"Es ist überhaupt nicht vorbei, noch lange nicht!"

Die Unglücks-Quelle im Golf von Mexiko ist geschlossen. Jetzt kommt das lange Nachspiel

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Die Operation "Bottom Kill" - "Cement injected into the annulus" - war erfolgreich. "Die Quelle ist endlich tot", erklärte der Nationaler-Zwischenfall-Kommandeur Admiral Thad Allen gestern. Behörden dürften von BP zwar noch eine Reihe kleinerer Verschlussaktionen erwarten, wie die britische Zeitung Telegraph berichtet, doch Gefahren würden laut Thad Allen von der Macondo-Quelle im Golf von Mexiko nicht mehr drohen.

Für die große internationale Öffentlichkeit dürfte der Vorhang zum Thema "Ölpest im Golf" damit erstmal gefallen sein. Die empörten Proteste von Betroffenen - "Es ist überhaupt nicht vorbei, noch lange nicht!", z.B. in Fourchon Beach, wo nach Augenzeugenberichten viel Öl unter einer dünnen Sandschicht verborgen ist, schaffen es nicht mehr in die Top-News. Auch nicht die einzelnen Schicksale solcher Geschäftsleute, die vom Meer leben und durch den Deepwater-Horizon-Unfall zum Teil schwer geschädigt wurden. Die Aussagen einzelner Betroffener deuten an, dass die bisherige Entschädigung durch BP öfter weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Ob sich das durch die Klagen vor Gericht ändern wird, ist fraglich.

Vergangene Woche hat US-Richter Carl Barbier mit der ersten Anhörung den Verhandlungsmarathon eröffnet, Hunderte von Klagen liegen vor. Doch allein der fortwährende Streit zwischen der Ölplattform-Betreiberfirma Transocean und BP darüber, wer welche Verantwortung für die Ölpest trägt, zeigt an, wie verzwickt die Schadensersatzabwicklung verlaufen wird. Das Beispiel des juristischen Nachspiels zum Exxon-Valdez-Unglück, wo die Schadenersatzsumme nach jahrelang sich hinziehenden Verhandlungen etwa um die Hälfte gekürzt wurde und viele Kläger noch immer auf ihren Anteil warten, verheißt für die Geschädigten wenig Gutes.

Was die Nachrichten über die ökologischen Schäden angeht, so ist auch hier die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass sie meist in Nischen-Publikationen bzw. in wissenschaftlichen Veröffentlichungen besprochen und nicht groß wahrgenommen werden. Das ist aber auch abhängig davon, welche Öffentlichkeit dem Prozess über die Sammelklagen zukommt.

Zuletzt hatten es zwei Nachrichten noch einmal geschafft, international verbreitet zu werden. Zum einen die Meldung, wonach das Öl möglicherweise doch nicht in den großen Mengen mehr oder weniger spurlos verschwunden ist, wie dies bisweilen interpretiert wurde, sondern zu größeren Teilen am Meeresboden lagert. Andere Wisssenschaftler widersprechen jedoch den Einschätzungen der Ozeanografin Samantha Joye, die von Anfang an gegen euphemistische Meldungen über das "verschwundene Öl" opponierte. Nun vermutet sie aufgrund von entnommenen Proben "überraschend viel" Öl am Meeresboden und schließt daraus bedenkliche Auswirkungen auf den Lebensraum in der Tiefe.

Eine zweite spektakuläre Nachricht, die mit der Ölpest im Golf verbunden wurde, schockierte mit Bildern von Abertausenden toter Fische in einem Flussarm des Missipissipi. Während manche das ausgelaufene Öl im Golf von Mexiko für das Massensterben verantwortlich machten, weisen Behörden darauf hin, dass dieses Phänomen nicht zum ersten Mal beobachtet werde und vielmehr den sauerstoffarmen Zonen zu verdanken sei als dem Öl. Inwieweit sich aber die Ölpest auf die sauerstoffarmen Zonen im Mündungsgebiet des Missipissipi ausgewirkt haben könnte, dafür gibt es noch keine Antwort.

Gespannt sein darf man auch darauf, wie lange die mächtige Öl-Lobby brauchen wird, bis sie wieder in größerer Tiefe auch im Golf bohren kann. Dass die gigantische Ölkatastrophe in der Öffentlichkeit zuletzt immer harmloser dargestellt wurde, dürfte jedenfalls ihr Schaden nicht sein.