US-Luftwaffe im Geheimhaltungsfieber für WikiLeaks-Informationen

Selbst Familienmitgliedern wurde vorübergehend mit einer Anklage wegen Spionage gedroht, sollten sie auf ihren privaten Rechnern auf WikiLeaks zugreifen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ein wenig amüsiert kann man beobachten, wie manche US-Behörden versuchen, ihre Angestellten daran zu hindern, auf die von WikiLeaks veröffentlichte Depeschen des Außenministeriums zuzugreifen, weil sie trotz Veröffentlichung im Netz und bei Medien wie der New York Times, dem Guardian, dem Spiegel und mittlerweile weiteren Publikationen offiziell geheim sind.

Es ist eine absurde Reaktion, die Geheimhaltung von Dokumenten, die von jedem eingesehen werden können, der über eine Internetverbindung verfügt, ausgerechnet bei den eigenen Leuten durchzusetzen. Die einst von den USA gegenüber dem Ostblock und neuerdings gegenüber China ausgegebene Parole, dass ein freier Informationsfluss gewährleistet sein müsse, kehrt sich hier ins Gegenteil um, wenn eigene Interessen berührt sind.

Anfang Dezember wurde der Zugang zu WikiLeaks für alle Mitarbeiter von US-Regierungsbehörden gesperrt. Die US-Luftwaffe ließ den Zugang zu mehreren Websites von Pentagon-Rechnern sperren, angeblich auch den zu einigen Websites von Medien, die WikiLeaks beim Scoop unterstützt haben. Schon im August gab es nach der Veröffentlichung der Afghanistan-Dokumente eine Anweisung des Pentagon, dass die Soldaten nicht auf die WikiLeaks-Website zugreifen und dort Dokumente herunterladen dürfen.

Wie ein Schreiben des Air Force Materiel Command (AFMC) vom 3. Februar zeigt, das von der Federation of American Scientists veröffentlicht wurde, sollten die Soldaten auch weiterhin nicht nur von Pentagon-Rechnern, sondern auch von ihren privaten Computern aus nicht auf WikiLeaks-Material zugreifen und mit den dort veröffentlichten Dokumenten wie mit anderen geheimen umgehen. Die Argumentation, warum für alle Welt öffentliche Dokumente weiterhin als geheim gehandhabt werden sollen, ist interessant: "Als geheim eingestufte Informationen werden nicht automatisch in Folge einer unautorisierten Veröffentlichung zu nicht mehr geheim eingestuften. Der Zugang zur WikiLeaks-Website würde potenziell als geheim eingestufte Informationen auf nicht unter Geheimhaltung stehende Netzwerke einführen." Zwar sind die Informationen öffentlich, aber sie wurden nicht frei gegeben, weswegen die Regierungsangestellten nicht zu dem offen Vorliegenden hinschauen dürfen bzw. wegschauen müssen.

Bestätigt wurde auch noch einmal, dass nicht nur WikiLeaks, sondern auch andere Websites, die geheime Informationen veröffentlichen, für Rechner der USAF blockiert werden. Nach der Rechtsabteilung des Air Force Materiel Command sei es für zivile oder militärische Angestellte der Luftwaffe auch nicht erlaubt, auf ihren privaten Computern auf WikiLeaks zuzugreifen. Wer dies macht, müsse mit einer Anklage wegen Spionage rechnen. Dasselbe treffe auch für Familienmitglieder zu.

Das war harter Tobak, den die Rechtsabteilung hier ausgebrütet hat, um diensteifrig den Bann über WikiLeaks mit schweren Strafandrohungen zu stärken. Offenbar gab es hier doch auch Widerstand innerhalb des Pentagon. Jedenfalls wurde bereits am 7. Februar die obige Mitteilung entfernt und erklärt, dass die Geheimhaltungsvorkehrungen nicht auf Familienmitglieder Anwendung finden, sofern sie nicht selbst bei der Luftwaffe angestellt sind. Für alle nichtmilitärischen Angelegenheiten sei das Justizministerium zuständig.