Abstrampeln im Graubereich

Wann muss ein Arbeitnehmer für den Chef erreichbar sein? Von der Leyen fordert "glasklare Regeln"

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Die Betriebsamkeit schätzt keine Pausen. Das hat auch mit Einstellungen zu tun, die den Wert der Arbeit derart hochschätzen, dass es keinen Gott daneben geben kann. Herauszulesen ist die hohe Wertschätzung von Arbeit und Fleiß nicht nur an der Betonung der Leistungsbereitschaft allerorten – etwa beim Spazierengehen am Flussufer, wo man von zweispurig laufenden Joggern überholt wird. Im TV zieht sich das von Heidi Klum - "Du musst dich anstrengen" - bis zu den Fußballkritikern („fauler wundgelegener Stürmer“) durch. Wie hoch Anstrengung in dem propagierten Weltbild angesiedelt ist, zeigt sich auch in kleineren Kommentaren, etwa zu den Überstunden der deutschen Arbeitnehmer und was sie mit dem Freizeitausgleich machen, nämlich "abbummeln" ( Einsatz und Sporen geben!).

In diesem Milieu ist es kein Wunder, dass es im Arbeitsleben „die stillschweigende Erwartung, rund um die Uhr erreichbar zu sein“ gibt, wie dies ein Anwalt der Faz gegenüber äußert. Dort wird auch die Frage angesprochen, ab wann das Mail zur Arbeit wird. Erst mit der Antwort? Oder schon damit, dass man erreichbar ist? Ausdrückliche Regelungen seien selten, heißt es im Bericht der FAZ. Arbeitsrechtlich sei das Thema der Nutzung von Smartphones noch "ein Graubereich": "Zu neu ist die Technik, als dass das Bundesarbeitsgericht schon eine gefestigte Rechtsprechung dazu entwickelt hätte."

Die zuständige Arbeitsministerin von der Leyen fordert nun klare Regeln, wenn es um die Erreichbarkeit von Arbeitnehmern geht. Für von der Leyen, die mit dieser Forderung in einem auflagestarken Medium mit Hang zu knalligen Worten zitiert wird, ist der angesprochene Graubereich erstmal keiner:

"Auch das Arbeitsschutzgesetz verlangt mit seinem knallharten Strafenkatalog von jedem Chef, dass er Körper und Geist seiner Mitarbeiter aktiv schützt – werktags genauso wie am Wochenende. In der Praxis heißt das zum Beispiel: glasklare Regeln, zu welchen Uhrzeiten muss ich erreichbar sein und wann bekomme ich dafür meinen Ruheausgleich. Wann muss ich Mails checken und wann ist es okay, dass ich mich später darum kümmere. Die Technik ist kein Problem für die Gesundheit, wir müssen nur lernen, vernünftig damit umzugehen!"

Die Frage, wo sich dann der Graubereich wieder öffnet, wäre, ob solche Regeln auch eingehalten würden? Nicht nur von Arbeitgebern, sondern auch von Arbeitnehmern, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben.