Kernschmelze für die Renaissance der Atomkraft

An den Börsen werden vor allem die Firmen abgestraft, die mit der Atomenergie in Verbindung stehen

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Die Kernschmelze, die sich in den Reaktoren des japanischen Atomkraftwerks Fukushima wohl längst ereignet, findet ihre Fortsetzung an der Börse. Solange sich die Anleger am Montag noch teilweise durch Vertuschung von der Realität ablenken ließen – die Börse in Tokio ging nur 6,2% in die Knie –, setzt nun schlicht Panik in der drittgrößten Ökonomie der Welt ein. Am Dienstag brach die Börse in Tokio sogar um gut 10,5 % ein. Der Nikkei-225-Index stürzte auf 8605,15 Punkte ab und verzeichnete am Dienstag den stärksten Kursverlust seit Oktober 2008. Zwischenzeitlich lag der Leitindex in Tokio sogar fast 15% im Minus.

Dabei schlägt sich in diesem enormen Kurssturz noch nicht nieder, dass nun nach Block 1 und 3 auch der Block 2 explodiert ist und dabei wohl der Sicherheitsbehälter zerstört wurde. Nun ist die Lage sogar nach Angaben der Betreiberfirma "sehr schlimm". Da Tepco aber bisher vor allem dadurch aufgefallen ist, die Lage schönzureden und zu verschleiern, darf nun davor ausgegangen werden, dass nun das Schlimmste bevorsteht ( Out of Control?). Die Lage gleitet den Betreibern, die sogar ihre Mitarbeiter schon weitgehend evakuiert haben, immer deutlicher aus der Hand. Ein Brand ist sogar in Block 4 ausgebrochen, der eigentlich abgeschaltet war. Das bedeutet, dass es sogar schon zu Reaktionen in den Abklingbecken kommt, weil auch dort die Kühlung nicht mehr ausreicht.

Da in Block 3 auch spezielle MOX-Brennstäbe eingesetzt wurden, die hochgiftiges Plutonium enthalten, ist nun nicht mehr nur mit einer Verstrahlung wie in Tschernobyl zu rechnen, sondern auch damit, dass hochgiftige Stoffen wie Plutonium freigesetzt werden und damit droht dem betroffenen Gebiet sogar eine langfristige Verstrahlung. Was das für eine Volkswirtschaft wie Japan bedeut, kann man sich bisher nicht einmal ausmalen, angesichts der Tatsache, dass sogar die Hauptstadt Tokio betroffen sein könnte, auf die sich schon eine Atomwolke zu bewegt. Die Millionenstadt befindet sich sogar im 250 Kilometer Radius um das Atomkraftwerk mit 6 Blöcken, eine Zone also, die im Fall eines Super-GAUs eigentlich evakuiert werden müsste.

Vor allem stürzen, nicht nur in Japan, die Kurse von Firmen, die in der Atomindustrie tätig sind. So gingen die Aktien von Hitachi fast 8% in die Knie und die Aktien des weltweit größten Uran-Förderers, Energy Resources of Australia, fielen sogar fast um 9%. Was mit den Papieren von Tepco passiert wäre, wenn sie nicht bei einem Verlust von fast 24% aus dem Handel genommen worden wären, kann man sich nur ausmalen. Die Tatsache, dass die Börse in Tokio schon am Montag 200 Milliarden Euro an Börsenwert verloren hat, macht die finstere Zukunft für das ohnehin von Deflation, Überschuldung und strukturellen Problemen gebeutelte Japan deutlich. Schließlich kommen zu den hohen Kosten für die Schäden des Erdbebens und des Tsunami nun auch noch die Kosten für die Atomkatastrophe hinzu. Die werden, anders als die Gewinne, üblicherweise ja auch stets auf die Steuerzahler abgewälzt.

Die finanzielle Kernschmelze der Atomunternehmen setzt sich nun auch an den Börsen weltweit fort. Hatten die Kurse in Europa und in den USA am Montag nur mäßig nachgegeben, so wird für heute ein massiver Kurssturz erwartet. Der Finanz-Tsunami aus Japan hat nun definitiv mit der Kernschmelze in Fukushima die Börsen in Europa erreicht. Alle Märkte sind am Dienstag mit schweren Verlusten in den Tag gestartet. Derzeit steht der DAX in Frankfurt um fast 5% im Minus. Aktien von Atomstromherstellern, wie E.ON und RWE gehen über um 7% in die Knie. Dabei mussten sie schon am Montag um etwa 5% nachgegeben.

Schon das wachsweiche Moratorium zur Laufzeitverlängerung, dass Bundeskanzlerin Merkel wahltaktisch angekündigt hat, lässt die Anleger nun davon ausgehen, dass die Zeit abzulaufen droht, in der mit gefährlichen Atomanlagen, vor allem längst abgeschriebene Altanlagen, reichlich Geld gescheffelt werden darf.

An den Börsen stellt man sich nun auch offensichtlich darauf ein, dass aus der Renaissance der Atomkraft, die vor allem von Frankreich vorangetrieben wurde, nichts wird. Sie stolpert ohnehin schon lange über massive Probleme beim Bau neuer Reaktoren und über explodierende Kosten, und sie dürfte mit den Vorgängen in Japan nun definitiv zu Fall kommen. Dass Sarkozy sogar seinen neuen EPR an Libyen verkaufen wollte, lässt einen angesichts des Bürgerkriegs dort ebenfalls erschaudern.

Profitieren von der Entwicklung können an den Börsen die Kurse von Herstellern von Ökostrom-Anlagen. Die Börsenkurse von Herstellern von Windkraft- und Solaranlagen gingen zum Teil fast 20% in die Höhe und verhinderten in Frankfurt am Montag einen massiven allgemeinen Kurssturz.