Keine Abhängigkeit von Frankreich

Viel Stromtransit in die Schweiz und nach Italien. Neuer Rekord beim Solar-Zubau. Fotovoltaik überholt Windkraft

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Anfang der 1990er Jahre haben noch die großen Stromkonzerne behauptet, Sonne, Wind und Wasser könnten nicht mehr als vier Prozent des deutschen Strombedarfs decken. Das war schon damals für jeden, der sich ein wenig auskannte, eine leicht zu durchschauende Lüge. Schließlich kann dieser Anteil ja schon fast von den bestehenden Wasserkraftwerken gedeckt werden. Als aber vor ein paar Jahren auch dem Letzten klar wurde, dass die Erneuerbaren die Spielwiese verlassen und zu einer echten Alternative geworden sind, musste ein neues Holzhammer-Argument her: die Abhängigkeit von der Atomkraft. Mit dem Abschalten der AKWs mache sich Deutschland von tschechischen und französischen Atomkraftwerken abhängig, hieß es im Frühjahr 2011, als Merkel ihre Kehre vollzog, dem öffentlichen Druck nachgab und zumindest neun meist kleinere AKWs stilllegen ließ. "Deutschland hängt am französischen Stromtropf", titelte der Focus im September 2011.

Auch diese Behauptung wurde inzwischen in das Reich der Märchen verbannt. Spätestens mit den Zahlen über den Stromexport im vergangenen Jahr, der so groß wie nie war (siehe AKW Gundremmingen überflüssig). Das Freiburger Ökoinstitut hat sich nun im Auftrag von Greenpeace in einer Studie mit den grenzüberschreitenden Stromflüssen beschäftigt, um der Sache noch einmal fundiert auf den Grund zu gehen.

Das Ergebnis fiel erwartungsgemäß aus: Bereits 2011 wurde der wegfallende AKW-Strom zu zwei Dritteln vom Wachstum der Erneuerbaren und zu einem Drittel durch die zeitweilige Verminderung des Exportüberschusses wettgemacht. Aus Frankreich wurde 2011 zwar etwas mehr Strom bezogen, allerdings machte diese Menge nur ein Prozent des deutschen Bedarfs aus. Eine damit verbundene Steigerung der Stromproduktion lässt sich nicht nachweisen. Ansonsten gibt es eine erhebliche Diskrepanz zwischen den physikalischen Flüssen und dem gehandelten Strom. Nach Deutschland fließt aus Frankreich regelmäßig erheblich mehr Strom als gekauft wird. Es handelt sich meist um einen Transit in die Schweiz oder über Deutschland und die Schweiz nach Italien.

Bisher hat Deutschland übrigens im Winter zu Zeiten hohen heimischen Bedarfs mehr exportiert und im Sommer eher importiert. Das zeige, so die Autorin der Studie, dass Deutschland durchaus genug eigene Kapazitäten hat. Im Sommer sei aber zum einen das Angebot an Strom aus Wasserkraft wegen der Schneeschmelze in den Alpen besonders groß und günstig. Zum anderen bieten die französischen AKW-Betreiber ihren Strom wie Sauerbier an, weil sie ihre Meiler trotz der geringeren inländischen Nachfrage nicht runterfahren wollen.

Zukünftig dürften sie damit allerdings ein Problem bekommen, weil in Deutschland nun zu dieser Zeit besonders viel Solarstrom eingespeist wird. Die Netzagentur hat gerade die neuesten Zahlen veröffentlicht. Demnach wurden im vergangenen Jahr 7,6 Gigawatt neuer Solarleistung installiert, was ein Rekordzuwachs war. Insgesamt sind inzwischen 32,4 GW Solarleistung installiert, womit die Fotovoltaik die Windkraft knapp überholt hätte. Aufgrund des starken Zuwachses werden die Vergütungen für Neuanlagen bis April zum Monatsanfang jeweils um 2,2 Prozent gekürzt.