Die EU-Kommission senkt Wachstumsprognose

Spanien, Portugal und Italien hoffen, dass die Defizitziele nun aufgeweicht werden können

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Die Eurozone rutscht in die Rezession, das hat nun auch die EU-Kommission bestätigt. Ihre Prognose erwartet für 2012, dass die Eurozone im laufenden Jahr um 0,3% schrumpfen wird. Für die gesamte EU geht Brüssel dagegen von einer Stagnation aus. Schon im vierten Quartal 2011 war die Wirtschaftsleistung in der Eurozone und in der EU [ http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/2-15022012-AP/DE/2-15022012-AP-DE.PDF um 0,3% geschrumpft]. Die Kommission korrigiert ihre unhaltbare bisherige Prognose nach unten, obwohl auch die noch zu optimistisch sein dürfte.

Estland soll mit 1,2%, gefolgt von Malta (1%), im Euroraum am stärksten wachsen. Es folgen Finnland (0,8%) und Österreich sowie Luxemburg (0,7%). In Deutschland sollen es nur noch 0,6% sein und in Frankreich 0,4%. Die übrigen großen Euroländer werden schrumpfen. Das drittgrößte Italien um 1,3% und das viertgrößte Spanien um 1%. Besonders stark wird es die Problemländer Portugal (-3,3%) und Griechenland treffen. Nachdem dessen Wirtschaftsleistung schon 2011 um 7% eingebrochen ist, soll die Wirtschaft erneut um 4,4% schrumpfen. Unterschwellig wird zugegeben, dass der extreme Sparkurs nun nach Griechenland auch Portugal in die Depression treibt.

Allerdings fällt die EU-Prognose zum Teil deutlich optimistischer aus als die von anderen Organisationen. So geht der Internationale Währungsfonds (IWF) davon aus, dass Italiens Wirtschaft 2012 um 2,2% und die Spaniens um 1,7% in die Knie geht. Ähnlich sieht das auch die Zentralbank in Madrid. Die Banco de España schätzt, dass die spanische Wirtschaft 1,5% schrumpft - und es könnte noch härter kommen, weil die Wirkung der neuen Sparmaßnahmen und die Erhöhung der Steuern noch nicht einbezogen wurden.

Doch hier deutet sich etwas an, was 12 EU-Regierungschefs gefordert haben. Werden in den neuen Zahlen schon die Aufweichung der Defizitziele vorweggenommen? Davon darf man ausgehen. Sowohl in Spanien als auch in Portugal gehen die Regierungen davon aus, dass man gegenüber den Konservativen gnädiger als gegenüber den sozialistischen Vorgängerregierungen ist. Sie sollen wohl nicht gezwungen werden, das Defizit schon 2013 unter die Stabilitätsmarke von 3% zu bringen. Der spanische Finanzminister hatte ohnehin schon die unangenehme Wahrheit ausgesprochen, dass es unmöglich ist, das Defizit 2012 von über 8% auf 4,4% zu senken, wie es gegenüber der EU versprochen wurde.

Zwar ist er dafür abgewatscht worden, denn sein Ministerpräsident bekräftigte in Berlin, das Ziel werde eingehalten. Doch auch bei Mariano Rajoy macht sich mehr Realitätssinn breit. In dem gemeinsamen Brief der Regierungschefs an den Kommissionspräsidenten wird unterschwellig der Ruf nach einem europäischen Marshall-Plan laut. Nachdem sich der letzte EU-Gipfel vage für Wachstumsinitiativen und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ausgesprochen hat, wird ein "klares und detailliertes Handeln" gefordert.

In Madrid pfeifen es die Spatzen längst von den Dächern, dass man in Brüssel fordern wird, das Defizit 2012 nicht auf 4,4%, sondern nur auf über 5% senken zu dürfen. Dass Spanien in die Rezession fällt, dient dafür als Vorwand. Denn auch die härteste Rezession hat Griechenland bislang nicht geholfen. Nun muss man sich aber nicht wundern, wenn Haushaltskommissar Janusz Lewandowski heute erklärte, dass es für Spanien sehr schwer werde, die Defizitziele einzuhalten. Er bescheinigte Spanien aber "Glaubwürdigkeit", das Land "passt sich an und verliert nicht die Zeit". Dass sei grundlegend dafür, "eine größere Toleranz und Flexibilität" zu erhalten.

Auch in Portugal geht man auch davon aus, dass man dem Land entgegenkommt. Dabei kann Lissabon auch auf Merkel bauen. Erst kürzlich hatte ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble gegenüber seinem Amtskollegen bekräftigt, dass es zu einer "Anpassung des portugiesischen Programms" kommen könne. Gegen alle Versicherungen, dass der Schuldenschnitt für Griechenland eine Ausnahme bleibe, bereitet man sich in Portugal längst darauf vor.

Wie Griechenland wird auch Portugal eine Nothilfe 2.0 brauchen. Indem nun die ohnehin absurden Defizitziele aufgeweicht werden, gibt man in Brüssel und Berlin zu, dass der harte Sparkurs das falsche Konzept war. Weil Portugal alle Brüsseler Sparauflagen erfüllt, ist das ausblutende Land nun bei der Staatsverschuldung auf den dritten Platz hinter Griechenland und Italien aufgerückt und liegt damit nun vor Belgien und Irland, womit ein Schuldenschnitt immer notwendiger wird.