Märkte empfangen die Rechtsregierung in Portugal frostig

Seit dem Wahlsieg der Konservativen geht die Börse in Lissabon tief in den Keller

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Der Rechtsruck in Portugal am vergangenen Sonntag hat die Märkte in Portugal in eine sehr schlechte Stimmung versetzt. Das kann man nach fünf Börsentagen einfach konstatieren. Schon am Tag nach dem Sieg der "Sozialdemokratischen Partei" (PSD) brach der Börsenindex PSI in Lissabon um gut 1% ein und haben die Christdemokraten frostig empfangen. Zwar gab es am Dienstag nur leichte Verluste und damit ein Aufatmen beim Wahlsieger Pedro Passos Coelho, doch am Mittwoch brach der PSI sogar um 1,71% ein.

Am Donnerstag kam es dann in Lissabon zu einer leichten technischen Erholung. Von Gewinnen an den übrigen europäischen Börsen gezogen legte der PSI 0,3% zu. Doch am Freitag ging es dann auf dem Lissabonner Parkett wieder richtig bergab. Der PSI verlor erneut mehr als 1,6%. Schaut man sich die Wochenübersicht an, zeigt sich der Absackkurs seit den Wahlen deutlich. Am Sonntag stand der PSI auf 7.611 Punkten und nun ist er schon auf 7291 Punkte gestürzt. Man muss zu den schweren Kurseinbrüchen Anfang Januar zurückgehen, als der PSI am 10. Januar auf 7286 Punkte fiel, oder bis in den Sommer 2010, um niedrigere Kurse zu finden.

Damit wird mehr als deutlich, dass man an den Märkten große Zweifel hat, ob die Regierung unter dem Manager und Wirtschaftswissenschaftler Coelho die gravierenden Probleme in den Griff bekommen kann. Der designierte Ministerpräsident hat schon im Laufe der Woche versucht gegenzusteuern. Er zeigte Handlungsfähigkeit bei der Regierungsbildung und kündigte nach den schweren Verlusten der Börse am Mittwoch eilig an, in einer "Rekordzeit" die Koalition mit dem rechtspopulistischen Koalitionspartner "Demokratisches und Soziales Zentrum - Volkspartei" (CDS-PP) zu schmieden. Auch Präsident Aníbal Cavaco Silva drängt auf eine schnelle Regierungsbildung, um Reformen umzusetzen. Er will Coelho sogar vor dem EU-Gipfel am 23. Juni als Regierungschef vereidigen. Nun wird schon das Datum 20. Juni gehandelt, damit Coelho am EU-Gipfel teilnehmen kann und dafür ist Silva sogar bereit, die üblichen Fristen nicht einzuhalten.

Den Forderungen der rechtspopulistischen CDS-PP zur Bildung einer Koalitionsregierung ist Coelho schon weit entgegen gekommen. Er kündigte nun eine noch schärfere Austeritätspolitik an. In Richtung der Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission, mit der die großen Parteien für die Nothilfe von 78 Milliarden Euro schon vor den Wahlen einen harten Sparkurs vereinbart hatten, erklärte er: "Ich glaube, wir sind zu einer Überraschungen über die Vereinbarungen hinaus in der Lage." Coelho meint, anders als Griechenland werde Portugal mit Taten anstatt mit Worten glänzen. Diese Ankündigungen der unternehmerfreundlichen Regierung sollten die Märkte beruhigen, was gründlich schief ging. Allen in Portugal ist klar, dass der Alptraum nun erst richtig beginnt, wie auch die Tageszeitung "Público" in der vergangenen Woche titelte. Denn bei den Wahlen sei nur entschieden worden, wer "das superstrenge, von außen auferlegte Sparprogramm exekutiert."

Die Ankündigung, noch heftiger zu sparen, wird an der Börse in Lissabon eher als Drohung aufgefasst. Schon die Sozialisten (PS) des Wahlverlierers Jose Socrates (PS) haben das Land zurück in die Rezession gespart. Die europäische Statistikbehörde Eurostat bestätigte am Mittwoch, dass Portugals Wirtschaft im ersten Quartal 2011 um 0,7% geschrumpft ist. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank schon im Vorquartal um 0,6%. Das Land findet dabei in schlechter Gesellschaft mit Griechenland und Irland, aber auch mit Dänemark. Schon über die Vorgaben der Troika droht die Konjunktur, wie in Griechenland, tief zu stürzen. Die Wirtschaftsleistung der Hellenen verringerte sich 2010 um 4,5%. Experten gehen davon aus, dass der Sparkurs das Land auch 2011 wieder etwa 4,5% Wirtschaftsleistung kosten wird.

Das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen, wie Coelho nach seinem Wahlsieg angekündigt hat, wird er aber kaum schaffen, wenn er sich auf den griechischen Weg macht. Portugal droht dann ebenfalls, in ein Fass ohne Boden verwandelt zu werden, weil mit dem verstärkten Sparkurs die Steuern weiter einbrechen, aber die Zinslast und die Sozialkosten steigen. In Griechenland ist inzwischen klar, dass das Land mindestens weitere 100 Milliarden Euro braucht. Stabilisierung sieht anders aus. Die Börse in Lissabon schließt sich der Kritik von Finanzexperten am harten Sparkurs an, die den Pleiteländern aufgezwungen wird.

Dazu kommt in Portugal die Verunsicherung, dass die Zustimmung für den Kurs der Konservativen angesichts der Rekordwahlabstinenz von mehr als 41% nicht so hoch ist, wie es ihre absolute Mehrheit im Parlament suggeriert. Denn sieben von zehn Portugiesen haben die neue Regierung nicht gewählt. Erwartet wird, dass nun soziale Konflikte deutlich zunehmen, was die Konjunktur weiter belasten wird. Dafür werden schon geplante Privatisierungen und Entlassungen im öffentlichen Dienst sorgen. Schon gegen den bisherigen Kurs der Sozialisten gab es Generalstreiks und starke Proteste, doch die werden von den Gewerkschaften üblicherweise mit sanfteren Handschuhen angefasst. Der konservative Coelho wird auf massiveren Widerstand stoßen. Ob er die geplanten Maßnahmen so durchsetzen kann wie der Wahlverlierer Socrates, wird sich zeigen müssen. An der Börse wird das jedenfalls bezweifelt.