Wirbel schon vor der Regierungsbildung in Spanien

Aus politischen Erwägungen grenzt die konservative Volkspartei linke Parteien aus

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Schon bevor das am 20. November neu gewählte spanische Parlament am Montag zur ersten Sitzung zusammentritt, gibt es heftigen Streit. Denn das neue Präsidium hat der fünfstärksten Gruppe im Parlament einen Fraktionsstatus verweigert. Mit der absoluten Mehrheit, welche die konservative Volkspartei (PP) erhielt, hat sie am Donnerstag im Präsidium verhindert, dass die sieben Parlamentarier der baskischen Linkskoalition "Amaiur" eine Fraktion bilden können, obwohl Amaiur die zweitstärkste Kraft im Baskenland ist.

Die Koalition hat am Freitag juristische Schritte dagegen angekündigt. Man könne nicht zulassen, dass "die Stimme der Basken von der PP im Parlament zum Schweigen" gebracht werde, sagte der Amaiur-Sprecher Xabier Mikel Errekondo. Der frühere Handballprofi fügte an, man werde mit oder ohne Fraktion mit gleicher Bestimmung und Stärke in die gleiche Richtung gehen, um die "Beziehungen zu den übrigen politischen Kräften zu normalisieren". Für Beobachter wird deutlich, dass die PP kaum zu Schritten bereit ist, um eine politische Normalisierung im Baskenland zu erreichen. Damit stellt die Übergabe der Regierung am kommenden Dienstag an den bisherigen Oppositionsführer Mariano Rajoy eine Hypothek für den Friedensprozess dar. Dabei wird der inzwischen auch aktiv von der EU-Kommission unterstützt.

Cecilia Malmström, die EU-Kommissarin für Innenpolitik, hatte letzte Woche erklärt, über die Friedensinitiative der Vermittlerkommission unter dem südafrikanischen Anwalt Brian Currin informiert zu sein. Malmström begrüßte auf Anfrage einer französischen Parlamentarierin "wärmstens" die Tatsache, dass die baskische Untergrundorganisation ETA den bewaffneten Kampf einstellen will. Malmström sagte, die Kommission werde "verstärkte Kräfte aufwenden, die auf die Entwaffnung zielen", nachdem die ETA erklärt hatte, die "Entwaffnung auf der Agenda der Verhandlungen" zu haben.

Statt die Normalisierung und den Friedensprozess mit Gesten zu fördern, wurde über eine bisher unbekannt starre und negative Auslegung der Statuten möglich, den Basken eine Fraktion zu verweigern. Ein Gutachten der Parlamentsjuristen hatte darauf verwiesen, dass Amaiur mit 14,87 Prozent in der Provinz Navarra die Schwelle von 15 Prozent verpasst habe. Da die Koalition in den übrigen Provinzen deutlich darüber liegt und in Gipuzkoa sogar mit 35 Prozent zur stärksten Kraft wurde, ist das eine merkwürdige Auslegung.

Die nun oppositionellen Sozialisten (PSOE) halten das Gutachten ohnehin für "wenig ernsthaft", da es nicht einmal Unterschriften trägt. Das PSOE-Präsidiumsmitglied Javier Barrero erklärte, es weise "Widersprüche" auf und komme zu "keinem definitiven Ergebnis". Der sozialistische baskische Regierungschef Patxi López ging noch weiter und sprach von einer "politischen Dummheit". Angesichts der Tatsache, dass die PSOE im Baskenland eingebrochen ist und gegen den übrigen Trend in Spanien auch die PP Stimmen eingebüßt hat, sprach López sogar von einem "Angriff" auf die Wahlergebnisse im Baskenland.

Anders als die kleine Partei UPyD, die sich aus Abtrünnigen der PSOE und PP bildete, versuchte Amaiur nicht mit Tricks zu arbeiten. UPyD erhielt nur knapp 4,7 Prozent der Stimmen. Damit war klar, dass ihr mit fünf Parlamentariern keine Fraktion zusteht, weil sie an der Hürde von fünf Prozent scheiterte. Doch die PP-Mehrheit im Präsidium ließ zu, dass sie sich mit dem Parlamentarier vom rechten Forum Asturias zusammentat. Nachdem die UPyD-Fraktion schließlich gebildet ist, wird dieser Parlamentarier die Fraktion wieder verlassen. Er wird dann mit Amaiur und anderen in einer ungewöhnlich großen "Gemischten Gruppe" mit 18 Parlamentariern sein.

UPyD hat schon stark an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Die Partei der Ex-Sozialistin Rosa Diez hatte versprochen, ohne "Mogeleien" zu arbeiten. Noch 2008 hatte Rosa Diez den Schachzug als "Pfusch" bezeichnet, als drei Linksparteien so zu einer Fraktion kamen. Dass die PP der UPyD dieses Vorgehen durchgehen lässt, liegt daran, dass man sich politisch sehr nahe steht. Gerade hatte die kleine Partei sogar das Verbot von Amaiur gefordert.

Doch es gab noch weitere Besonderheiten im Rahmen der Neuzusammensetzung des Parlaments. So hatte sich Cayo Lara, der Vorsitzende der Vereinten Linken (IU), beim Empfang bei König Juan Carlos am Donnerstag darüber beschwert, dass die drittstärkste politische Kraft in Spanien nicht im Parlamentspräsidium vertreten ist. Im deutschen Bundestag sind dagegen stets alle Parteien im Präsidium vertreten, die eine Fraktion bilden. In Spanien bildet die IU aber eine eigene Fraktion, schließlich konnte sie am 20. November sieben Prozent der Stimmen hinter sich bringen und hat damit sogar deutlich an Stimmen gewonnen.

Mit Blick auf die Demokratiebewegung erklärte Lara, "umso stärker auf der Straße mehr Demokratie gefordert wird, umso stärker werde sie im Kongress limitiert". Lara hat beim Staatschef erneut "Defizite im das spanische Wahlsystem" angeprangert. Würden die Sitze im Parlament proportional zu den Stimmen verteilt, hätte die IU nicht 11 sondern 25 Sitze erreicht. Brauchte die PP nur 58.000 Stimmen für einen Sitz, benötigte die IU dafür schon fast 153.000 Stimmen. Die PP hätten mit 44,6 Prozent der Stimmen auch keine absolute Mehrheit von mehr als 53 Prozent der Sitze. Statt der IU sind die konservativen katalanischen Nationalisten (CiU) aber im Präsidium, die ebenfalls näher an den Vorstellungen der PP liegen. CiU hat landesweit knapp 4,2 Prozent und damit 16 Sitze erhalten.