Experten fordern schnellstmögliche Rückholung des Atommülls aus der Asse

Zwei Atomkraftbefürworter nutzen eine Anhörung im Umweltausschuss dagegen für eine peinliche Selbstdarstellung

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Selten waren sich Opposition und Regierung beim Umgang mit Atommüll so einig wie aktuell in der Frage, wie mit dem Müll in der maroden Asse umgegangen werden soll. Gemeinsam mit SPD und Grünen hat die Koalition einen Gesetzentwurf erstellt, mit dem die Rückholung des Atommülls aus dem unterirdischen Lager beschleunigt werden soll. Dafür sollen, unter Beachtung des Strahlenschutzes, Ausnahmen von Strahlenschutzvorschriften möglich sein - denn die Zeit drängt, und ob eine Rückholung des strahlenden Mülls aus dem absaufenden Bergwerk überhaupt möglich ist, ist nach wie vor unsicher.

Bei den geladenen Sachverständigen im Umweltausschuss, die zu dem parteiübergreifenden Gesetzentwurf Stellung nahmen, herrscht große Zufriedenheit. Sowohl der Asse II-Koordinationskreis, in dem sich Bürgerinitiativen und Umweltgruppen zusammengetan haben als auch das Bundesamt für Strahlenschutz und der Umweltdezernent des Landkreises Wolfenbüttel, Claus-Jürgen Schillmann, halten die Rückholung der Abfälle für eine richtige Entscheidung. Für Schillmann ist dies die "einzig wirksame Sanierungsmaßnahme", unverantwortlich sei dabei lediglich, wie mit der Zeit umgegangen werde.

Auch Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit, der bereits im Auftrag von Greenpeace tätig war, hält den Gesetzentwurf für gelungen. Der Entwurf sei "juristisch sauber" und praktisch alternativlos. Kritisch sieht er lediglich, dass laut dem Entwurf die Stilllegung der Asse lediglich "vorzugsweise" nach einer Rückholung des Atommülls erfolgen soll. Diese Formulierung impliziere einen Ermessensspielraum. Wollenteit und der Asse-Koordinationskreis sprechen sich daher dafür aus, diese Formulierung zu streichen.

Gegen die Rückholung des Atommülls spricht sich keiner der geladenen Sachverständigen aus. Dafür rufen sich zwei schon fast in Vergessenheit geratene Atomkraftfreunde mit unverlangt eingesandten Stellungnahmen an den Umweltausschuss ins Gedächtnis. So schreibt Dr. Ludwig Lindner von "Bürger für Technik", einer als Bürgerinitiative getarnten Lobbyorganisation, die Rückholung der Fässer könne ohnehin wegen technischer Schwierigkeiten erst 2036 geborgen werden. Zudem sei die Rückholung auch nicht nötig, weil die Radioaktivität des Abfalls in der Asse niedriger sei als die natürliche Radioaktivität im Asseberg. Die Salzlauge aus der Asse sei unbedenklich und könne direkt in der Nordsee entsorgt werden.

Rückendeckung erhält Lindner von Dr. Hermann Hinsch in seiner Stellungnahme. Würde einmal Radioaktivität der Abfälle "nach oben kommen", dann sei das nur eine "unbedeutende Beimischung zur natürlichen". "Strahlenhysterikern" empfiehlt er, Abstand zu seinen Mitmenschen zu halten, diese strahlten ebenfalls mit 8000 Becquerel. Selbst den Atomfreunden fällt es augenscheinlich schwer, das Debakel in der Asse klein zu reden.