Große Männer, kleine Mädchen

Die Ohnmacht des allmächtigen Silvio Berlusconi - Showdown in der italienischen Rechten

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"Schon immer arbeite ich wie ein Besessener, und wenn es mir manchmal passiert, das Gesicht eines schönes Mädchens zu sehen, sage ich: Es ist doch besser, schöne Mädchen zu mögen als schwul zu sein." (Silvio Berlusconi in der vergangenen Woche)

"Es ist besser Zeitungen zu lesen, auch wenn man deren Meinungen nicht immer teilt, als bestimmte gleichgeschaltete Fernsehnachrichten zu sehen, die an bestimmte vergangene Regimes erinnern." (Gianfranco Fini, am Wochenende)

Über die kleinen Mädchen ist er jetzt gestolpert. "Er muss seinen Rücktritt einreichen", so Gianfranco Fini, "wenn Berlusconi diesen Mut hat, dann werden wir nicht zurückstehen. Wenn ihn aber dieser Geistesblitz nicht trifft, dann werden unsere Minister dieser Regierung keine Minute länger angehören."

Gianfranco Fini hat an diesem Wochenende die Konsequenzen aus den neuesten Affairen von Silvio Berlusconi gezogen und dem italienischen Ministerpräsidenten und politischen Stehaufmännchen Silvio Berlusconi den Kampf angesagt. Seine Äußerungen auf dem Kongress der rechtskonservativen Bewegung Futuro e Libertà per l’Italia in Perugia wurden mit tosendem Jubel aufgenommen. Und offenkundig ist jetzt die Zeit gekommen, dass der Postfaschist Fini zum neuen Darling der italienischen Linksliberalen wird. In Italien vergleicht man die Ereignisse des vergangenen Wochenendes bereits voreilig mit der Befreiung vom Faschismus. In jedem Fall erlebt Italien seit dem Wochenende die schwerste Regierungskrise der letzten Jahre.

"Das Kapitel Berlusconi schließt sich gerade", so Fini weiter in seiner Rede. "Seine 'Regierung des Tuns' ist nur eine Regierung des 'So-Tun-als-ob'." Der König ist tot, es lebe der König! Vor 16 Jahren wurde Silvio Berlusconi erstmals zu Italiens Ministerpräsidenten gewählt, jetzt hat er seine Kündigung erhalten, und es könnte die letzte, entscheidende gewesen sein. Ein gutes Zeichen ist das allerdings nicht, sondern nur ein weiteres Indiz für die grundsätzliche Verkommenheit und Niveaulosigkeit der politischen "Kultur" in Italien. Denn was hatte Berlusconi seinem Land, den Italienern und der politischen Kultur Europas nicht alles zugemutet in den vergangenen Jahren - ohne Folgen.

Befreiung vom Faschismus?

Die italienische Presse gibt Finis Rede eine historische Dimension: "Der 25. April ist gekommen", überschreibt die linksliberale Tageszeitung La Republicca ihren Kommentar und vergleicht das Geschehen so mit dem Tag der Befreiung vom Faschismus.

Auch La Stampa sieht einen unversöhnlichen Bruch zwischen Berlusconi und Fini, denkt allerdings schon weiter und philosophiert über die Möglichkeit einer Übergangsregierung der nationalen Einheit. Der christdemokratische Corriere de la Sera spricht von einer "Woche der Entscheidungen" und sieht Berlusconi als "Mann der Vergangenheit". Die Berlusconi-Zeitung Il Giornale erkennt zwar auch eine Regierungsmehrheit in Auflösung, will in Finis Schritt aber eher dessen Unsicherheit erkennen.

Kampf um die Vorherrschaft innerhalb der Rechten

Am realistischsten dürfte L'Unitá mit der Einschätzung liegen, dass es vor allem um den Kampf der Vorherrschaft innerhalb des rechtspopulistischen Lagers geht. Finis Rhetorik zielt jedenfalls erkennbar vor allem auf bürgerliche Reputation und die Definition einer anderen Rechten, jenseits von Berlusconi und jenseits mancher seiner Exzesse. Fini fordert Effizienz, die "Reform des schandhaften Wahlgesetzes" und garniert derlei Konkretes mit Papst-Zitaten wie dem, es liege nicht nur Schmutz auf der Straße, sondern es gebe auch "Schmutz in den Seelen und im Bewusstsein."

Insofern darf man sich in Italien auf spannende Wochen einstellen. Da dieses Land seit jeher als Laboratorium europäischer Politik fungiert, wird hier auch eine über Italien hinausreichende Neudefinition des rechten Lagers zwischen Bürgerlichkeit und Populismus, zwischen Neoliberalismus und Rückwärtsgewandtheit, vorgenommen.

Berlusconi ist tot, willkommen in Berlusconien!