Sind wir alle Griechen?

Das Haushaltsdefizit explodiert auch in Deutschland und hat sich in einem Jahr versechsfacht

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Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte explodiert: In den Worten des Statistischen Bundesamts (Destatis) heißt das: "Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte sind gegenüber den ersten drei Quartalen 2008 um 7,9% auf 838,8 Milliarden Euro gestiegen. Die öffentlichen Einnahmen gingen dagegen um 2,4% auf 741,9 Milliarden Euro zurück." Das bedeutet, dass ein Loch von 96,9 Milliarden Euro in den Haushalten klafft. Wie dramatisch sich die Lage entwickelt hat, zeigt sich daran, dass im gleichen Vorjahreszeitraum ein Defizit von 17,2 Milliarden Euro erwirtschaftet wurde. Das bedeutet, dass sich das Defizit von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialkassen versechsfacht hat. Vor allem haben die Kosten für die Bankenrettung, die Konjunkturpakete und die Kurzarbeit das riesige Defizit produziert, was durch die Steuerausfälle wegen der schlechten Konjunktur noch vergrößert wurde.

Besonders kräftigt hat der Bund zugelangt. Dessen Defizit macht mit 49,2 Milliarden Euro sogar mehr als die Hälfte der Gesamtsumme aus. Die Länder sind mit 24,3 Milliarden Euro an dem Defizit beteiligt und die Gemeinden und Gemeindeverbände mit 6,7 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2008 verbuchten die Länder im gleichen Zeitraum noch einen Überschuss von 4,8 Milliarden Euro und die Kommunen von 5,6 Milliarden. Dazu kommt noch das Defizit der Sozialversicherung, das sich in den ersten drei Quartalen auf 16,6 Milliarden Euro erhöht hat, weshalb schon laut über die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge nachgedacht wird.

"Die Kreditmarktschulden der öffentlichen Haushalte erreichten zum 30. September 2009 den Stand von 1.601,4 Milliarden Euro", meldet Destatis. Dagegen nimmt sich die Verschuldung des Pleitekandidaten Griechenland mit 300 Milliarden Euro geradezu lächerlich aus. Die stark steigende Gesamtverschuldung macht nun schon etwa zwei Drittel der deutschen Wirtschaftsleistung aus. Das ist ein Wert, wie ihn auch Spanien aufweist, dessen Kreditwürdigkeit weiter sinkt.

Und die Schulden werden weiter steigen und wir nähern uns mit großen Schritten der Marke von zwei Billionen Euro. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet für 2009 insgesamt mit dem Rekorddefizit von etwa 114 Milliarden Euro. "2010 dürfte dann sogar etwa 144 Milliarden Euro neue Schulden angehäuft werden", sagte IfW-Experte Alfred Boss zu Reuters. Als Grund dafür werden nicht nur die Folgen der Rezession genannt, sondern auch das, was die schwarz-gelbe Regierung "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" nennt. Sogar der CDU-Bundestagspräsident Norbert Lammert hält es für groben Unfug, auch wenn er das natürlich anders formuliert: "Aber in dieses Gesetz sind neben manchen sinnvollen auch manche zweifelhafte und einige, wie ich finde, schlicht misslungene, auch nicht vertretbare Regelungen hereingekommen."

Dieses dritte Konjunkturpaket hält Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, in großen Teilen "nicht nur nicht förderlich, sondern es hat sogar negative Wirkungen". Dabei nennt er vor allem die Steuergeschenke an die Hoteliers. Dieses Gesetz zeichne sich vor allem durch Originalität des Titels aus, "im Inhalt ist vielleicht ein Viertel hilfreich".

Nun handelt die FDP also streng nach dem Grundsatz Adenauers: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?" Noch in der Opposition bezeichnete der FDP-Chef Guido Westerwelle das Konjunkturpaket II ein "Sammelsurium an Maßnahmen". Das "Schlimme" sei, "dass es schnell verpufft, aber die Schulden bleiben". Von der damals angesprochenen Generationengerechtigkeit will er heute wohl auch nichts mehr wissen. Im Januar 2009 meinte er noch, dass mit den steigenden Schulden die Zukunft und der "Spielraum für einen echten Neuanfang", verbaut werden. Diesen Effekt verstärken er und seine FDP, gemeinsam mit der Union, nun noch deutlich.