten Sie als Verbrecher angesehen werden? Was unterscheidet Sie von anderen Raubkopierern?

Mittlerweile wurden auch mehrere Strafanzeigen gegen Kauder erstattet. Eine davon machte der Anzeigeerstatter Tobias Raff öffentlich: Er sieht einen Verdacht auf Verstoß gegen § 108 Absatz 1 Nummer 3 des Urheberrechtsgesetzes gegeben und bittet die Staatsanwaltschaft Berlin zusätzlich um die Prüfung "aller in Betracht kommenden Delikte". Der von Raff außerdem genannte § 22 des Kunsturheberrechtsgesetzes dürfte bei Aufnahmen von Bauwerken nicht einschlägig sein, da er nur das Recht am eigenen Bild regelt, könnte aber Fotos von Schulklassen betreffen. Vor eventuellen strafrechtlichen Folgen schützt den Abgeordneten jedoch die parlamentarische Immunität, nach der selbst die bloße Einleitung eines Verfahrens gegen ihn einer Genehmigung des Bundestags bedarf.