Widerstand gegen spanisches Atomlager formiert sich schnell

Im zentralspanischen Kastilien-La Mancha soll der Atommüll gelagert werden

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Umweltschützer kündigen massiven Widerstand gegen die Entscheidung an, Zentralspanien zum "Atomfriedhof" zu machen. Die neue Regierung der konservativen Volkspartei (PP) hatte zum Jahreswechsel entschieden, in Kastilien-La Mancha das "Zentrale Zwischenlager" (ATC) zu errichten. Dort spielt das berühmte Werk von Cervantes und ritt einst Don Quijote gegen Windmühlen. In dem tristen 436-Seelen-Dorf Villar de Cañas soll nun das oberirdische Lager in der Provinz Cuenca gebaut werden.

Im Dorf, etwa 130 Kilometer südlich der Hauptstadt Madrid, wurde die Entscheidung von der Mehrheit der Bürger gefeiert. Viele hoffen, dass die sterbende Gemeinde nun eine Zukunft erhält. Insgesamt sollen 700 Millionen Euro in das Lager verbaut werden. Bürgermeister José María Sáiz spricht davon, dass 1000 Arbeitsplätze entstehen. Tatsächlich sollen aber beim Bau nur 300 bis 500 Stellen in der Bauphase geschaffen werden, meint die Baufirma Enresa. Sie erwartet, dass der Bau in fünf Jahren realisiert werden kann. Doch Sáiz hofft, dass zu den 300 Stellen auf der Baustelle 700 indirekte Stellen kommen. In der schweren Wirtschaftskrise hätten viele Einwohner die Ortschaft verlassen. Allerdings liegt in Cuenca die Arbeitslosenquote mit knapp 20 Prozent unter dem Landesdurchschnitt von 23 Prozent.

Schon jetzt gibt es Proteste. Sofort nach der Entscheidung haben sich spontan 150 Menschen in der Stadt Cuenca versammelt, das gut 70 Kilometer entfernt vom Dorf liegt. Am Mittwoch wird sich eine Plattform aus 38 Umweltverbänden, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Landwirtschaftsverbänden treffen, um einen Kalender mit Protesten und Demonstrationen auszuarbeiten. Sie erinnern an die einstimmige Entscheidung des Regionalparlaments, wonach das Projekt einen Konsens in der Region benötigt. Das Regionalparlament hatte 2010 die Ansiedelung eines Atomlagers in Kastilien-La Mancha abgelehnt. Bürgermeister im Umfeld von Villar de Cañas haben gemeinsam ihre "energischste Ablehnung" des Atomlagers verkündet. Sie kündigten juristisch Schritte an, um das Projekt zu stoppen.

Technische Studien der sozialistischen Vorgängerregierung waren zum Schluss gekommen, dass das Dorf Zarra in Valencia am geeignetsten für das ATC sei. Das hat zwar nichts damit zu tun, dass die Arbeitslosigkeit dort mit fast 26 Prozent deutlich höher liegt, sondern vor allem mit der Lage. Zarra liegt nur 12 Kilometer entfernt vom Atomkraftwerk Cofrentes und auch deutlich näher an den beiden Atomkraftwerken im katalanischen Ascó und Vandellós, so dass Transporte reduziert werden können.

Zarra liegt auch deutlich näher an Häfen. Schließlich muss hochradioaktiver Müll nicht nur aus Atomkraftwerken herangeschafft werden, sondern vor allem auch aus Frankreich. Über 20 Jahre lang wurden bis 1994 Brennstäbe zur Wiederaufarbeitung dorthin verschickt, wofür 250 Millionen Euro gezahlt werden mussten. Vereinbart worden war, dass Spanien den Müll bis Ende 2010 zurückholt. Da es der Rückholungsverpflichtung nicht nachgekommen ist, werden täglich Strafzahlungen von 60.000 Euro fällig, was sich 2011 auf etwa 22 Millionen Euro für die Steuerzahler summiert hat. Doch in Zarra wurde zu großer Widerstand gegen das ATC erwartet, weil hier der Bürgermeister in reichlich dubiose Vorgänge verwickelt und wegen Korruption und Betrug angeklagt ist.

Die Umweltschützer sprechen von einer rein "politischen und unerklärlichen Entscheidung"

Die Umweltorganisation Greenpeace kritisiert, dass mit dem Bau des Zentrallagers unnütz und gefährlich Atommüll durch das ganze Land gekarrt werden muss. Zudem werde die Atomindustrie erneut mit Steuergeldern subventioniert. Raquel Montón rechnet vor, dass dezentrale Zwischenlagerung an den Atomkraftwerken viel billiger kommen würde, da vor allem Transporte wegfallen würden. Insgesamt werden für den Bau, Transport und Lagerung für das ATC sogar offiziell etwa zwei Milliarden Euro veranschlagt. "Es ist 20 Mal teurer, ein zentrales Lager zu bauen, statt eine dezentrale Lagerung an den Atomkraftwerken zu verwirklichen", sagte die Greenpeace-Sprecherin.

Die Nutznießer des ATC seien die Stromkonzerne, die von der "Verschwendung" der Steuergelder profitierten, denn die müssten sich mit dem ATC nicht mehr um ihren Atommüll kümmern. In Zeiten, wo es "harte Einschnitte" ins Sozialsystem gäbe, sei das Projekt mehr als unsinnig. Die Atomkraftgegner gehen davon aus, dass mit der Standortentscheidung eine Verlängerung der Laufzeiten für Atommeiler ins Haus steht und sogar der altersschwache Meiler in Santa Maria de Garoña nicht 2013 vom Netz geht. Er ist baugleich mit denen, die in Japan im vergangenen März verunglückt waren und schon seit mehr als 40 Jahren am Netz sind. Entgegen ihrem Ausstiegsversprechen hatten 2009 die Sozialisten die Laufzeit des Reaktors auf 2013 verlängert.